Newsletter 24/25-11, 14.02.2025

Liebe Schulgemeinschaft,

ich habe im letzten Newsletter ja schon angekündigt, dass es in diesem Newsletter um Zeugnisse und Noten gehen soll.
Noten haben eine Funktion in der Bildungs- und Arbeitswelt, sie sollen selektieren und kategorisieren, sie suggerieren Objektivität und Vergleichbarkeit und stellen Berechtigungshürden für bestimmte Abschlüsse oder (hoch-)schulische Zugänge dar.
Die Empirie zeugt allerdings, dass das in der Realität nicht ganz so einfach ist. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass Noten nicht objektiv und daher auch nicht vergleichbar sind. Ich verzichte jetzt darauf diese hier zu zitieren, wer mehr dazu wissen will, kann hier (https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/das-sagt-die-wissenschaft-ueber-noten/) oder hier (https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/213307/das-dilemma-mit-den-schulnoten/) anfangen zu recherchieren.
Noten und Zeugnisse sind vor allem Momentaufnahmen, sie sagen bestenfalls etwas über einen aktuellen Leistungsstand aus, aber nichts darüber, wie er zustande gekommen ist. Was ist eine bessere Leistung? Die 1 in Musik einer Tochter einer Konzertpianistin, die seit dem 3. Lebensjahr Geige spielt (jeden Respekt dafür!) oder die vier in Geschichte des vor einem halben Jahr in die Regelklasse in der Hauptschule integrierten Geflüchteten, der bis vor zwei Jahren noch kein Deutsch gesprochen hat und auch noch nie etwas von europäischer Geschichte im Mittelalter gehört hat?
Noten und Zeugnisse taugen auch nur sehr bedingt für eine berufliche oder soziale Zukunftsprognose. Die meisten Noten werden in Phasen des körperlichen, seelischen und kognitiven Reifungsprozesses vergeben und sagen daher eher weniger aus. Jeder kenn Beispiele von Menschen, die mit vermeintlich niederem oder gar keinem Abschluss fulminante Leistungen erbracht haben. Gerade neurodivergente Kinder kommen oft kaum mit dem Schulsystem zurecht, sind aber häufig die Kreativen, die wir im Leben brauchen.
Noten treffen aktuell auf eine Gesellschaft in einem enormen Transformationsprozess. Wissen, das früher noch mühsam memoriert werden musste, um es verfügbar zu halten, steht mittlerweile quasi in der Hosentasche zur Verfügung, selbst Prozesse für Reparaturen oder mathematische Operationen sind in Tutorials ubiquitär. Es kommt also zunehmend auf die Anwendung und den Prozess des Lernens an, darauf, wie ich in der Lage bin dieses Wissen zu verknüpfen, zu konstruieren und wieder zu dekonstruieren, ich muss in der Lage sein, dass Wissen kritisch zu hinterfragen und damit kreativ umzugehen.
Diese komplexe und kompetenzorientierte Dimension der Fähigkeiten lässt sich nicht mehr auf Ziffernnoten reduzieren, hier bedarf es in Schulen formativem Feedback und Prozessbegleitung durch Lehrkräfte.
Dazu kommt dann noch eine weitere Dimension: Dieses Wissen lässt sich nicht mehr in Fächern kategorisieren, sondern es muss über Fächer hinweg vernetzt gedacht und angewendet werden.
Ein weiteres Problemfeld bei Noten ist, dass sie nur einen (überkommenen?) Wissenskanon abdecken, der im 19. Jahrhundert entstanden ist. Noten sagen nichts über soziale Fähigkeiten oder nicht zu Kompetenzen im Bereich Modellbau oder zu kollaborativen und kommunikativen Fähigkeiten.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass wir ein Noten- und Selektionssystem in der Schule anwenden, das vielleicht in einer arbeitsteiligen Industriegesellschaft seine Berechtigung hatte, aber zunehmend nicht mehr kompatibel mit den globalen Veränderungen ist. Warum sonst legen große und renommierte Firmen, aber auch Handwerksbetriebe zunehmend weniger Wert auf Zeugnisse und veranstalten Assessment-Center oder lassen Probearbeiten? Vielleicht weil die Fähigkeit auswendig gelerntes Wissen in mehrstündigen Klausuren in Einzelarbeit wiederzugeben wenig mit der beruflichen Realität zu tun hat? Ich frage ja nur…

Ihr

Erik Grundmann

Warnung
Wir finden in letzter Zeit gelegentlich leere Dosen und Überreste von so genannten Nicopds auf dem Schulgelände, das sind kleine hochkonzentrierte Nikotin-Pads, die man sich hinter die Lippe in den Mund klemmt. Die Produkte sind teilweise verboten und ab 18. Mehr dazu gibt es zum Beispiel hier: https://www.deutschlandfunk.de/snus-pouches-nicopods-warum-gesundheitsexperten-vor-nikotinbeuteln-gerade-bei-jugendlichen-warnen-100.html oder hier https://www.dak.de/dak/gesundheit/psychische-gesundheit/sucht/nikotinbeutel_87164.

Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:

Spezialsammlung zur Bundestagswahl
Ich stelle hier einige interessante Seiten zur Bundestagswahl zusammen.
Der bekannte und beliebte Wal-O-Mat der BpB ist hier zu finden: https://www.wahl-o-mat.de/bundestagswahl2025/app/main_app.html. Wichtig zu wissen ist, dass hier nur Parteiprogramme, bzw. offizielle Positionen ausgewertet werden.
Am tatsächlichen Abstimmungsverhalten der Parteien im Bundestag orientiert sich der Real-O-Mat https://real-o-mat.de/ von „Frag den Staat“. Auch hier handelt es sich natürlich um eine Themenauswahl, die der Komplexität der Realität nicht gerecht werden kann.
Wahl.Chat ist ein KI-Chatbot, der es auf der Basis von Parteiprogrammen und anderen Informationen ermöglicht, „individuelle“ Fragen an die Parteien zu stellen: https://wahl.chat/. Auch hier ist natürlich Vorsicht geboten, KI neigt zum Halluzinieren.
Mit https://www.kandidierendencheck.de/bundestag von abgeordnetenwatch.de kann man die Kandidierenden aus dem eigenen Wahlkreis unter die Lupe nehmen.
All dies sind verkürzte Wege sich mit Politik auseinanderzusetzen, für eine wirklich seriöse Urteilsbildung müssen die Parteiprogramme studiert und die aktuellen Entwicklungen über seriöse Nachrichtenquellen dauerhaft verfolgt werden.
Ein interessantes Projekt ist auch https://bundestagswahl.ai/.

Interessantes
Am Montag kam der erste Teil der neuen SINUS-Studie 2024/2025 zum Thema „Zuversicht“ raus. Die Jugendlichen haben große Angst vor Krieg, Populismus und Extremismus, sehen die Zukunft Deutschlands und der Welt überwiegend pessimistisch, sind aber mit ihrem Leben zufrieden und optimistisch, was ihre persönliche Zukunft angeht: https://www.barmer.de/resource/blob/1295344/a7f57a64d056b7e6dd12b885eff681c6/sinus-studie-jugendbericht-2024-2025-kapitel-zuversicht-data.pdf.
Marlen Buri aus der Schweiz startet im Rahmen einer Weiterbilddung einen Blog zum Selbstregulierten Lernen: https://marlenburi.lilo.page/.
In seiner Kolumne bei t-online schreibt Bob Blume über das Fehlen der Interessen von Kindern und Jugendlichen im aktuellen Wahlkampf: https://www.t-online.de/leben/kolumne-bob-blume/id_100592168/bundestagswahl-die-zukunft-von-deutschland-wird-vergessen.html. Siehe dazu auch die Buchempfehlung im letzten Newsletter.
Dieter Dohmen sieht im ntv-Podcast den Kollaps des Schulsystems: https://www.n-tv.de/panorama/Der-Absturz-der-Friedrich-Bergius-Schule-Das-Schulsystem-befindet-sich-mitten-im-Kollaps-article25542935.html.
Am 11.02. war „Safer Internet Day“, Infos hierzu gibt es zum Beispiel bei der ohnehin sehr empfehlenswerten Seite „Klicksafe“: https://www.klicksafe.de/sid25.
Bei der Bundestagswahl mischen im Wahlkampf KI-generierte Fakeprofile, besonders von jungen Frauen, mit Fakenews mit: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/kontext/rechte-ki-influencer-100.html. (Eigentlich müsste dieser Link in die Kategorie Social Media und/oder KI, was zeigt, dass die Zusammenhänge immer deutlich werden, naja, interessant ist es allemal, denn es unterstreicht noch einmal, wie wichtig Demokratie- und Medienbildung sind!).
Die Zeitbild-Stiftung hat ein digitales Buch der Demokratie herausgegeben, in dem um das Aufdecken von Verschwörungstheorien geht: https://www.zeitbild-stiftung.de/projekte/buchderdemokratie/.
„Brand eins“ erzählt die wunderbare Geschichte von „Tumo“ einem innovativen Lernkonzept aus Armenien, das mittlerweile die Welt erobert: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2025/kommunikation-in-nervoesen-zeiten/armenien-ein-land-im-lernfieber. In Frankfurt am Main entsteht übrigens gerade auch ein Tumo-Zentrum: https://www.tumoffm.de/.

Smartphone und Social Media
Bei jüngeren und TikTok-affinen Kindern und Jugendlichen wird aktuell der Song „Sigma Boy“ gehyped. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat dazu einen Interessanten Artikel mit Hintergrundinformationen bereitgestellt (Spoiler: Es geht um Russland, toxische Männlichkeit und Hypemuster in sozialen Medien): https://www.rnd.de/wirtschaft/sigma-boy-auf-tiktok-warum-ein-russischer-popsong-die-sozialen-medien-erobert-6ZQTSWVB6ZCUJGIUMQJ5HPT4OI.html.
Viele Kinder und Jugendliche nutzen die Spieleplattform Roblox, doch auch diese Plattform wird u.a. für Cybergrooming missbraucht (siehe auch die Sehempfehlung): https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/roblox-cybergrooming-online-spiele-100.html.
Sehr gute Analyse der Hessenschau zu Desinformationskampagnen zur Wahlbeeinflussung auf Social Media: https://www.hessenschau.de/politik/bundestagswahl/bundestagswahl-wie-desinformation-auf-social-media-waehler-beeinflusst-v1,btw25-desinformation-100.html.
Neuneinhalb zeigt in der ARD-Mediathek einmal wie man TikTok zur Information nutzen kann: https://www.ardmediathek.de/video/neuneinhalb/informieren-auf-tiktok-so-geht-s/das-erste/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtNzk0MGQxNmUtZmI3MS00MWJmLWJhZWQtZTIxZWQ0NWE5Y2Q5?isChildContent.
Der Kompetenzverbund lernen:digital veranstaltet einen Community Call zum Thema „Smarter ohne Phone? Die Nutzung von Handy und Social Media in der Schule“ mit spannenden Speakern. Anmeldung über: https://lernen.digital/veranstaltungen/smarter-ohne-phone-die-nutzung-von-handy-und-social-media-in-der-schule/.

KI
Doris Weßels schreibt im Blog von FelloFish über KI-Agentensysteme, die weit autonomer agieren als Chatbots. Ich habe schon mehrfach gelesen und gehört, dass diese Agentensysteme das neue heiße Ding in 2025 werden sollen, also besser jetzt noch etwas schlau machen: https://www.fellofish.com/blog/agentic-learning-workflows-aufbruch-in-neue-bildungswelten.
Es gibt einen neuen KI-Detektor, speziell für deutsche Texte, ein Schnelltest war überraschend gut. 1000 Zeichen können kostenlos und ohne Anmeldung getestet werden. Sicher nicht gerichtsfest, aber vielleicht eine Hilfe: https://www.detectora.de/.
Im Blog „KI im Klassenzimmer“ von „Der Standard“ geht es dieses Mal um den Einfluss von KI auf Korrekturen: https://www.derstandard.at/story/3000000252004/ki-statt-rotstift.
KI erweckt nicht nur Tote zum Leben, sondern nimmt auch Einfluss auf unsere Erinnerungskultur, doch dabei ist Vorsicht geboten. Der NDR berichtet am Beispiel von Anne Frank: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/kulturjournal/Anne-Frank-als-KI-Version-Erinnerungskultur-im-Wandel,kulturjournal9992.html.

