Liebe Schulgemeinschaft,
ich habe im letzten Newsletter ja schon angekündigt, dass es in diesem Newsletter um Zeugnisse und Noten gehen soll.
Noten haben eine Funktion in der Bildungs- und Arbeitswelt, sie sollen selektieren und kategorisieren, sie suggerieren Objektivität und Vergleichbarkeit und stellen Berechtigungshürden für bestimmte Abschlüsse oder (hoch-)schulische Zugänge dar.
Die Empirie zeugt allerdings, dass das in der Realität nicht ganz so einfach ist. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass Noten nicht objektiv und daher auch nicht vergleichbar sind. Ich verzichte jetzt darauf diese hier zu zitieren, wer mehr dazu wissen will, kann hier (https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/das-sagt-die-wissenschaft-ueber-noten/) oder hier (https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/213307/das-dilemma-mit-den-schulnoten/) anfangen zu recherchieren.
Noten und Zeugnisse sind vor allem Momentaufnahmen, sie sagen bestenfalls etwas über einen aktuellen Leistungsstand aus, aber nichts darüber, wie er zustande gekommen ist. Was ist eine bessere Leistung? Die 1 in Musik einer Tochter einer Konzertpianistin, die seit dem 3. Lebensjahr Geige spielt (jeden Respekt dafür!) oder die vier in Geschichte des vor einem halben Jahr in die Regelklasse in der Hauptschule integrierten Geflüchteten, der bis vor zwei Jahren noch kein Deutsch gesprochen hat und auch noch nie etwas von europäischer Geschichte im Mittelalter gehört hat?
Noten und Zeugnisse taugen auch nur sehr bedingt für eine berufliche oder soziale Zukunftsprognose. Die meisten Noten werden in Phasen des körperlichen, seelischen und kognitiven Reifungsprozesses vergeben und sagen daher eher weniger aus. Jeder kenn Beispiele von Menschen, die mit vermeintlich niederem oder gar keinem Abschluss fulminante Leistungen erbracht haben. Gerade neurodivergente Kinder kommen oft kaum mit dem Schulsystem zurecht, sind aber häufig die Kreativen, die wir im Leben brauchen.
Noten treffen aktuell auf eine Gesellschaft in einem enormen Transformationsprozess. Wissen, das früher noch mühsam memoriert werden musste, um es verfügbar zu halten, steht mittlerweile quasi in der Hosentasche zur Verfügung, selbst Prozesse für Reparaturen oder mathematische Operationen sind in Tutorials ubiquitär. Es kommt also zunehmend auf die Anwendung und den Prozess des Lernens an, darauf, wie ich in der Lage bin dieses Wissen zu verknüpfen, zu konstruieren und wieder zu dekonstruieren, ich muss in der Lage sein, dass Wissen kritisch zu hinterfragen und damit kreativ umzugehen.
Diese komplexe und kompetenzorientierte Dimension der Fähigkeiten lässt sich nicht mehr auf Ziffernnoten reduzieren, hier bedarf es in Schulen formativem Feedback und Prozessbegleitung durch Lehrkräfte.
Dazu kommt dann noch eine weitere Dimension: Dieses Wissen lässt sich nicht mehr in Fächern kategorisieren, sondern es muss über Fächer hinweg vernetzt gedacht und angewendet werden.