Tipps für den Unterricht
Heute gibt es mal eine tolle Seite für den Physikunterricht! Michael Freeman stellt auf seiner Seite anschauliches und vor allem interaktives Material zu verschiedenen Themenbereichen aus der Physik zur Verfügung. Ist zwar auf Englisch, aber gut: https://sites.google.com/view/afreeparticle/interactives.
Er arbeitet dabei häufig mit desmos, einem Tool zur interaktiven Visualisierung mathematischer Funktionen: https://www.desmos.com/?lang=de. Und wenn wir gerade dabei sind, könnte auch diese Seite für Mathematik interessant sein: https://de.mathigon.org/.
Stefan vom Podcast „Laberfach“ hat seine Materialen zu „Woyzeck“ geteilt: https://www.laberfach.de/2025/02/08/mat02/. Siehe auch Hörempfehlung.
Auch für Sportlehrkräfte ist heute etwas dabei. QUA-LIS NRW hat eine Taskcard zu Apps und digitalen Medien im Sportunterricht erstellt: https://www.taskcards.de/#/board/fd07b560-173e-4202-bd11-d256b3f7434b/view.
Elke Höfler von der Uni Graz hat eine wunderbare Übersicht über Mythen und unsichtbare Effekte beim Lernen erstellt: https://digitalanalog.at/lernen/von-matthaeus-bis-matilda-wie-unsichtbare-effekte-unser-lernen-beeinflussen/.
Das Deutsche Schulportal stellt eine Studie zum Üben vor, die für „verschachteltes Üben“ wirbt: https://deutsches-schulportal.de/bildungsforschung/warum-verschachteltes-ueben-so-nachhaltig-ist/.
Niels Winkelmann hat einen wunderbaren Blogbeitrag zur Arbeit mit Taskcards bei der Abiturvorbereitung in einer Kultur der Digitalität geschrieben: https://digilog.blog/2025/02/12/wiederholen-mit-taskcards/.

Leseempfehlung
Um den ganzen dystopischen Entwicklungen in der Realität etwas entgegenzusetzen, empfehle dieses Mal „Wir können auch anders. Aufbruch in die Welt von morgen“ der Ökonomin Maja Göpel (Berlin 2022), die uns zeigt, wie wir es in eine lebenswerte Zukunft schaffen können.

Hörempfehlung
Aladin El Mafaalani ist zu Gast bei Isabell Probsts Podcast und spricht über seine Vergangenheit als Lehrer und die Zukunft des Schulsystems: https://lifeafterlehramt.podigee.io/32-aladin-el-mafaalani.
Für alle Deutsch-Lehrkräfte, Deutsch-Schülerinnen und -Schüler oder zum Lernen fürs Abitur ist der Podcast „Laberfach“ eine unbedingte Empfehlung: https://www.laberfach.de/.

Sehempfehlung
ZDF-Doku zu den Gefahren auf Roblox: https://www.zdf.de/dokumentation/die-spur/roblox-kinderspiel-online-gefahr-100.html.

Veranstaltungsempfehlung
Safe the Date! Es ist mir gelungen am 30.09.2025 Silke Müller mit Ihrem Vortrag zu Gefahren im Netz ins Bürgerhaus Dreieich zu holen! Infos zu Silke Müller gibt es hier: https://silkemueller.com/. Nähere Infos zu Ticketing etc. folgen.

Spaß im Netz
Heute gibt es einen polyglotten Liebesliedgenerator von Bodo Wartke: https://www.bodowartke.de/liebesliedgenerator/de/. Vielen Dank an die Kollegin Reinelt für den tollen Tipp!

Newsletter 24/25-10, 31.01.2025

Liebe Schulgemeinschaft,

ich habe noch nie so lange überlegt, über was ich in einem Newsletter schreiben soll. Meistens habe ich schon Wochen oder zumindest Tage im Voraus ein Thema im Kopf, welches dann gärt und sich konkretisiert, doch dieses Mal fällt es mir schwer.
Ich mag mich eigentlich nicht mit aktuellen weltpolitischen Entwicklungen oder denen in unserem Land auseinandersetzen. Hierzu gibt es am Ende auch nur einen zentralen Aspekt festzuhalten:

„(2) Die Schulen sollen die Schülerinnen und Schüler befähigen, in Anerkennung der Wertordnung des Grundgesetzes und der Verfassung des Landes Hessen

1. die Grundrechte für sich und andere wirksam werden zu lassen, eigene Rechte zu wahren und die Rechte anderer auch gegen sich selbst gelten zu lassen,

2. staatsbürgerliche Verantwortung zu übernehmen und sowohl durch individuelles Handeln als auch durch die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen mit anderen zur demokratischen Gestaltung des Staates und einer gerechten und freien Gesellschaft beizutragen,

3. die christlichen und humanistischen Traditionen zu erfahren, nach ethischen Grundsätzen zu handeln und religiöse und kulturelle Werte zu achten,

4. die Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Achtung und Toleranz, der Gerechtigkeit und der Solidarität zu gestalten,

5. die Gleichberechtigung von Mann und Frau auch über die Anerkennung der Leistungen der Frauen in Geschichte, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft zu erfahren,

6. andere Kulturen in ihren Leistungen kennen zu lernen und zu verstehen,

7. Menschen anderer Herkunft, Religion und Weltanschauung vorurteilsfrei zu begegnen und somit zum friedlichen Zusammenleben verschiedener Kulturen beizutragen sowie für die Gleichheit und das Lebensrecht aller Menschen einzutreten,

8. die Auswirkungen des eigenen und gesellschaftlichen Handelns auf die natürlichen Lebensgrundlagen zu erkennen und die Notwendigkeit einzusehen, diese Lebensgrundlagen für die folgenden Generationen zu erhalten, um der gemeinsamen Verantwortung dafür gerecht werden zu können,

9. ihr zukünftiges privates und öffentliches Leben sowie durch Maßnahmen der Berufsorientierung ihr berufliches Leben auszufüllen, bei fortschreitender Veränderung wachsende Anforderungen zu bewältigen und die Freizeit sinnvoll zu nutzen.“

Das ist der §2 des Hessischen Schulgesetzes und daran sind wir Lehrkräfte gebunden, wir sind zur Mäßigung verpflichtet, Neutralität bedeutet nicht, dass wir Verstöße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung hinnehmen müssen, im Gegenteil, wir sind sogar aufgefordert, diesen entgegenzutreten.
In der Schule läuft es gut, wir sind weiter auf einem guten Weg, heute erscheint unsere neue Schülerzeitung (online abrufbar unter: https://www.wfs-dreieich.de/wp-content/uploads/2025/01/Fomo-Heft1.pdf) , wir hatten die erste Sitzung der DNA-Gruppe (Mehr Informationen dazu gibt es hier: https://www.schulmun.de/2025/01/16/wfs-06-auf-in-das-2-jahr-die-dna-arbeitet/), die Stimmung scheint mir im Großen und Ganzen gut zu sein. Sicher gilt das nicht in jedem Detail, die vielen Lehrkräftewechsel sind zum Beispiel für alle Teile der Schulgemeinschaft ein Ärgernis, lassen sich aber leider nicht vermeiden. Nächste Woche stehen die Zeugnisse an, denken Sie daran, dass die Kinder mehr sind als die Noten auf den Zeugnissen! Das werde ich im nächsten Newsletter noch etwas vertiefen, womit das Themenfindungsproblem in zwei Wochen schon einmal gelöst ist.
Ich bitte um Nachsicht, dass ich dieses mal im Wesentlichen „nur“ ein Gesetz zitiert habe, wenn auch ein wichtiges.

Ihr

Erik Grundmann

Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:

Aktuell: Gerade kam noch eine weiter Warnung vor einer TikTok-Challenge rein, dieses Mal geht es wohl darum große Mengen Paracetamol zu nehmen:
https://www.swissinfo.ch/ger/%22paracetamol-challenge%22-auf-tiktok-beunruhigt-%c3%84rzte/88803551

Interessantes
Michael Drabe hat eine, mittlerweile vierteilige, Serie zur datengestützten Schul- und Unterrichtsentwicklung gestartet, hier geht es zu Teil eins: https://schule-in-der-digitalen-welt.de/1-evaluation/.
Lesenswertes Interview mit Raúl Krauthausen über Inklusion: https://www.news4teachers.de/2025/01/es-sind-ja-nicht-die-behinderten-kinder-schuld-dass-lehrerinnen-immer-mehr-machen-muessen-raul-krauthausen-ueber-inklusion/.
Die Verbraucherzentrale Hessen hat ein umfangreiches Glossar zum Thema Datenschutz erstellt: https://www.verbraucherzentrale-hessen.de/wissen/digitale-welt/datenschutz/datenschutzrecht-wichtige-begriffe-zum-datenschutz-erklaert-55444.
Nach einer repräsentativen Forsa-Befragung im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) ist Gewalt gegen Lehrkräfte auf einem hohen Niveau: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/gewalt-lehrer-studie-100.html.
Bob Blume appelliert in seiner Kolumne beim Deutschen Schulportal für mehr Unterstützung der Lehrkräfte beim Umgang mit Hass und Fakenews: https://deutsches-schulportal.de/kolumnen/wenn-lehrkraefte-mit-dem-hass-allein-gelassen-werden/.
Jan Martin Wiarda setzt sich auf seinem Blog mit den Vorschlägen von Schopper, Prien und Hubig auseinander, die u.a. mehr messbare Bildungsziele fordern: https://www.jmwiarda.de/2025/01/20/neue-ambitionen-auf-dem-weg-zur-bildungsrepublik/.
Nature schreibt darüber, warum Kinder mehr Risiko beim Spielen eingehen müssen: https://www.nature.com/articles/d41586-024-04215-2.
Die Montag Stiftung hat eine tolle Website zum Thema Schulbau gestartet: https://schulbauopensource.de/.

Smartphone und Social Media
Eine Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung zeigt, dass Junge Menschen und TikTok-Nutzer besonders anfällig für Desinformation sind: https://www.zeit.de/digital/internet/2025-01/studie-desinformation-tiktok-junge-menschen.
Andrea Buhl-Aigner, renommierte Smartphone-Coach, stellt acht Tipps für einen bewussten Umgang mit Smartphones in der Familie und zwanzig Maßnahmen dazu zur Verfügung (Voraussetzung ist Registrierung beim abbestellbaren Newsletter): https://www.smartphonecoach.org/8-tipps-fuer-einen-bewussten-umgang-mit-smartphones/.
Ein Bericht des NDR über ein erfolgreiches Präventionsprogramm gegen Cybermobbing in Hamburg: https://www.ndr.de/kultur/Cybermobbing-Jedes-sechste-Schulkind-in-Deutschland-betroffen,cybermobbing406.html.
TikTok macht mal wieder mit einer Challenge von sich reden: https://www.srf.ch/news/schweiz/amokdrohungen-an-schulen-ein-tiktok-trend-der-fuer-aufwand-und-aerger-sorgt.

KI
Manuel Flick, Philipp Sölken & Niels Winkelmann haben einen empfehlenswerten Leitfaden zu KI und Facharbeiten erarbeitet: https://digilog.blog/2025/01/22/ki-und-facharbeiten-ein-leitfaden-fuer-den-unterricht/.
Joscha Falck hat einen sehr guten Blogbeitrag zum Thema „Prompting verstehen“ geschrieben: https://joschafalck.de/prompting-verstehen/.
Die Vodafone-Stiftung hat Schüler zum Thema „KI an europäischen Schulen“ befragt: https://www.vodafone-stiftung.de/europaeische-schuelerstudie-kuenstliche-intelligenz/.
Ab Februar tritt eine neue Stufe des AI Act der EU in Kraft, was das für Schulen bedeutet, ist allerdings noch umstritten, dazu der Standard: https://www.derstandard.de/story/3000000253344/ki-kompetenzen-ai-act-strafe. Fobizz bietet dazu schon Webinare an.
In diesem Video zeigt Hauke Pölert, wie man mit Napkin.ai Grafiken aus Texten erstellt: https://www.youtube.com/watch?v=y1pMMWjlepo.
Die Weltbank bloggt über den erfolgreichen Einsatz von KI in Nigeria: https://blogs.worldbank.org/en/education/From-chalkboards-to-chatbots-Transforming-learning-in-Nigeria.

Tipps für den Unterricht
Wer es noch nicht kennt: https://simpleshow.com/de/ ist ein einfaches und praktisches Tool zur Erstellung von Erklärvideos.
Für Informatiker eine Variante des Brettspiels »Turing Machine – Der Lochkarten-Computer«: https://apfelfreunde.de/2025/01/25/lochkarten/.
Taskcard zu „Deeper Learning“ von Cornelia Stenschke: https://www.taskcards.de/#/board/448fe454-5b72-4832-8e6c-9a7cc321d16c/view?token=b4b74cb3-0588-4aea-9be5-77fd65f90f4a.
Etwas für den PoWi-Unterricht; Simon Meier-Vieracker hat Heatmaps mit den wichtigsten Worten aus den aktuellen Wahlprogrammen erstellt: https://btw25heatmaps.streamlit.app/, sehr interessant.
Frank Ehspanner hat einen Geschichtenwürfel programmiert, mit dem man kleine Piktogramme aus einem Zufallsgenerator geriert, die dann als Schreib- oder Erzählanlass dienen können: https://geschichtenwuerfel.de/.

Leseempfehlung
Ich empfehle dieses Mal das neue Buch von Aladin El Mafaalani: Kinder; Minderheit ohne Schutz; Aufwachsen in der alternden Gesellschaft, Köln 2025. Mit Sebastian Kurtenbach und Klaus Peter Strohmeier beschreibt er, warum Kinder für die Politik kaum eine Rolle spielen (Spoiler: Sie sind keine relevante Wählerschicht) und was zu tun wäre.

Hörempfehlung
Romy Kopsch und Markus Väth sprechen im „Radikalen Salon“ mit Stefan Ruppaner: https://radikalarbeiten.podbean.com/e/revolutionare-schulkonzepte-im-gesprach/.
Bei mobile.schule gibt es eine kleine und feine Übersicht zu Podcasts aus dem Bildungsbereich: https://mobileschule.net/podcast.

Sehempfehlung
Der Hase der Hoffnung, der die ERS Karlsruhe schon durch die Pandemie begleitet hat, meldet sich wieder einmal zu Wort: https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=uDsulCXfq1k.
KI beeinflusst unser Leben auf vielen Ebenen, in der ARD Mediathek gibt es ein Doku zu einer Frau, deren toter Mann als KI weiterlebt: https://www.ardmediathek.de/film/mein-mann-lebt-als-ki-weiter-oder-doku/Y3JpZDovL21kci5kZS9zZW5kZXJlaWhlbi8zMGUxZjlmYi0yN2YzLTRhZGQtYmU4Ny0yMWM4OGU0OTE3N2UvMzI3MDM2MzYtMjZjMC00YzA1LWI2ZTctNzQzNDU1YzI4YTVm.

Veranstaltungsempfehlung
Die didacta findet vom 11. bis 15. Februar 2025 auf dem Messegelände Stuttgart statt. Die Weibelfeldschule wird dort auch wieder präsent sein.

Spaß im Netz
Schon was älter, aber gut:
https://www.youtube.com/watch?v=nPrWo5pEvyk&t=241s.

2025-05: Lehrkräftegesundheit

Vorbemerkung: Eine Reihe von bildungsaffinen Bloggern hat sich zum Ziel gesetzt, 2024 und 2025 häufiger thematisch gemeinsam zu bloggen. Die Themenvorschläge werden an dieser Stelle gesammelt, alle Beiträge zum aktuellen Thema sind unter dem Beitrag zu finden. Zusätzlich hat Susanne Posselt hier eine beschreibbare Taskcards-Pinnwand erstellt. Die gibt’s hier.

Ich überlege schon länger, was ich zu diesem Thema beitragen kann und muss gestehen, dass das für mich persönlich ein etwas blinder Fleck ist.
Natürlich versuche ich in der Schule Rahmenbedingungen zu schaffen, die dem Kollegium Möglichkeiten zur Gesunderhaltung schaffen, so schwer das in unserem Job ist. Wir nehmen an einem Zertifizierungsprogramm des Ministeriums teil, welches Bewegung und Achtsamkeit für alle in Schule fördern soll, ich führe aktuell jede Woche sogenannte Integrationsgespräche mit Kolleginnen und Kollegen, die eine hohe Anzahl an Krankheitstagen haben, um Möglichkeiten auszuloten deren Dienstfähigkeit zu erhalten. Am Ende gehört das aber auch zu den Aufgaben, für die ich nicht ausgebildet bin und von denen ich nicht wirklich Ahnung habe.
Ich weiß, das viele Kolleginnen und Kollegen hohe Belastungen haben, die sicher nicht gesund sind, dass es keine geregelten Pausenzeiten oder vernünftige Rückzugsmöglichkeiten gibt. Ich weiß, dass wir unter entgrenzten Arbeitszeiten leiden und zunehmend mit Schicksalen konfrontiert werden, mit denen wir schwer zurecht kommen und oft genug alleine gelassen sind.
Ich weiß auch, dass ich als Schulleiter viele Kolleginnen und Kollegen mit Konferenzen, Klassenkonferenzen, Berichten, Stundenplanänderungen, Lerngruppenwechseln und vielem mehr belaste, habe aber oft keine Ideen, wie ich das entlastender gestalten kann.
Wir brauchen alle echte Entlastung zur Erhaltung unserer Gesundheit. Wir müssen wirklich Dinge abschaffen, alles muss auf den Prüfstand: Förderpläne, Halbjahreszeugnisse, Klassenarbeitszahlen, Lehrplaninhalte, Dokumentationspflichten usw. Studien zeigen ja, dass nicht nur die Gesundheit der Lehrkräfte leidet, sondern auch die der Schülerinnen und Schüler.

Und zuletzt bin ich bei der Gesunderhaltung auch kein gutes Vorbild. Und arbeite deutlich mehr Stunden als ich muss, ich lege Termine in die Mittagspause, Esse am Computer, zu viel und zu ungesund. Ich treibe zu wenig Sport und sitze zu viel am Schreibtisch. Anders ist das Pensum aber oft kaum zu bewältigen, zumal ich ja auch noch daran interessiert bin, Schulentwicklung zu betreiben, für eine hoffentlich bessere Zukunft. Auch bei den Aufgaben für Schulleitungen bedarf es der Deimplementierung.

Am Ende stelle ich fest, dass dieses Thema der Blogparade eines ist, zu dem ich keinen wirklich konstruktiven Beitrag leisten kann. Das ist eigentlich eine Katastrophe.

Weitere Beiträge:
Herr Mess: https://herrmess.de/2025/01/23/edublogparade-2025-folge-1-lehrergesundheit/.
Frank Zinecker: https://schulgedanken.de/blogparade-lehrergesundheit.
Frau Kreis: https://fraukreis.wordpress.com/2025/01/26/edublogparade-2025-folge-1-lehrkraftegesundheit/.
Susanne Posselt: https://susanneposselt.de/lehrkraeftegesundheit/.

Newsletter 24/25-09, 17.01.2025

Liebe Schulgemeinschaft,

ein neues Jahr beginnt und damit viele neue Chancen.
ich glaube, dass 2025 für die Weibelfeldschule ein wichtiges Jahr wird (und für die gesamte Welt).
Wir haben im vergangenen Jahr mit der Gründung der DNA-Gruppe, der stärkeren Einbeziehung von Schülerinnen, Schülern und Eltern, der Umwandlung in eine Selbstständige Schule und zunehmender Vernetzung eine gute Basis für unsere Weiterentwicklung 2025 geschaffen. Wir werden die begonnenen Prozesse fortführen und wichtige Weichen stellen, zum Beispiel bei der Handynutzung, der Gewaltprävention, beim Hauptschulkonzept und letztlich bei der Professionalisierung unser aller Haltung.
Zum Thema Haltung hat Micha Pallesche kürzlich auf LinkedIn einen Beitrag geschrieben. Er bezieht sich auf Katrin Halfmann, mit der ich mich im Newsletter 24/25-05 (https://www.schulmun.de/2024/11/07/newsletter-24-25-05-01-11-2024/) auseinandergesetzt habe und kommt zu folgendem Schluss:
„Bislang verstehen sich Lehrende in der Breite noch immer als Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer, deren zentrale Aufgabe es ist, bestehende Inhalte, Wissen, Regeln, Kultur und Bedeutung an Schülerinnen und Schüler zu vermitteln (vgl. Allert und Asmussen 2017, 49f.) Transformationsprozesse vor dem Hintergrund des oben formulierten Haltungsbegriffes, gelingen jedoch nur in Gemeinschaft. Das Rollenverständnis von Lehrenden als Einzelkämpfer muss daher überwunden werden. Es geht vielmehr darum, sich kooperativ in Teamstrukturen als Gestalterin oder Gestalter von Lernprozessen zu betrachten, die wiederum Schülerinnen und Schüler befähigen, sich aktiv und gemeinschaftlich den Veränderungsprozessen und Herausforderungen unserer Gesellschaft zu stellen, diese mitzugestalten und durch das Verständnis eines kollektiven Haltungsbegriffs Kultur zu schaffen.“ (https://www.linkedin.com/pulse/haltung-ist-das-eigentlich-micha-pallesche-1e/).
Genau so sehe ich das auch!
Ich wünsche mir ehrliche, offene und konstruktive Debatten für unsere weitere Schulentwicklung. Stillstand ist keine Option. Mein persönlicher Fokus liegt neben mehr selbstorganisiertem Lernen und Feedback für die Lernenden auf mehr Demokratie- und Medienbildung.
Außerdem muss es uns gelingen mehr Raum für Austausch zur Schulentwicklung und zu pädagogischen Aspekten zu schaffen. Daher (vgl. die entsprechenden Links unten) müssen wir gleichzeitig versuchen Arbeitsschritte und -routinen zu identifizieren, bei denen wir De-Implementieren können. Wir müssen Handlungsfelder identifizieren, und dazu gehören meiner Meinung nach zum Beispiel Aufsicht und Durchsetzung von Schulregeln, die wir in den Fokus nehmen und durchsetzen. Für all das brauchen wir eine Professionalisierung im Bereich von (evidenzbasiertem) Qualitäts- und Projektmanagement.
Ein weiteres wichtiges Thema wird das Schulklima sein. Ich fürchte, dass negative Aspekte beim gesellschaftlichen Klima auf die Schule ausstrahlen und wir deshalb pädagogisch noch mehr gefordert werden. Darauf sollten wir uns vorbereiten. Wichtig ist auch hierbei, dass wir uns eng abstimmen und situativ und agil reagieren.
Wir wissen aus der Organisationsentwicklung, dass Change-Management auch mit Widerständen und Arbeit verbunden ist. Wir sind jetzt in der Phase, in der wir erste Fernziele ins Auge fassen müssen und ins Handeln kommen sollten. Wenn wir auch in zehn Jahren noch in der Lage sein wollen unsere Arbeit gern und gut zu machen, müssen wir die Entwicklungen in der Gesellschaft, der Wissenschaft und der Technik annehmen und in unserer Arbeit aufnehmen. Wir erleben gerade überall disruptive und tiefgreifende Veränderungen wie schon lange nicht mehr, darauf müssen wir reagieren. Packen wir es an!

Ihr

Erik Grundmann

Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:

Interessantes
Das Deutsche Schulportal bietet einen Überblick über wichtige Termine für Schulen 2025: https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/das-kommt-2025-auf-die-schulen-zu/. Und Lehrer News zeigt einen Rückblick auf 2024: https://www.lehrer-news.de/blog-posts/krisenjahr-bildung-ein-rueckblick-auf-die-bildungspolitik-2024.
Michael Drabe hat eine Serie mit einem „Plädoyer für datengestützte Schul- und Unterrichtsentwicklung“ gestartet. Ich finde, daran kann sich jede Schule orientieren: https://schule-in-der-digitalen-welt.de/1-evaluation/.
Hauke Pölert bloggt über die Sinnlosigkeit von Korrekturen und die Sinnhaftigkeit von Feedback: https://unterrichten.digital/2025/01/06/korrekturen-feedback-de-implementierung-wisniewski/. (Vgl. dazu auch die Hörempfehlung zum Podcast von Bob Blume)
Die Medienanstalt für Baden-Württemberg fasst die JIM-Stuide 2024 zusammen: https://www.lfk.de/forschung/mediennutzungsstudien/jim-studie-2024.
Interessant: Unterschiedliche Perspektiven auf die Rolle von Schulaufsicht aus Berlin und Niedersachsen: https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/schulaufsicht-koennte-so-viel-mehr-sein-als-nur-kontrolle/.
Christian Füller berichtet vom Modell der „Lausitzer Lehrprobe“, bei dem Lehramtsstudierende schon früh an Schulen eingesetzt und dabei professionell begleitet werden: https://pisaversteher.com/2024/12/27/lausitzer-lehrprobe-breitet-sich-aus/.
David Epstein beschreibt in seinem Blog „The Christmas Tree Effect“ und warum wir nicht immer nur Dinge implementieren können, sondern auch Deimplementieren müssen: https://davidepstein.substack.com/p/the-christmas-tree-effect.
Tim Engartner hat auf heise.de ein kluges Interview zu Big Tech, Digitalisierung und Prioritäten in Schulen gegeben: https://www.heise.de/hintergrund/Raus-aus-der-Bildungsfalle-Warum-Digitalisierung-kein-Allheilmittel-ist-10218738.html.
Bei Wolters Kluwer kann man die „Zukunftsstudie Schulmanagement 2024 – Digitalisierung im Schulleitungsalltag“ herunterladen: https://www.wolterskluwer.com/de-de/know/zukunftsstudie-schulmanagement-2024.
Der https://www.kuketz-blog.de/ ist eine gute Anlaufstelle für viele Datenschutzfragen, auch im schulischen Kontext.

Smartphone und Social Media
„Brain-Rot“ ist das Oxford-Wort des Jahres 2024 und ist mittlerweile durch Studien belegt, dazu der Standard: https://www.derstandard.at/story/3000000251107/brain-rot-durch-social-media-ist-medizinisch-nachweisbar und El Pais: https://english.elpais.com/technology/2024-12-26/the-effects-of-brain-rot-how-junk-content-is-damaging-our-minds.html.
Johannes Drosdowski kritisiert in der taz die sich anbahnende „Verbotskultur auf Social Media“: https://taz.de/Verbotskultur-auf-Social-Media/!6052977/.
Kritisch sieht das auch Sebastian Meineck bei netzpolitik.org: https://netzpolitik.org/2024/social-media-verbot-in-australien-jugendschutz-nach-dem-prinzip-ohrfeige/.
Eine weitere Kritik von Philippe Wampfler richtet sich explizit an Jonathan Haidt: https://schulesocialmedia.com/2024/09/19/das-problem-mit-generation-von-angst-von-jonathan-haidt/.
Haidt wiederum fordert bei „wired“ Politik und Tech-Firmen zum Handeln auf und erwartet in 2025 große Veränderungen: https://www.wired.com/story/digital-social-media-safeguards-children-policy/.
Die taz zur Ausbeutung von „Clickworkern“ in Afrika, die sich mit einer Klage gegen Meta wehren: https://taz.de/Meta-Mitarbeitende-in-Kenia-wehren-sich/!6058005/.