Ein weiteres Problemfeld bei Noten ist, dass sie nur einen (überkommenen?) Wissenskanon abdecken, der im 19. Jahrhundert entstanden ist. Noten sagen nichts über soziale Fähigkeiten oder nicht zu Kompetenzen im Bereich Modellbau oder zu kollaborativen und kommunikativen Fähigkeiten.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass wir ein Noten- und Selektionssystem in der Schule anwenden, das vielleicht in einer arbeitsteiligen Industriegesellschaft seine Berechtigung hatte, aber zunehmend nicht mehr kompatibel mit den globalen Veränderungen ist. Warum sonst legen große und renommierte Firmen, aber auch Handwerksbetriebe zunehmend weniger Wert auf Zeugnisse und veranstalten Assessment-Center oder lassen Probearbeiten? Vielleicht weil die Fähigkeit auswendig gelerntes Wissen in mehrstündigen Klausuren in Einzelarbeit wiederzugeben wenig mit der beruflichen Realität zu tun hat? Ich frage ja nur…
Ihr
Erik Grundmann
Warnung
Wir finden in letzter Zeit gelegentlich leere Dosen und Überreste von so genannten Nicopds auf dem Schulgelände, das sind kleine hochkonzentrierte Nikotin-Pads, die man sich hinter die Lippe in den Mund klemmt. Die Produkte sind teilweise verboten und ab 18. Mehr dazu gibt es zum Beispiel hier: https://www.deutschlandfunk.de/snus-pouches-nicopods-warum-gesundheitsexperten-vor-nikotinbeuteln-gerade-bei-jugendlichen-warnen-100.html oder hier https://www.dak.de/dak/gesundheit/psychische-gesundheit/sucht/nikotinbeutel_87164.
Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:
Spezialsammlung zur Bundestagswahl
Ich stelle hier einige interessante Seiten zur Bundestagswahl zusammen.
Der bekannte und beliebte Wal-O-Mat der BpB ist hier zu finden: https://www.wahl-o-mat.de/bundestagswahl2025/app/main_app.html. Wichtig zu wissen ist, dass hier nur Parteiprogramme, bzw. offizielle Positionen ausgewertet werden.
Am tatsächlichen Abstimmungsverhalten der Parteien im Bundestag orientiert sich der Real-O-Mat https://real-o-mat.de/ von „Frag den Staat“. Auch hier handelt es sich natürlich um eine Themenauswahl, die der Komplexität der Realität nicht gerecht werden kann.
Wahl.Chat ist ein KI-Chatbot, der es auf der Basis von Parteiprogrammen und anderen Informationen ermöglicht, „individuelle“ Fragen an die Parteien zu stellen: https://wahl.chat/. Auch hier ist natürlich Vorsicht geboten, KI neigt zum Halluzinieren.
Mit https://www.kandidierendencheck.de/bundestag von abgeordnetenwatch.de kann man die Kandidierenden aus dem eigenen Wahlkreis unter die Lupe nehmen.
All dies sind verkürzte Wege sich mit Politik auseinanderzusetzen, für eine wirklich seriöse Urteilsbildung müssen die Parteiprogramme studiert und die aktuellen Entwicklungen über seriöse Nachrichtenquellen dauerhaft verfolgt werden.
Ein interessantes Projekt ist auch https://bundestagswahl.ai/.
Interessantes
Am Montag kam der erste Teil der neuen SINUS-Studie 2024/2025 zum Thema „Zuversicht“ raus. Die Jugendlichen haben große Angst vor Krieg, Populismus und Extremismus, sehen die Zukunft Deutschlands und der Welt überwiegend pessimistisch, sind aber mit ihrem Leben zufrieden und optimistisch, was ihre persönliche Zukunft angeht: https://www.barmer.de/resource/blob/1295344/a7f57a64d056b7e6dd12b885eff681c6/sinus-studie-jugendbericht-2024-2025-kapitel-zuversicht-data.pdf.
Marlen Buri aus der Schweiz startet im Rahmen einer Weiterbilddung einen Blog zum Selbstregulierten Lernen: https://marlenburi.lilo.page/.
In seiner Kolumne bei t-online schreibt Bob Blume über das Fehlen der Interessen von Kindern und Jugendlichen im aktuellen Wahlkampf: https://www.t-online.de/leben/kolumne-bob-blume/id_100592168/bundestagswahl-die-zukunft-von-deutschland-wird-vergessen.html. Siehe dazu auch die Buchempfehlung im letzten Newsletter.
Dieter Dohmen sieht im ntv-Podcast den Kollaps des Schulsystems: https://www.n-tv.de/panorama/Der-Absturz-der-Friedrich-Bergius-Schule-Das-Schulsystem-befindet-sich-mitten-im-Kollaps-article25542935.html.