KI
Bericht des Deutschen Schulportals über zwei Studien zum Nutzen und Schaden von KI beim Lernen: https://deutsches-schulportal.de/bildungsforschung/wann-ki-beim-lernen-hilft-und-wann-sie-schadet/. Spoiler: Entscheidend ist, wie und wofür KI genutzt wird. Das sieht auch Ulrike Cress in Forschung & Lehre so: https://www.forschung-und-lehre.de/zeitfragen/ki-kann-lernende-unterstuetzen-oder-ihre-anstrengungen-verhindern-6811.
Die TU-München stellt eine Metastudie zu Chatbots im Unterricht vor. Chatbots sind geeignet argumentative Lernprozesse zu strukturieren, als Lernassistent und Prüfungsleistungen zu fördern, sowie das Behalten und die Lernbereitschaft. Unklar ist, ob auch kritisches Denken gefördert werden kann und inwiefern sich ein Neuigkeitseffekt zeigt: https://www.clearinghouse.edu.tum.de/lehrstrategien/chatbots-im-unterricht-welche-lernergebnisse-werden-unterstuetzt/.
Daniel Borowski sammelt in einer TaskCard Tipps und Beispiele zu KI-Tutoren: https://hb.taskcards.app/#/board/1ac2ccb7-00a6-4a1f-9ee6-adcffc7355bd/view?token=1ee7ba94-2eaa-4717-886c-464cc5889dce.
Bob Blume hat bei einer Klassenarbeit die Nutzung von KI zugelassen und schildert hier seine Erfahrungen: https://deutsches-schulportal.de/kolumnen/bob-blume-kuenstliche-intelligenz-in-klassenarbeiten-ein-schritt-in-die-zukunft/. Ich habe das im November auch bereits bei einer E-Phase im Abendgymnasium getestet, mein Erfahrungsbericht findet sich hier: https://www.schulmun.de/2025/01/06/2024-28-open-book-klausur-mit-ki-nutzung-ein-erfahrungsbericht/.
Der Guardian setzt sich kritisch mit dem Trend auseinander Chatbots als Life-Coaches zu nutzen: https://www.theguardian.com/technology/2024/dec/03/the-chatgpt-secret-is-that-text-message-from-your-friend-your-lover-or-a-robot?mc_cid=b02d9505a5.
Bei https://theyseeyourphotos.com/ kann man ausprobieren, was eine KI alles über eine Person aus einem einzigen Foto herauslesen kann.

Tipps für den Unterricht
Mundo ist die offene Bildungsmediathek der Länder mit zahlreichen kuratierten Materialien für den Unterricht: https://mundo.schule/.
Die Initiative #UseTheNews hat ein Whitepaper für Schulen mit zahlreichen Materialen zur Förderung von Nachrichtenkompetenz veröffentlicht (Link im Text): https://deutsches-schulportal.de/schule-im-umfeld/whitepaper-fuer-schulen-zur-foerderung-von-nachrichtenkompetenz/. Der Grundstock für die Module stammt übrigens aus den Empfehlungen des Vereins „Journalismus macht Schule“, dem ich beitreten will.
Joscha Falck und Manuel Flick haben einen Leitfaden zur Aufgabenkultur mit KI und Downloadmaterial herausgegeben: https://joschafalck.de/leitfaden-aufgaben/.
Materialien zu 3D-Druck im Unterricht gibt es bei AppCamps: https://appcamps.de/2022/12/13/3d-druck-im-unterricht/.
Das Konzept von CultureNature Literacy (CNL) setzt auf kulturelle Nachhaltigkeit und will Mut machende Zukunftsbilder, nicht Katastrophenszenarien vermitteln: https://cnl.ph-noe.ac.at/.
Hier gibt es eine einfach zu nutzende digitale „Argumentationswippe“: https://argumentationswippe.de/#.

Leseempfehlung
Ich habe den neuen Harari jetzt tatsächlich gelesen und bleibe bei meiner Empfehlung, ein Kollege aus der Geschichtsfachschaft hat sogar dazu aufgerufen, dass Buch im Kollegium zu diskutieren.
Dieses Mal möchte ich das neue Buch von Margret Rasfeld und Ute Puder empfehlen: Das Schuldrama, und wie wir unsere Kinder für die Zukunft stärken, bene! Verlag 2024. Rasfeld und Puder analysieren schonungslos die Schwächen des Bildungssystems und zeigen mit konkreten Beispielen auf, wie es besser geht. Ein wunderbarer Einstieg in die Notwendigkeit einer Reform des Bildungssystems.

Hörempfehlung
Owen Henkel & Libby Hills betreiben den Podcast „Ed-Technical“, der sich mit KI in der Bildung beschäftigt. Besonders interessant sind die Folgen zu Google und KI in der Bildung: https://open.spotify.com/show/3AYZ7qUVTMnRqQsoNTFCVU.
Stefan Ruppaner im Radikalen Salon von Romy Kopsch und Markus Väth: https://radikalarbeiten.podbean.com/e/revolutionare-schulkonzepte-im-gesprach/.
Bob Blume hat in seinem Podcast „Die Schule brennt“ den hier auch schon häufig genannten Psychologen und Lehrer Benedikt Wisniewski zum Thema De-Implementierung zu Gast: https://www.ardaudiothek.de/episode/die-schule-brennt-der-bildungspodcast-mit-bob-blume/benedikt-wisniewski-lieber-weniger-statt-mehr-machen-das-konzept-der-de-implementierung/swr/13995381/.

Sehempfehlung
Die wunderbare Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe veröffentlicht seit ein paar Jahren zum Jahresabschluss ein „Sekundenglück-Video“ in dem mit schönen Momenten das vergangene Jahr Revue passiert, sehenswert und herzergreifend: https://vimeo.com/1040916733/77d8ce62a3?share=copy.
Interessante Doku in der ARD-Mediathek „Sprechende Schweine – KI übersetzt Tiersprache“: https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL25kci5kZS9wcm9wbGFuXzE5NjM0NjE0MV9nYW56ZVNlbmR1bmc.
Noch eine ARD Doku zu KI: https://www.ardmediathek.de/video/doku-und-reportage/unser-leben-mit-ki-revolution-in-echtzeit/wdr/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtZGJjNTE2YWQtODZlYi00OGM1LThiNzUtNTEwZWUxNzNhYzY2.

Veranstaltungsempfehlung
Am 29.01.2025 findet von 18 bis 22:00 Uhr das erste hessische Bildungsbier in der Weibelfeldschule statt. Wir wollen uns in lockerer Atmosphäre vernetzen, austauschen und amüsieren.
Eingeladen sind alle Bildungsbegeisterten aus der Region. Bitte bei mir anmelden.

Die didacta findet vom 11. bis 15. Februar 2025 auf dem Messegelände Stuttgart statt. Die Weibelfeldschule wird dort auch wieder präsent sein.

Spaß im Netz
Wenn es schon draußen keinen gescheiten Schnee gibt: https://rectangleworld.com/PaperSnowflake/.

WfS-06: Auf in das 2. Jahr! Die DNA arbeitet.

Ich habe vorgestern meinem Stellvertreter gegenüber die Sorge geäußert, dass jetzt der anstrengende Teil des Schulentwicklungsprozesses beginnt, dass wir jetzt durch das berühmte „Tal der Tränen“ in der Change-Kurve nach Kübler-Ross müssten. Er hat das verneint und ist der Meinung, dass wir das schon hinter uns hätten und schon im Aufstieg des „Berges der Veränderung“ seien. Ich wollte erst noch widersprechen, habe dann aber gemerkt, dass der Wahrnehmungsfehler auch bei mir liegen könnte. Er meinte, dass ich da wohl im ersten Jahr zu sehr in meinem persönlichen Ankommensprozess gefangen war, dass ich das überhaupt nicht so richtig mitbekommen habe. Der Vorsitzende des Personalrates hat das heute bestätigt und ich beginne das jetzt auch zu glauben und zu hoffen.
In der Tat haben wir ja, wie in diesem Blog beschrieben, schon viel erreicht, vor allem haben wir die Idee der Veränderung in die Breite getragen und vermutlich viele Denkprozesse ausgelöst. Wir arbeiten gleichzeitig an mehreren produktiven Baustellen und beginnen erste Erfolge einzufahren. Wir haben Prozesse demokratisiert und sind dabei eine gemeinsame Vision von Schule zu entwickeln. Natürlich haben wir noch Einiges an Weg vor uns, aber eben auch schon hinter uns.

Heute fand das erste Treffen der DNA-Gruppe statt. Diese soll ein Spiegel der Schulgemeinschaft sein und Entwicklungsprozesse vorentlasten, indem diese dort diskutiert werden und wir so erkennen können, wie die Schulgemeinschaft auf geplante Veränderungen reagieren wird. In der Gruppe sind drei Schülerinnen und Schüler, zwei Eltern und 15 Lehrkräfte aus verschiedenen Zweigen und mit verschiedenen Vorstellungen. Die Stimmung war gelassen und konstruktiv und in den ersten Sitzungen geht es darum Werkzeuge zur Steuerung des Entwicklungsprozesses kennenzulernen und ein Selbstverständnis zu entwickeln. Ein erstes Brainstorming hat gezeigt, dass sehr viele interessante Entwicklungsideen vorhanden sind, die im letzten Jahr aufgekommen sind. Bei uns wissen mittlerweile alle, was ein „Freiday“ oder ein Lernatelier ist, es ist denkbar partiell auf Noten zu verzichten oder Unterricht zu öffnen, wir diskutieren über Deimplementierung, Qualitäts- und Projektmanagement, professionelle Haltung uvm. Das ist nicht selbstverständlich und ist in vielen Systemen leider tabuisiert. Es ist also ein deutlicher Professionalisierungsprozess im Bereich moderner Schulentwicklung zu erkennen.
Ich freue mich, dass wir so viele tolle Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schüler und Eltern haben, die so viel Engagement und Kraft aufbringen, die bereit sind ein paar Extrameilen zu gehen, um unsere Schule voran zu bringen, das motiviert mich ungemein. Bei all den Zweifeln und all dem Unbill die mit dem Jahresstart über uns kamen und die mich etwas schwermütig zurückgelassen haben, stimmt mich die Entwicklung an der Schule positiv, trotz alledem! Eine Kollegin hat wohl gesagt, dass 2025 unser Jahr werde. Ich kann es mir vorstellen!

2025-03: Warum wir einen neuen Literacy-Begriff brauchen. Eine Streitschrift?

Ich erinnere mich noch ziemlich genau an den PISA-Schock, den die erste PISA-Studie 2000 ausgelöst hat (Hintergründe zur PISA-Studie). Ich war noch Student und diese Studie war die erste Studie, die ich ganz gelesen habe, ich habe sogar, ich glaube es war im Hauptseminar Erziehungswissenschaften, ein Referat darüber gehalten.
Zu den Haupterkenntnissen, neben den schwächer werdenden deutschen Schulleistungen und der erschreckenden Abhängigkeit des Erfolgs im Schulsystem von der sozialen Herkunft, gehörte für mich definitiv der in der Studie verwendete Begriff von Literacy. Dieser konnte nicht einfach mit Lesefähigkeit gleichgesetzt werden, sondern bedeutete mehr. Literacy ist demnach:
Lesekompetenz wird bei PISA als Fähigkeit verstanden, Texte zu verstehen, zu nutzen, zu bewerten und über sie zu reflektieren sowie bereit zu sein, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um eigene Ziele zu erreichen. Lesekompetenz ist danach die Grundlage dafür, eigenes Wissen und Potenzial zu entwickeln und an der Gesellschaft teilzuhaben. Um dieser umfassenden Definition der Lesekompetenz gerecht zu werden, deckt der PISA-Test verschiedene Arten von Texten und Aufgaben in verschiedenen Schwierigkeitsstufen ab.“ (Quelle)
Es geht also nicht nur darum einen Text zu lesen, sondern weit darüber hinaus. Der Text muss auch verstanden, genutzt und reflektiert werden, ja sogar um die Fähigkeit zur Partizipation mit eigenem Wissen und Potenzial. Aber die Literacy-Fähigkeit ist an den Text gebunden, wenn auch verschiedene Arten von Texten. Dazu zählen auch so genannte nicht kontinuierliche Texte, wie Grafiken oder Tabellen.
In den letzten Jahren wurde dieses Verständnis noch weiter erweitert:
„Seit 2018 gibt es bei PISA zudem Leseaufgaben, die das Einschätzen der Qualität und Glaubwürdigkeit von Textaussagen erfordern. Zusätzlich wird bei PISA die Fähigkeit erfasst, Informationen durch das Navigieren auf Webseiten zu finden – eine wichtige Komponente des digitalen Lesens.“ (Quelle)

Es fand also eine Erweiterung in Richtung einer Digital-Literacy statt, damit ist das Erfassen von linear und nicht-linear gemischten Texten gemeint, zum Beispiel Webseiten mit Bildern und Grafiken.

In der letzten Zeit ist zusätzlich zu dieser Begriffserweiterung immer wieder einmal die Rede von Data-Literacy oder AI-Literacy. Damit kommt, neben der bis dato stattgefundenen Erweiterung des Begriffs auf der sichtbaren Ebene, noch eine weitere Dimension zum Literacy-Begriff hinzu. Es geht dabei um ein Verständnis von Prozessen, die zu variablen Ergebnissen auf der sichtbaren Ebene führen. Ich muss ein Verständnis für die Verknüpfung, Sammlung und Verarbeitung von Daten haben, die dann durch algorithmengesteuerte Sprachmodelle einer KI in einem von mir initiierten interaktiven Prozess mit dem Sprachmodell ein „personalisiertes“ Ergebnis anzeigen. Chat-GPT und Co liefern keine reproduzierbaren Ergebnisse mehr.
Dies erfordert ein wiederum erweitertes Verständnis von Literacy, eben eines das nicht nur ein für alle gleich visualisiertes Ergebnis betrachtet, sondern eines, das mit dynamischen Ergebnissen umgehen kann. Das deutet sich schon in dem oben zitierten Einschätzen der Qualität und Glaubwürdigkeit von Textaussagen an, geht aber noch weiter. Es beinhaltet Elemente von Quellenkritik aus der Geschichtsforschung und von Ideologiekritik aus der Theorie der politischen Urteilsbildung und bezieht sich auf Texte, Audios, Videos, Bildern und Grafiken aller Art, die im Zeitalter der KI (ja, ich weiß, dass der Begriff „KI“ im Kontext nicht ganz korrekt, aber gebräuchlich ist) massenhaft reproduzierbar und generierbar sind. Die Grenzen zwischen wahr und falsch, künstlich und natürlich, guter und böser Intention, Manipulation und Aufklärung beginnen zu verschwimmen und auf dieser Ebene muss sich eine neue Form von Literacy entwickeln, die neben der Dimension des Sichtbaren und Offensichtlichen auch das Unsichtbare und Verdeckte in den Blick nimmt, also einen noch stärkeren Fokus auf die Intention richtet und gleichzeitig die technische Dimension der Algorithmizität und deren Grenzen und Möglichkeiten betrachtet.
Wenn man diesen Gedanken weiterspinnt, ergeben sich für mich zwei wesentliche Erkenntnisse:

  1. Das Verständnis von linearen und nichtlinearen Texten wird um eine Ebene ergänzt, nennen wir sie post-lineare Texte, deren sichtbare Ebene nicht mehr statisch ist, sondern variabel, weil mit Big-Data KI-generiert. Das macht das Lesen von Informationen noch schwieriger und ist Teil der wachsenden Herausforderungen, mit denen wir in unserer Welt lernen müssen umzugehen.
    Historisch gesehen wird unser Leben körperlich immer weniger anstrengen, geistig aber dafür umso mehr, weil der Komplexitätsgrad unseres Weltverständnisses immer größer wird.
  2. Das hat unmittelbaren Einfluss auf unseren Bildungsbegriff und damit auf die Art und Weise, wie wir Schule machen. Der Umgang mit Daten und Informationen lässt sich immer schlechter in Fächern kategorisieren und kanonisieren. Reines Wissen steht in riesigen Mengen zur Verfügung, man geht davon aus, dass sich die Menge der wissenschaftlichen Erkenntnis alle fünf bis zwölf Jahre verdoppelt. Das ist für einen einzelnen Menschen schier unfassbar. Dieses Wissen steht aber in großen Teilen digital zur Verfügung und lässt sich mit und ohne Hilfe von KI recherchieren. Problematisch ist hierbei allerdings, dass, wie oben beschrieben, die Qualität der Informationen mit fächerübergreifenden Kompetenzen kritisch hinterfragt werden muss. Das ist es, was wir in Schulen lernen und lehren müssen. Wie lese ich die Flut von Wissen und Informationen richtig? Wie kann ich diese finden, bewerten, sortieren, kategorisieren, hierarchisieren, verifizieren, kommunizieren, teilen, ablegen usw. Dafür werden Kompetenzen aus allen „klassischen“ Schulfächern gleichzeitig gebraucht.
    Dann macht aber das Lernen in Fächern und Stunden im Gleichtakt, mit Klassenarbeiten und Hausarbeiten keinen Sinn mehr. Dann müssen wir Umgang mit und Gestaltung von Wissen vermitteln. Wir müssen Lernen zu kollaborieren und zu hinterfragen, wir müssen Lernprozesse individualisieren und begleiten, um Potenziale zu entfalten. Wenn sich die Welt so rasant verändert, müssen wir in der Schule nicht nur die Vermittlung von Kompetenzen, und ja natürlich auch noch Wissen, in den Blick nehmen, sondern auch Resilienz und Salutogenese. Wir müssen lernen in einer VUCA- und BANI-Welt zu leben und zu lernen und uns auf eine Zukunft vorzubereiten, die noch nie so unvorhersagbar war, in der Unsicherheit als Lernchance begriffen wird und Ambiguitätstoleranz eine zentrale Kompetenz im Bereich der Literacy ist (vgl. dazu Isabella Buck, vor allem den Schluss).

Schlussbemerkung
Dieser Text ist sperrig, das ist mir klar. Er ist auch etwas wirr und vielleicht nicht immer ganz nachvollziehbar. Er scheint mir auch noch nicht fertig, wahrscheinlich arbeite ich noch weiter daran. Daher ist Feedback natürlich sehr willkommen.
Der Text ist mir aber, und das gilt für einige meiner Blogbeiträge, persönlich wichtig, weil er mir hilft Gedanken zu strukturieren und auszuformulieren. Er hilft mein persönliches Weltbild zu modellieren und zu strukturieren und ist damit ein Mosaikstein meines Blogs, in dem ich nach und nach ein hoffentlich im konsistenteres Gesamtbild eines Gesellschafts- und Bildungsbegriffs entwickle, der mich meinem Ziel, der Entwicklung eines Bildungsmodells für das 21. Jahrhundert, näher bringt.

2025-01: Mein persönlicher Jahresrückblick = Beitrag zur Blogparade (Rück-)Besinnung

Bild: DALL_E

Tempus fugit. Wieder ist ein Jahr vergangen und es ist Zeit für eine (Rück-)Besinnung. Ich verbinde hier meinen persönlichen Jahresrückblick und den Aufruf zur Blogparade zum Thema „(Rück-)Besinnung“ von Susanne Posselt.
2023 hatte ich für mich als Jahr der Künstlichen Intelligenz bezeichnet. Dieses Thema hat sich auch in diesem Jahr fortgesetzt, ist aber immer noch nicht so recht in den Schulen angekommen. Das Jahr 2024 war für mich das Jahr, in dem ich in meinem (neuen) Job als Schulleiter so richtig angekommen bin.
Natürlich hatte ich eine vage Vorstellung, was es bedeutet als Schulleiter zu arbeiten, aber natürlich noch keine echte Erfahrung. Nach 1,5 Jahren bin ich aber immer noch davon überzeugt, dass es eine gute Entscheidung war, diese Verantwortung zu übernehmen und ich liebe immer noch was ich tue. Ich kann tatsächlich Schule verändern, beziehungsweise Menschen in meiner Schulgemeinschaft empowern, Schule zu verändern. Dabei entstehen ganz tolle Projekte und Arbeitsgruppen mit vielen tollen Ideen und Umsetzungen (mehr dazu im WfS Blog). Natürlich ist nicht alles toll, aber in der Summe überwiegt doch das Positive, ich spüre eine Selbstwirksamkeit und bekomme oft positives Feedback. Das gibt die Kraft die hohe Arbeitsbelastung zu bewältigen.
Wenn ich das Jahr Revue passieren lasse, mich also zurück besinne indem ich meinen Kalender durchblättere und in mich gehe, fällt mir erst so richtig auf was so alles in ein Jahr passt.
Ich werde immer wieder gefragt, wie ich das alles mache was ich so mache und ich antworte dann immer, dass mein Beruf auch mein Hobby ist. Meine großen Themen sind Schulentwicklung, Vernetzung und Demokratie- und Medienbildung. So langsam bin ich der Überzeugung, dass ich das was ich tue auch ganz gut mache. Ich gehöre zu den Menschen, die immer wieder zweifeln und reflektieren, ob sie Dinge gut genug machen oder überhaupt befähigt sind einen Vortrag zu halten oder einen Blogbeitrag wie diesen zu schreiben. Interessiert das überhaupt jemanden, hat es einen Mehrwert? Vermutlich ist das ein leichtes Impostor-Syndrom. Dazu gehören vermutlich auch die Selbstzweifel an meinem „Führungsstil“. Ich bin nicht der Typ, der Entscheidungen schnell trifft und diese dann rücksichtslos durchboxt, ich wäge lange ab und Versuche möglichst viele Betroffene zu hören und zu vermitteln und nach Möglichkeit Lösungen zu finden, die für möglichst viele Beteiligte tragfähig sind. Das kann man mir (und tut man auch) als Führungsschwäche auslegen, aber ich werde diesem Vorgehen treu bleiben, weil mir Authentizität wichtig ist und weil es mir wichtig ist, diese dann auch vorzuleben.

Ich werde in diesem Beitrag keine Auflistung der Erfolge des vergangenen Jahres machen, das habe ich zum Beispiel hier oder im oben verlinkten Blog WfS 2030 schon getan. Wichtig ist mir zusammenfassend zu erwähnen, dass wir in 2024 Strukturen geschaffen haben (Selbstständige Schule, DNA-Gruppe, Think- und Do-Tank, AG Handynutzung uvm.), die einen Boden bereiten für großartige Entwicklungen, die sich hoffentlich in diesem Jahr verstärkt zeigen. Es geht um mehr Schülerinnen- und Schülerbeteiligung, eine Demokratisierung des Schulalltages und den Beginn eines Prozesses zur Haltungsveränderung, um unser schulisches Zusammenleben und Wirken auf eine neue, eine modernere und tragfähigere, Basis zu stellen. Das ist es, wofür ich brenne, das ist es wobei ich Selbstwirksamkeit spüre, weil ich meine kleine Welt und damit einen Ausschnitt aus der großen Welt positiv verändern kann und damit zu einer enkelfähigen Zukunft und zu einer lebenswertere Welt beitrage, die wir in diesen unruhigen Zeiten alle gut gebrauchen können.
Deshalb werde ich unermüdlich weiter machen, werde weiter für Vernetzung sorgen und für ein zeitgemäßes Bildungssystem werben und versuchen positiven Einfluss zu nehmen, wo mir das möglich ist.

Weitere Beiträge zur Blogparade
Herr Mess: https://herrmess.de/2024/12/22/edublogparade-2024-folge-9-rueck-besinnung/.
Susanne Posselt: https://susanneposselt.de/rueckbesinnung/.
Jan-Martin Klinge: https://halbtagsblog.de/2024/12/20/schuljahresabschluss-rueckbesinnung-blogparade/.
Dr. Michael Drabe: https://schule-in-der-digitalen-welt.de/1-vernetzt-euch/.
Bildungssprit: https://bildungssprit.de/blog/rueck-besinnung-was-wirklich-zaehlt-in-der-bildung-edublogparade-nr-9.

2024-28: Open-Book-Klausur mit KI Nutzung, ein Erfahrungsbericht

Ich unterrichte auch Geschichte an einem Abendgymnasium, zurzeit eine E-Phase. Die Besonderheit dieser Lerngruppen ist die einerseits ausgesprochene Heterogenität der Lernenden, da diese aus den verschiedenen beruflichen Kontexten kommen und in der Regel noch im Berufsleben stehen, teils schon älter sind, andererseits aber eigenständig den Wunsch sich am Abitur zu versuchen entwickelt haben und daher entsprechend motiviert sind. Erfahrungsgemäß tun sich viele der Lernenden in Geschichte etwas schwer, weil sie hier durch intensive Textarbeit, Textverständnis und Schreibarbeit gefordert sind, was viele so nicht kennen. Deshalb habe ich hier schon häufiger, gerade bei der ersten Klausur mit Open-Book-Formaten gearbeitet, das heißt, die Schülerinnen und Schüler durften ihre Aufzeichnungen und das Schulbuch benutzen, was eigentlich immer als positiv empfunden wurde, da es die Lernenden mental entlastet hat. Dieses Mal bin ich einen Schritt weiter gegangen und habe in der Klausur vom 08.11.2024 die Nutzung von mobilen Endgeräten erlaubt (die Lernenden haben alle ein solches und auch Zugang zu einem W-LAN), was explizit die Nutzung von KI einschloss.

Wir haben im Vorfeld bereits darüber gesprochen, dass die Nutzung des Internets und der KI zwar eine Erleichterung sein kann, dass aber der Faktor Zeit dadurch entscheidender wird. Es war also allen klar, dass ohne rudimentäre Kenntnis der Inhalte nicht genug Zeit vorhanden sein würde, um die Inhalte nachzulesen. Außerdem lag der Klausurtext, Die Verfassungsdebatte aus Herodots „Bücher der Geschichte“ (3, 80-83), nicht elektronisch vorliegt und auch nicht bekannt war, sodass dieser dennoch erst sinnerfassend gelesen und verstanden werden musste. Der Text war bewusst gekürzt und knapp gehalten und durch wenige Annotationen und biografische Angaben zu Herodot entlastet.