Am 11.02. war „Safer Internet Day“, Infos hierzu gibt es zum Beispiel bei der ohnehin sehr empfehlenswerten Seite „Klicksafe“: https://www.klicksafe.de/sid25.
Bei der Bundestagswahl mischen im Wahlkampf KI-generierte Fakeprofile, besonders von jungen Frauen, mit Fakenews mit: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/kontext/rechte-ki-influencer-100.html. (Eigentlich müsste dieser Link in die Kategorie Social Media und/oder KI, was zeigt, dass die Zusammenhänge immer deutlich werden, naja, interessant ist es allemal, denn es unterstreicht noch einmal, wie wichtig Demokratie- und Medienbildung sind!).
Die Zeitbild-Stiftung hat ein digitales Buch der Demokratie herausgegeben, in dem um das Aufdecken von Verschwörungstheorien geht: https://www.zeitbild-stiftung.de/projekte/buchderdemokratie/.
„Brand eins“ erzählt die wunderbare Geschichte von „Tumo“ einem innovativen Lernkonzept aus Armenien, das mittlerweile die Welt erobert: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2025/kommunikation-in-nervoesen-zeiten/armenien-ein-land-im-lernfieber. In Frankfurt am Main entsteht übrigens gerade auch ein Tumo-Zentrum: https://www.tumoffm.de/.
Smartphone und Social Media
Bei jüngeren und TikTok-affinen Kindern und Jugendlichen wird aktuell der Song „Sigma Boy“ gehyped. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat dazu einen Interessanten Artikel mit Hintergrundinformationen bereitgestellt (Spoiler: Es geht um Russland, toxische Männlichkeit und Hypemuster in sozialen Medien): https://www.rnd.de/wirtschaft/sigma-boy-auf-tiktok-warum-ein-russischer-popsong-die-sozialen-medien-erobert-6ZQTSWVB6ZCUJGIUMQJ5HPT4OI.html.
Viele Kinder und Jugendliche nutzen die Spieleplattform Roblox, doch auch diese Plattform wird u.a. für Cybergrooming missbraucht (siehe auch die Sehempfehlung): https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/roblox-cybergrooming-online-spiele-100.html.
Sehr gute Analyse der Hessenschau zu Desinformationskampagnen zur Wahlbeeinflussung auf Social Media: https://www.hessenschau.de/politik/bundestagswahl/bundestagswahl-wie-desinformation-auf-social-media-waehler-beeinflusst-v1,btw25-desinformation-100.html.
Neuneinhalb zeigt in der ARD-Mediathek einmal wie man TikTok zur Information nutzen kann: https://www.ardmediathek.de/video/neuneinhalb/informieren-auf-tiktok-so-geht-s/das-erste/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtNzk0MGQxNmUtZmI3MS00MWJmLWJhZWQtZTIxZWQ0NWE5Y2Q5?isChildContent.
Der Kompetenzverbund lernen:digital veranstaltet einen Community Call zum Thema „Smarter ohne Phone? Die Nutzung von Handy und Social Media in der Schule“ mit spannenden Speakern. Anmeldung über: https://lernen.digital/veranstaltungen/smarter-ohne-phone-die-nutzung-von-handy-und-social-media-in-der-schule/.
KI
Doris Weßels schreibt im Blog von FelloFish über KI-Agentensysteme, die weit autonomer agieren als Chatbots. Ich habe schon mehrfach gelesen und gehört, dass diese Agentensysteme das neue heiße Ding in 2025 werden sollen, also besser jetzt noch etwas schlau machen: https://www.fellofish.com/blog/agentic-learning-workflows-aufbruch-in-neue-bildungswelten.
Es gibt einen neuen KI-Detektor, speziell für deutsche Texte, ein Schnelltest war überraschend gut. 1000 Zeichen können kostenlos und ohne Anmeldung getestet werden. Sicher nicht gerichtsfest, aber vielleicht eine Hilfe: https://www.detectora.de/.
Im Blog „KI im Klassenzimmer“ von „Der Standard“ geht es dieses Mal um den Einfluss von KI auf Korrekturen: https://www.derstandard.at/story/3000000252004/ki-statt-rotstift.