Die Aufgabenstellung war typisch für eine Klausur in der E-Phase:
1. Fassen Sie die im Text genannten drei Positionen zu einer zukünftigen Staatsform in eigenen Worten knapp zusammen (Konjunktiv!). (25BE)
2. Analysieren Sie die Quelle anhand eines ihnen vorliegenden Analyseschemas. (50BE)
3. Nehmen Sie Stellung zu der Aussage: „Denn Besseres kann man nicht finden als den einen Mann, der der Beste ist. (…)“ (Z. 40f.) Argumentieren Sie mit historischen und aktuellen Argumenten. (25BE)

Zusätzlich habe ich folgende Arbeitsanweisung gegeben:
Die Klausur ist eine „Open-Book-Klausur“, das heißt, Sie dürfen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel (Aufzeichnungen, Bücher, Internet, KI usw.) benutzen. Allerdings müssen Sie am Ende angeben, welche Hilfsmittel sie für welche Teile benutzt haben (z.B. durch Quellenangaben mit Fußnoten).

Was waren die Learnings für mich (natürlich alle im Bereich der anekdotischen Evidenz)?

  • Wie schon bei den Open-Book-Klausuren ohne KI, werden die Leistungen mit KI auch nicht schlagartig deutlich besser. Auffällig war allerdings, dass es im Vergleich zu den Klausuren ohne Hilfsmittel und ohne KI, weniger Minderleistungen gab.
  • Schülerinnen und Schüler mit sprachlichen Schwierigkeiten konnten eher nicht von der KI-Nutzung profitieren. Die Auswertung und Bewertung dieser Klausuren, sowie die Beobachtung während der Klausur zeigt, dass diese Lernenden viel zu lange damit beschäftigt sind, den Quellentext zu verstehen und so kaum Zeit haben sich mit den anderen Aufgaben zu beschäftigen oder dazu, mangels inhaltlichem Verständnis, dazu nicht in der Lage sind. Das ist übrigens eine Beobachtung, die ich nicht nur im Abendgymnasium mache. Das heißt aber, dass das ein Bereich ist, in dem eine KI nicht hilfreich ist, bzw. sogar vorhandene Defizite noch verstärkt. Ich würde daraus zwei Schlüsse ziehen:
    1. Sinnerfassendes Lesen und der Umgang mit (auch schwierigeren) Texten, müssen, auch in der Oberstufe, stärker gefördert werden. Im Grunde benötigt es dazu zusätzliche Stunden und Übungen. Dass die Vermittlung von Literacy ein großes Problem im deutschen Schulsystem ist, wissen wir ja seit dem ersten großen Pisa-Schock zu Beginn des Jahrtausends.
    2. Wenn leseschwache Lernende von der KI-Nutzung profitieren sollen, müssen die Quellentexte digital zur Verfügung stehen, damit sie von KI übersetzt, zusammengefasst und erklärt werden können. Das löst aber nicht das Problem aus 1., könnte aber das Problem einer sprachlichen Barriere mindern.
  • Die Lernenden sollten ja angeben, wo und wie sie Hilfsmittel genutzt haben, das hat eher mäßig funktioniert und muss noch geübt werden. Das Problem kenn ich allerdings schon aus dem Umgang mit klassischer Zitation, das bedarf Übung. Außerdem ist aufgefallen, dass gar nicht alle Schülerinnen und Schüler mit KI gearbeitet haben, manche sogar nicht einmal das Internet genutzt haben. Das ließ sich jetzt allerdings nicht mit bestimmten Leistungen verbinden.
  • Auffällig war außerdem, das war eigentlich zu erwarten, dass innerhalb der Klausuren einzelne Textabschnitte große stilistische und orthografische Unterschiede aufwiesen. Es war also gut zu erkennen, wo KI genutzt wurde und wo nicht. Und da wird es noch einmal interessant: Bei der Analyse der KI-generierten Textstellen hatte ich das Gefühl, dass die Schülerinnen und Schüler KI eher als Suchmaschine nutzen und dann einfach Ergebnisse übertragen. Hier bietet sich ein Ansatz zur Weiterarbeit, weil wir hier gut an konkreten Beispielen an Promptingkompetenzen arbeiten und über Chancen und Grenzen von LLM diskutieren können, was ich dann nach den Ferien aufgreifen will. Natürlich habe ich mit den Schülerinnen und Schülern schon darüber gesprochen und ich habe auch einschlägige Tipps dazu in unserer den Unterricht begleitenden Taskcard, aber das scheint mir noch nicht ganz angekommen, bzw. wurde von mir unzulänglich unterrichtet.

Wie haben die Lernenden die Klausur empfunden?

Ich habe die Schülerinnen und Schüler um ein Feedback in einer Zielscheibe über oncoo gebeten (leider hat sich nur knapp die Hälfte beteiligt).

  • Es zeigt sich, dass die Lernenden das Open-Book-Format eher gut fanden, es gibt einen „Ausreißer“ und es vor allem Sicherheit gegeben hat, was den grundsätzlichen Erfahrungen mit diesem Format entspricht.
  • Zwar fanden fünf bis sechs Lernende die Nutzung von KI bei der Bearbeitung der Teilaufgaben eher hilfreich, es gab aber doch auch einige, die das nicht ganz so empfanden. Hier zeigen sich vermutlich die oben beschriebenen Phänomene der sprachlich/zeitlichen Einschränkung und der fehlenden Prompingtkompetenz. Das muss noch weiter ergründet werden.
  • Unabhängig vom Open-Book-Format zeigt sich, dass die Herausforderung im Umgang mit Quellentexten, sehr unterschiedlich wahrgenommen wird, womit wir wieder bei Literacy-Kompetenzen sind.

Fazit

Es zeigt sich, dass der Umgang mit KI in Klassenarbeiten und Klausuren weitgehend Neuland ist und zwar für die Lernenden UND die Lehrenden. Wir alle müssen in diesem Bereich noch Erfahrungen sammeln und diese reflektieren. Wir müssen Mut haben auszuprobieren und Fehler zu machen. Ich werde jedenfalls weiter an diesem Format arbeiten, aber sicher nicht in jeder Klausur, dafür ist das Format noch zu experimentell.
Für mich hat sich gezeigt, dass eine große Gefahr darin besteht, dass die unterschiedlichen Fähigkeiten der Lernenden im Umgang mit KI die Gefahr einer Vergrößerung der Heterogenität beinhalten. Das darf uns aber nicht dazu verleiten KI zu verdammen und zu verbannen, das wäre sträflich fahrlässig, weil KI unsere Lebenswelt durchdringt und Schule sich dem nicht entziehen kann. Vielmehr muss es unser Ziel als Lehrende sein, den Umgang mit KI zu Lehren und der Heterogenität entgegen zu wirken.
Und damit hängt eine zweite Gefahr eng zusammen. Der Umgang mit KI hebt die Bedeutung von Literacy-Kompetenzen weiter hervor und da liegt ja bereits eine große Schwachstelle unseres Schulsystems, die wir nun noch stärker in den Fokus rücken müssen. Wer kompetent mit einem LLM arbeiten will, muss exzellent mit Sprache umgehen können.

Es wird für uns alle also nicht einfacher, sondern schwieriger. Packen wir es an.

Wie schwierig der Umgang mit Sprache ist zeigt hier auch wieder einmal die KI in Form von DALL-E 😉

Bob Blume hat auch bei einer Klassenarbeit die Nutzung von KI zugelassen und schildert hier seine Erfahrungen: https://deutsches-schulportal.de/kolumnen/bob-blume-kuenstliche-intelligenz-in-klassenarbeiten-ein-schritt-in-die-zukunft/.

Newsletter 24/25-08, 13.12.2024

Liebe Schulgemeinschaft,

manchmal sind Dinge für einen selbst so selbstverständlich, dass man davon ausgeht, dass alle wüssten, wovon man redet. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen meiner ersten Unterrichtsbesuche in Geschichte, in dem mein Ausbilder mir erklärte, dass ich nicht davon ausgehen kann, dass alle Achtklässler wüssten, was ein Kompass sei. Neulich hatte ich wieder so einen Moment, als es um die SDG und BNE ging.
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist seit 2017 besonderer Bildungs- und Erziehungsauftrag laut Hessischem Schulgesetz (§2 Abs (2)8.) und in zahlreichen Resolutionen und einem Orientierungsrahmen der KMK verankert (https://www.kmk.org/themen/allgemeinbildende-schulen/weitere-unterrichtsinhalte-und-themen/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung.html). Zurück geht BNE auf die Agenda 21, die auf der UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 beschlossen wurde. Das war die Zeit, in der durch die zunehmenden Erkenntnisse zur Klimakrise und der Zerstörung der Umwelt der, eigentlich aus der mittelalterlichen Forstwirtschaft stammende, Begriff der Nachhaltigkeit (englisch: sutainability) in den öffentlichen Fokus rückte. Von 2005 bis 2014 fand die Weltdekade BNE statt und im Anschluss startete das UNESCO-Weltaktionsprogramm BNE. 2015 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen dann auch die 17 Sustainable Development Goals (SDG, dt: Nachhaltige Entwicklungsziele) beschlossen, die bis 2030 erfüllt werden sollen (vgl.: https://unric.org/de/17ziele/).

Quelle: Von UNDP (United Nations Development Programme) – https://unric.org/https://unric.org/de/17ziele/gdrive: SDG Icons German. Eigenes Werk mittels: gdrive: SDG Material_DE_Ohne UN-Emblem.zip -> SDG_Poster_DE_No UN Emblem.pdf, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=125994232

2017 verabschiedete die „Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung“ einen Aktionsplan für Deutschland, der zahlreiche Ziele und konkrete Handlungsfelder umfasst. BNE wird dabei nicht als ein weiteres Themenfeld in einzelnen Fächern verstanden, sondern braucht einen fächerübergreifenden Ansatz, der auch die Didaktik und Methodik betrifft.
Natürlich machen wir als Umweltschule oder mit der Umwelt-Themenklasse schon sehr viel gut und richtig in dieser Richtung, aber BNE und die SDG beziehen sich nicht nur auf Umwelt, sondern erkennen an, dass die 17 Ziele alle miteinander zusammenhängen. Staaten müssen sich Klimaschutz leisten können und dafür bedarf es frieden und guter Bildung usw.
Angesichts der aktuellen ökologischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen rücken diese Ziele leider wieder in den Hintergrund. Genau deshalb ist es aber so wichtig, dass wir als Schule umso mehr Wert auf die SDG legen. Viele Kinder und Jugendliche spüren instinktiv, dass wir mehr für die Umwelt tun müssten und es ist unsere Aufgabe als Schulgemeinschaft sie dabei zu unterstützen. Wir müssen ihnen das theoretische Rüstzeug und das agile Mindset mitgeben, Dinge zum Guten zu verändern, was uns aktuell scheinbar schwer gelingt.
Wir gehen im kommenden Jahr auf jeden Fall einen wichtigen Schritt in diese Richtung. Mit dem Reallabor Weibelfeldschule, Zukunftsschmiede „TrendHub“ (Think-/Do-Tank) schaffen wir Möglichkeiten für die ganze Schulgemeinschaft lernendenzentriert und BNE-orientiert selbstwirksame und nachhaltige Lernerfahrungen zu sammeln (und ja, die ganzen Buzzwords müssen sein). Nähere Erläuterungen dazu finden Sie im Schulentwicklungsblog.
Nach diesem kurzen Input möchte ich nun aber auch noch ein paar persönliche Worte loswerden.

Wieder neigt sich ein langes und anstrengendes Jahr dem Ende zu, mein erstes vollständiges Kalenderjahr als Schulleiter der Weibelfeldschule. Ich wurde in diesem Jahr bewährt und bin jetzt fest ernannt. Es war nicht immer leicht, aber das ist auch nicht zu erwarten, es gab sehr anstrengende Phasen, Meinungsverschiedenheiten und kontroverse Idee, aber auch das ist normal. Es kommt auch immer wieder zu Konflikten zwischen einzelnen Menschen oder Gremien der Schulgemeinschaft, aber auch das ist normal. All das ist normal. Ich würde sogar behaupten das ist gut, denn es zeigt: das System lebt, es ist in Bewegung und das ist gut so, Stillstand ist Rückschritt und mittlerweile ist, glaube ich, fast allen klar geworden, dass ich Veränderung will. Veränderung von Haltung, von Unterricht, von Schulentwicklung. Wir können es uns nicht leisten nichts zu ändern, die Welt verändert sich rasant und wir müssen eine Balance finden aus notwendiger, womöglich bisweilen disruptiver, Veränderung und notwendiger Bewahrung von Bewährtem und Gutem, das wird nicht leicht, aber ich glaube wir sind auf dem richtigen Weg, wir stellen die richtigen Fragen, wir haben die richtigen Arbeitsgruppen und wir entwickeln die richtigen Strukturen. Und vor allem haben wir die richtigen Menschen in allen Teilen der Schulgemeinschaft, deren zunehmendes Engagement in diesen ohnehin anstrengenden Zeiten mein Antrieb ist.
Ich bin dankbar und glücklich, Schulleiter dieser Weibelfeldschule mit Ihnen und Euch allen zu sein und wünsche Ihnen und Euch allen eine schöne Ferien- und/oder Weihnachtszeit, einen friedlichen und glücklichen Start in das neue Jahr und freue mich auf ein weiteres im positiven Sinne anstrengendes Jahr mit Ihnen und Euch an der Weibelfeldschule!

Ihr

Erik Grundmann

Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:

TikTok-Challenge Warnung!

Als Erstes muss ich einmal wieder vor einer neuen TikTok-Challenge warnen, die schon zu ersten schweren Verletzungen geführt hat. Bei der s.g. „Supermann-Challenge“ springen Kinder in die Arme zweier Freunde und werden von diesen zurückgeworfen; klingt harmlos, ist es aber nicht. Reden Sie darüber mit den Schülerinnen und Schülern, bzw. Ihren Kindern. Weitere Infos gibt es hier: https://www.mimikama.org/superman-challenge-auf-tiktok-2-kinder-verletzt/.

Warnen muss man auch vor character.ai. Mit diesem LLM kann man sich, nach kostenloser Registrierung üb er eine Mailadresse, einen persönlichen Chatpartner erstellen. Dieser wird u.a. beschuldigt im Oktober einen Teenager in Kanada bei einem Suizid bestärkt zu haben und einen 17-jährigen in Texas ermutigt haben, sich selbst zu verletzen oder seine Eltern umzubringen, weil diese seine Bildschirmzeit begrenzten. https://www.spiegel.de/netzwelt/character-ai-chatbot-soll-teenager-ermutigt-haben-seine-eltern-umzubringen-a-c0ffbb6f-95f4-4c62-830a-cd95dbfb7f3c?sara_ref=re-so-app-sh. Es ist natürlich grundsätzlich eine schwierige Frage ob und für was wir KI Chatbots nutzen. Viele Jugendliche nutzen diese bereits, u.a. für psychologische Beratung, sehr beliebt ist dafür zum Beispiel „My AI“ von Snapchat (https://www.klicksafe.de/news/was-muessen-eltern-zum-neuen-chatbot-my-ai-bei-snapchat-wissen).

Interessantes
Mir ist, Dank an Georg Schlamp, ein sehr interessanter Artikel aus der „Welt“ aus 2012 untergekommen, der die Vorbehalte gegenüber neuen Medien humorvoll relativiert. Wirklich eines meiner besten Leseerlebnisse der letzten Monate: https://www.welt.de/kultur/history/article110549077/Als-die-Lesesucht-die-Menschen-krank-machte.html.
Bei LehrerNews wird eine Liste von sieben Büchern, die 2024 die Bildungswelt bewegt haben vorgestellt: https://www.lehrer-news.de/blog-posts/buecher-die-2024-die-bildungswelt-bewegt-haben. Ich finde die Liste recht sinnvoll, aber viel zu kurz.
Edutopia hat eine Liste der 10 wichtigsten Studien zu Bildung 2024 zusammengestellt: https://www.edutopia.org/article/the-10-most-significant-education-studies-of-2024/.
Jan Martin Wiarda zum aktuellen Stand des Digitalpakt 2.0: https://www.jmwiarda.de/2024/12/06/so-soll-der-digitalpakt-2-0-aussehen/.
Niedersachsen reformiert das Abitur in zukunftsweisenden Ansätzen (und veröffentlicht die PM unter der wahrscheinlich längsten URL der Welt): https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/niedersachsens-abitur-soll-zeitgemass-und-zukunftsfest-aufgestellt-werden-kultusministerium-stellt-eckpunkte-fur-die-qualifizierungsphase-der-oberstufe-vor-und-gibt-damit-schulerinnen-und-schulern-mehr-wahlfreiheit-schulen-mehr-freiraume-und-entla-237807.html.
Aktuell kam ja kurz mal wieder eine Diskussion auf, on in Deutschland Energy Drinks für Jugendliche, wie in vielen Ländern, verboten werden sollten. Hier warnt das BfR schon 2019 vor dem Konsum von Energy Drinks durch Kinder und Jugendliche: https://www.bfr.bund.de/cm/343/kinder-und-jugendliche-uebermaessiger-konsum-von-energy-drinks-erhoeht-gesundheitsrisiko-fuer-herz-und-kreislauf.pdf.

Smartphone und Social Media
Wer sich mal etwas genauer mit einem der perfiden Mechanismen zur „Kundenbindung“ bei Handygames auseinandersetzen will, dem sei dieser Artikel zu „Tapping“ aus Cyberia empfohlen: https://www.cyberia.media/p/tapping-altbekanntes-aus-der-dark.
Interview mit Prof. Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger u.a. zu den Auswirkungen von KI auf Cybermobbing bei der GdP: https://www.gdp.de/sachsen/de/stories/2024/11/241128-dp-gespraech-mit-prof.-dr.-thomas-gabriel-ruediger.
„Die Tagespresse“ aus Österreich hat einen, sicher nicht repräsentativen, aber doch aufschlussreichen, Selbstversuch zur Radikalisierung von Teenagern durch TikTok durchgeführt: https://dietagespresse.com/selbstversuch-so-radikalisiert-tiktok-oesterreichische-teenager/.
Netzpolitik.org setzt sich kritisch mit den Social Media-Verbot für Jugendliche in Australien auseinander: https://netzpolitik.org/2024/social-media-verbot-in-australien-jugendschutz-nach-dem-prinzip-ohrfeige/.
Und Philippe Wampfler setzt sich kritisch mit Jonathan Haidt auseinander: https://schulesocialmedia.com/2024/09/19/das-problem-mit-generation-von-angst-von-jonathan-haidt/.
„Wired“ fordert das Internet sicherer für Kinder zu machen: https://www.wired.com/story/digital-social-media-safeguards-children-policy/.
Die TUM hat in einer Studie herausgefunden, dass russische SoMe-Kampagnen weniger wirksam sind als gedacht: https://www.tum.de/aktuelles/alle-meldungen/pressemitteilungen/details/wirkung-russischer-social-media-kampagne-geringer-als-oft-angenommen.

KI
Der Kollege Jan Hartwig hat eine wunderbare und knappe Einführung in Sprachmodelle erstellt: https://hartificial.de/wp-content/uploads/2024/12/LLM-Basics.html.
Leonie Meyer stellt sich bei der bpb die spannende Frage „Was wäre, wenn mit KI auf TikTok Geschichte umgeschrieben würde?“ https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/552550/was-waere-wenn-mit-ki-auf-tiktok-geschichte-umgeschrieben-wuerde/. Spoiler: Das passiert bereits.
Mit dem KI-Kompass kann man über 100 verschiedene LLMs ohne Anmeldung testen und vergleichen https://www.buzzwoo.de/kuenstliche-intelligenz.
Der immer wieder gute Joscha Falck, zu KI-Bildern im Unterricht: https://joschafalck.de/ki-bilder/.
Nele Hirsch nennt fünf gute Gründe, warum man sich mit KI beschäftigen sollte: https://ebildungslabor.de/now/vortrags-vorbereitung-warum-sollte-ich-mich-mit-ki-beschaeftigen/.

Tipps für den Unterricht
Fällt dieses Mal etwas kürzer aus, es sind ja bald Ferien.
Eine Plattform für Augmented Reality (AR), Mixed Reality (MR) oder Virtual Reality (VR) im Unterricht bietet „schule mal digital“: https://www.schule-mal-digital.de/.

Leseempfehlung
Ich habe es zwar noch nicht selbst gelesen, das Buch wird aber von so vielen klugen Menschen empfohlen, dass ich es jetzt hier quasi mit „Vorschusslorbeeren“ empfehle: Yuval Noah Harar: Nexus. Eine kurze Geschichte der Informationsnetzwerke von der Steinzeit bis zur künstlichen Intelligenz, München 2024. Ist jedenfalls meine Ferienlektüre Nummer eins.

Hörempfehlung
Saskia Ebels und Andreas Hofmanns Bildungs-Podcastreihe „Am Tisch mit…“ besteht aus vielen hörenswerten Folgen, besonders empfehlen möchte ich die aktuelle Folge mit Jan Vedder: https://open.spotify.com/episode/00hVy78wvIvvYffcPGTBgJ.
Florian Emrich hat mit KI einen wunderbaren Song zum Thema Schulleitung „komponiert“: https://www.youtube.com/watch?v=2FPq7ElCqOs.

Sehempfehlung
Deepfake-Pornografie ist auch das Thema einer ZDF-Dokumentation, erschreckend anzusehen, unterstreicht aber noch einmal, auch wenn der Schwerpunkt hier ein anderer ist, warum Bilder von Kindern nichts im Netz zu suchen haben, da mittlerweile ein halbwegs vernünftiges Profilbild in WhatsApp ausreicht, um solche Filme herzustellen: https://www.zdf.de/dokumentation/die-spur/deepfake-pornos-jagd-nach-taetern-collien-ulmen-fernandes-100.html. Im Netz scheint gerade eine ganze Industrie zu entstehen, die für relativ wenig Geld und anonym hochwertige Deepfakes herstellt.
Hatte ich schon einmal in einem der ersten Newsletter empfohlen, ist aber einfach sehr gut und auch mit deutschen Untertiteln bei der BpB erschienen. Gemeint ist der großartige TED-Talk über die Veränderung von Bildungsparadigmen des leider zu früh verstorbenen Ken Robinson. Vielleicht bietet sich ja in der besinnlichen Zeit die Gelegenheit mal reinzuschauen: https://www.bpb.de/mediathek/video/158066/ken-robinson-bildung-voellig-neu-denken/. Auf YouTube gibt es noch mehr großartige Talks von ihm.

Veranstaltungsempfehlung
Die didacta findet vom 11. bis 15. Februar 2025 auf dem Messegelände Stuttgart statt. Die Weibelfeldschule wir dort auch wieder präsent sein. Der Ticketverkauf läuft.

Spaß im Netz
https://www.koalastothemax.com/. Zu Ende spielen lohnt sich.

Newsletter 24/25-07, 29.11.2024

Liebe Schulgemeinschaft,

wir hatten neulich einen Pädagogischen Tag unter dem Motto „einfach bewegen(d)“, den ich in mindestens zweierlei Hinsicht bemerkenswert fand. Leider konnte ich wegen einer Schulleiter-Dienstversammlung am Nachmittag nicht mehr teilnehmen, mir wurde aber berichtet, dass in den Arbeitsgruppen gute Ideen zur Weiterarbeit entwickelt wurden.
Bemerkenswert fand ich zum einen, das ist allerdings fast eine Binsenweisheit, dass noch einmal klar wurde, dass Bewegung Lernprozesse und Konzentration fördert. Gut war, dass das noch einmal mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen unterfüttert wurde. Das hat bei mir dazu geführt, dass ich bei meinen Kindern nun anders auf den Bewegungsdrang während der Hausaufgaben schaue, womit ich beim zweiten und bemerkenswerteren Punkt wäre.
Als professionelle Lehrkräfte und Pädagogen sind wir reflektierte Praktikerinnen und Praktiker, das heißt, wir müssen unsere professionellen Haltungen immer wieder in Frage stellen. Dies wurde besonders deutlich, als in der Keynote gezeigt wurde, welche Settings in Klassenräumen modern und bewegungsfördernd sind. Darin steckt natürlich auch die implizite Botschaft, dass permanenter instruierender Frontalunterricht mit Reihenbestuhlung nicht sonderlich sinnvoll ist. Wir brauchen stärker individualisierte Lernformen und müssen noch mehr Wert auf den Lernprozess, also auf Kompetenzentwicklung und Feedbackprozesse legen. Deutschland ist bei der Entwicklung einer modernen Lernkultur in den letzten Jahrzehnten und im Vergleich zu vielen anderen Ländern zunehmend ins Hintertreffen geraten und das können wir uns eigentlich nicht leisten, weil Bildung ja unsere wichtigste, vielleicht sogar einzige, zukunftsfähige Ressource ist.
Ich wünsche mir, dass wir an der Weibelfeldschule weiter entschlossen den Weg einer zukunftsfähigen professionellen pädagogischen Haltung gehen. Ich bin zwar erst knapp 1 1/2 Jahre an unserer Schule, mir ist aber schon positiv aufgefallen, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen professionelle pädagogische Praktiker sind, die bereit sind, sich weiterzuentwickeln und sich veränderten Bedingungen anpassen wollen und können. Das ist etwas, was viele Gesamtschulen auszeichnet, aber meiner Meinung nach bei uns besonders stark in unserer DNA verankert ist. Das ist eine Stärke, die es weiter zu stärken gilt.
Was wir dafür brauchen, ist ein analytischerer Blick auf die Prozesse und Ergebnisse unserer Arbeit. An verschiedenen Stellen wurde und wird immer wieder festgestellt, dass Deutschland im Bereich der evidenzbasierten Schul- und Unterrichtsentwicklung hochgradig defizitär ist. Wir pflegen schulisches und unterrichtliches Handeln aus Traditionsgründen und wider jegliche Evidenz (Sitzenbleiben, frühe Selektion, Hausaufgaben usw.); in all diesen Bereichen müssen wir beginnen unsere Haltung zu hinterfragen und Veränderungsprozesse einleiten.
John Hattie hat in einem Interview in der FAZ (https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/lehrer-muessen-den-schuelern-mehr-rueckmeldungen-geben-110123306.html, leider Bezahlschranke) neulich gesagt: „Das Lehrerkollegium habe die Lernentwicklung aller Schüler zu analysieren und die geeigneten Schritte zur Förderung zu bestimmen. Schulleiter sollten sich durch unangekündigte Unterrichtsrundgänge regelmäßig einen Eindruck über das Lernen und Lehren verschaffen“. Darin steckt genau das. Mit „analysieren“ meint er die Schaffung einer validen und evidenzbasierten Basis für die Entwicklung von Kompetenzen der Lernenden. Außerdem ist er der Überzeugung, dass es dafür eine Schulleitung braucht, die diese Prozesse professionell begleitet und auch wertschätzend überprüft. Mir ist klar, dass wir im Moment noch in einer Schulkultur leben (nicht nur bei uns, sondern landesweit), in der unangekündigte Unterrichtsbesuche des Schulleiters angstbesetzt sind und als Affront aufgefasst werden, ich würde mir aber wünschen, dass sich das ändert, dass Hospitationen, nicht nur durch den Schulleiter, sondern kollegial, zum Normalfall würden und als Lernchance durch professionellen Austausch gesehen werden. Auch ich sehe mich als professionellen evidenzorientierten Praktiker, der permanent an seinem Handeln und an seiner Haltung arbeitet, ich bin offen für Feedback und konstruktive Kritik. Im Buch „Der tanzende Direktor“ von Verena Friederike Hasel wird beschrieben, dass in Neuseeland die Klassenzimmer immer offen für Eltern und das Kollegium sind, dort wird die wiederkehrende Schulinspektion freudig empfangen, weil man sich so über Innovationen für den Unterricht austauschen kann und wertschätzendes Feedback zum eigenen unterrichtlichen Handeln erhält. Eine solche Schul- und Lernkultur würde ich mir auch für unser Land wünschen.
Wenn ich die aktuellen Studienergebnisse aus ICILS oder dem Schulbarometer (vgl. Links unten unter „Interessantes“) betrachte, in denen deutlich wird, dass unsere Schülerinnen und Schüler viel zu wenig Medienkompetenz besitzen und Schule und den damit verbundenen Druck als zunehmende Belastung empfinden, der sie krank macht, finde ich, dass wir das reflektieren und darauf reagieren müssen. Die Ergebnisse der Studien, und das gilt ja auch für PISA, IGLU, VERA, IQB und wie sie alle heißen, sind ja keine Momentaufnahmen, sondern zeigen einen Abwärtstrend bei den Leistungen, beim Wohlbefinden und beim Erwerb zukunftsrelevanter Kompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler. Ich finde, dass wir das nicht hinnehmen können und wir deshalb Schule und Unterricht verändern müssen, wir alle müssen Teile unserer Komfortzone verlassen, wenn wir, auch angesichts der globalen Entwicklungen (vgl. letzter Newsletter) unseren Kindern und Jugendlichen eine lebenswerte und enkelfähige Welt hinterlassen wollen. Packen wir es an! Machen ist wie wollen, nur krasser!