KI erweckt nicht nur Tote zum Leben, sondern nimmt auch Einfluss auf unsere Erinnerungskultur, doch dabei ist Vorsicht geboten. Der NDR berichtet am Beispiel von Anne Frank: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/kulturjournal/Anne-Frank-als-KI-Version-Erinnerungskultur-im-Wandel,kulturjournal9992.html.
Tipps für den Unterricht
Heute gibt es mal eine tolle Seite für den Physikunterricht! Michael Freeman stellt auf seiner Seite anschauliches und vor allem interaktives Material zu verschiedenen Themenbereichen aus der Physik zur Verfügung. Ist zwar auf Englisch, aber gut: https://sites.google.com/view/afreeparticle/interactives.
Er arbeitet dabei häufig mit desmos, einem Tool zur interaktiven Visualisierung mathematischer Funktionen: https://www.desmos.com/?lang=de. Und wenn wir gerade dabei sind, könnte auch diese Seite für Mathematik interessant sein: https://de.mathigon.org/.
Stefan vom Podcast „Laberfach“ hat seine Materialen zu „Woyzeck“ geteilt: https://www.laberfach.de/2025/02/08/mat02/. Siehe auch Hörempfehlung.
Auch für Sportlehrkräfte ist heute etwas dabei. QUA-LIS NRW hat eine Taskcard zu Apps und digitalen Medien im Sportunterricht erstellt: https://www.taskcards.de/#/board/fd07b560-173e-4202-bd11-d256b3f7434b/view.
Elke Höfler von der Uni Graz hat eine wunderbare Übersicht über Mythen und unsichtbare Effekte beim Lernen erstellt: https://digitalanalog.at/lernen/von-matthaeus-bis-matilda-wie-unsichtbare-effekte-unser-lernen-beeinflussen/.
Das Deutsche Schulportal stellt eine Studie zum Üben vor, die für „verschachteltes Üben“ wirbt: https://deutsches-schulportal.de/bildungsforschung/warum-verschachteltes-ueben-so-nachhaltig-ist/.
Niels Winkelmann hat einen wunderbaren Blogbeitrag zur Arbeit mit Taskcards bei der Abiturvorbereitung in einer Kultur der Digitalität geschrieben: https://digilog.blog/2025/02/12/wiederholen-mit-taskcards/.
Leseempfehlung
Um den ganzen dystopischen Entwicklungen in der Realität etwas entgegenzusetzen, empfehle dieses Mal „Wir können auch anders. Aufbruch in die Welt von morgen“ der Ökonomin Maja Göpel (Berlin 2022), die uns zeigt, wie wir es in eine lebenswerte Zukunft schaffen können.
Hörempfehlung
Aladin El Mafaalani ist zu Gast bei Isabell Probsts Podcast und spricht über seine Vergangenheit als Lehrer und die Zukunft des Schulsystems: https://lifeafterlehramt.podigee.io/32-aladin-el-mafaalani.
Für alle Deutsch-Lehrkräfte, Deutsch-Schülerinnen und -Schüler oder zum Lernen fürs Abitur ist der Podcast „Laberfach“ eine unbedingte Empfehlung: https://www.laberfach.de/.
Sehempfehlung
ZDF-Doku zu den Gefahren auf Roblox: https://www.zdf.de/dokumentation/die-spur/roblox-kinderspiel-online-gefahr-100.html.
Veranstaltungsempfehlung
Safe the Date! Es ist mir gelungen am 30.09.2025 Silke Müller mit Ihrem Vortrag zu Gefahren im Netz ins Bürgerhaus Dreieich zu holen! Infos zu Silke Müller gibt es hier: https://silkemueller.com/. Nähere Infos zu Ticketing etc. folgen.
Spaß im Netz
Heute gibt es einen polyglotten Liebesliedgenerator von Bodo Wartke: https://www.bodowartke.de/liebesliedgenerator/de/. Vielen Dank an die Kollegin Reinelt für den tollen Tipp!