Um den Bogen zum Anfang des Newsletters zu schließen, verweise ich auf die Links zu „Unterricht“ weiter unten, in denen digitale Adventskalender mit 24 Bewegungstipps verlinkt sind.

Ihr

Erik Grundmann

Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:

Interessantes
Zwei Studien haben in den vergangenen Tagen die Bildungsrepublik beschäftigt. Zum Einen die ICILS 2023-Studie zu digitalen Kompetenzen im internationalen Vergleich und das aktuelle Schulbarometer der Robert Bosch-Stiftung.
Eine Zusammenfassung von ICILS (International Computer and Information Literacy Study) gibt es beim Deutschen Schulportal: https://deutsches-schulportal.de/bildungsforschung/icils-2023-eickelmann-digitale-kompetenzen-40-prozent-der-jugendlichen-sind-abgehaengt. Die Studie selbst gibt es hier: https://kw.uni-paderborn.de/institut-fuer-erziehungswissenschaft/arbeitsbereiche/schulpaedagogik/forschungsprojekte/icils-2023.
Das Schulbarometer hat erstmals auch Daten zum Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern erfasst, mit alarmierenden Ergebnisse, dazu eine Zusammenfassung: https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/deutsches-schulbarometer-schueler-2024-jeder-fuenfte-junge-mensch-berichtet-von-psychischen-problemen/. Die ganze Studie gibt es hier: https://www.bosch-stiftung.de/sites/default/files/publications/pdf/2024-11/241112_rbs_studie_schulbarometer_Q4-2024_V3_0.pdf.
Ähnliches berichtet auch eine Studie der WHO: https://www.who.int/europe/de/news/item/13-11-2024-rising-school-pressure-and-declining-family-support-especially-among-girls–finds-new-who-europe-report.
Eine weitere interessante Studie zur Digitalisierung im Schulleitungsalltag gibt es hier (nach Registrierung und Einverständnis zu Werbung!): https://www.wolterskluwer.com/de-de/know/zukunftsstudie-schulmanagement-2024#download.
Der „Forschungsmonitor Schule“ veröffentlicht Rezensionen zu bildungswissenschaftlichen Studien, um diese mit der Bildungspraxis zu verknüpfen: https://www.forschungsmonitor-schule.de/hintergrund.php. Ein tolles länderübergreifendes Projekt mehrerer Institute von Kultusministerien.
Finnland kann in vielen Bereichen ein Vorbild sein, sehr interessant ist, dass Finnland Fakenews erfolgreich den Kampf angesagt hat und, dass (natürlich) Schulen dabei eine zentrale Rolle spielen: https://edition.cnn.com/interactive/2019/05/europe/finland-fake-news-intl/.
Susanne Posselt hat auf ihrem lesenswerten Blog einen inspirierenden Beitrag zur Frage der letzten Blogparade der Lehrerbubble („Warum sollte man Lehrerin oder Lehrer werden?“) geschrieben, dessen Haltung ich uneingeschränkt unterstütze. Lehrkraftsein, schreibt sie, ist „eine Lebenseinstellung. Eine Haltung zu den großen Fragen der Welt.“ https://susanneposselt.de/vom-glueck-lehrerin-zu-sein/.

Smartphone und Social Media
Auf dem Deutschen Schulportal gibt es ein schönes Dossier zu Medienkompetenz: https://deutsches-schulportal.de/dossiers/dossier-medienkompetenz-wie-machen-wir-schueler-fit-fuer-die-digitale-welt/.
Die taz zum geplanten Social Media-Verbot unter 16 Jahren in Australien: https://taz.de/Social-Media-Verbot-fuer-Jugendliche/!6048934/.
Hier gibt es die Cyberlife-Studien zu Cybermobbing: https://buendnis-gegen-cybermobbing.de/aktivitaeten/studien.html.
Eine sehr gute und sehr umfangreiche Taskcard-Sammlung von Tools um Fake News, Verschwörungstheorien oder „Bullshit“ aufzudecken: https://www.taskcards.de/#/board/4e9fb693-e08b-43d5-99a8-69bc7554977e/view.
Netzpolitik.org zur zunehmenden Problematik von Deepfake-Nudes, die im Netz immer einfacher zu produzieren sind: https://netzpolitik.org/2024/ki-nacktbilder-wie-online-shops-mit-sexualisierten-deepfakes-abkassieren/.

KI
Jennifer Knellesen hat auf ihrer interessanten Seite „Vom Labor ins Klassenzimmer“, die sich auf die Fahnen geschrieben hat Theorie und Praxis zu verbinden, einen wichtigen Beitrag zur „GenAI-Revolution im Bildungsbereich“ geschrieben, in dem es um die Veränderung der Rolle der Lehrenden geht: https://vom-labor-ins-klassenzimmer.de/die-genai-revolution-im-bildungsbereich/.
Dr. Till Kreutzer von iRights.law erklärt in diesem Video wissenswertes zu OER, Urheberrecht und KI: https://www.youtube.com/watch?v=tBseRLl8268.
„Kompetenzen für den Unterricht mit und über Künstliche Intelligenz: Perspektiven, Orientierungshilfen und Praxisbeispiele für die Lehramtsausbildung in den Naturwissenschaften“ ist ein kostenloser Download von Waxmann, gefördert von der Telekom-Stiftung mit ganz vielen KI-Anwendungsmöglichkeiten speziell für NaWi: https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&buchnr=4931.
In diesem Artikel aus dem „Business Insider“ nehmen verschiedene Protagonisten der KI-Szene höchst unterschiedlich Stellung zum Thema AGI: https://www.businessinsider.com/agi-predictions-sam-altman-dario-amodei-geoffrey-hinton-demis-hassabis-2024-11. Wir werden sehen…
KI-resistente Aufgaben sind eine aktuell größer werdende Herausforderung, hier gibt es Tipps:: https://www.edu-ai-alliance.org/post/wie-man-ki-resistente-aufgaben-mit-einem-chatbot-erstellt.

Tipps für den Unterricht
Da der Advent bevorsteht, konzentriere ich mich schwerpunktmäßig in dieser Rubrik in dieser Ausgabe auf verschiedene digitale Adventskalender-Angebote:
Das ZSL BaWü bietet, passend zum Schwerpunktthema des Newsletters, einen bewegten Adventskalender differenziert für verschiedene Altersstufen: https://lis.kultus-bw.de/,Lde/Startseite/Schulsport/Bewegte++Adventskalender.
Einen weiteren bewegenden Adventskalender gibt es auf dem Schweizer Portal schulebewegt.ch: https://www.schulebewegt.ch/de/specials-sets/8a734f29-9fc5-4756-9023-470f0e8a5d43.
Der Bildungsserver Hessen bietet als „exklusives Angebot für Mitarbeitende des Landes Hessen“ täglich einen neuen Podcast mit „digitale(n) Lösungsideen rund um alltägliche Herausforderungen im Schulalltag“: https://schulportal.hessen.de/veranstaltungen/adventskalender-medienbildung-2024-der-podcast-fuer-ihren-schulalltag/.
Für Schülerinnen und Schüler (in Klassen oder einzeln mit Gewinnmöglichkeiten) mit Spaß an Mathematik gibt es: https://www.mathe-im-advent.de/de/.
Auch für Physik-Interessierte gibt es einen Adventskalender mit Gewinnmöglichkeiten: https://www.physik-im-advent.de/.
Unsere Fortbildungsplattform fobizz hat auch einen Adventskalender mit Inspirationen für den Unterricht im Angebot: https://plattform.fobizz.com/fortbildungen/1959-der-fobizz-adventskalender-2024-inspirationen-fuer-deinen-unterricht?search_id=9347614.
Viele Materialien für „Digitales im Unterricht“ gibt es bei: https://coding-for-tomorrow.de/materialsammlungen/.
Für Geschichte gibt es einen spielerischen Einstieg in Berufe einer mittelalterlichen Stadt bei https://www.planet-schule.de/mm/stadt-im-mittelalter/.
In unregelmäßigen Abständen muss immer mal wieder auf das ZUM-Portal hingewiesen werden, wo es (seit 1995!) Unterrichtsmaterialien, Apps, ein Etherpad und so vieles mehr gibt: https://www.zum.de/portal.
Tipps zum Einsatz von „Mentimeter“ im Unterricht: https://www.lehrer-news.de/blog-posts/vom-monolog-zur-mitmach-stunde-wie-mentimeter-deinen-unterricht-veraendert.

Leseempfehlung
Weil wir in Zeiten von KI verstärkt über eine neue Prüfungskultur nachdenken müssen, empfehle ich das neue Bändchen aus der „Upgrade-Reihe“: Sobel, Martina und Alpogus, Murat: Upgrade: Leistungsmessung und Beurteilung. Wege in eine veränderte Prüfungskultur, Hannover 2024.

Hörempfehlung
Dana Weber von der „Glückspraxis“ aus Dreieich hat einen Podcast für Eltern gestartet: https://open.spotify.com/show/34ouRDUOnwD8LMUoLA5JRM?si=NC82-YmTRd6Yz0t6sBSC3g&nd=1&dlsi=57709166790a4e6a.
Das MSB in NRW hostet den Podcast „Nachgefragt“, in Folge 5 geht es um „Der Mythos Demokratieneutralität – Was darf ich als Lehrkraft in der Schule?“ https://www.schulministerium.nrw/nachgefragt-der-msb-podcast-mythos-demokratieneutralitaet-was-darf-ich-als-lehrkraft-der-schule.  

Sehempfehlung
In der Mediathek von 3Sat gibt es noch bis zum 28.02.25 den wunderbaren Dokumentarfilm „Bratsch – Ein Dorf macht Schule“ über eine kleine besondere Dorfschule in der Schweiz. Sehenswert: https://www.3sat.de/film/dokumentarfilmzeit/bratsch—ein-dorf-macht-schule-100.html.
Schönes Video (nur 1 Min.) zum Thema Handynutzung: „Where did the day go?“ (und nebenbei noch eine schöne Demonstration für „Gaussian splatting“: https://www.youtube.com/watch?v=X4oh_6DjF1M. Wer sich für Hintergründe dazu interessiert: https://radiancefields.com/3dgs-short-film-where-did-the-day-go.

Veranstaltungsempfehlung
„Vision@Schule“ am 28. und 29. März an der Albert-Schweitzer-Schule in Wetzlar.
Es gibt jetzt (nicht ganz günstige) Tickets für „FUTUROMUNDO EDU. Das Internationale Zukunftsfestival des Lernens. 3.-4. Juli 2025, Stuttgart“ https://www.futuromundo.com/edu.

Spaß im Netz
https://www.mapcrunch.com/.