Newsletter 24/25-06, 15.11.2024

Liebe Schulgemeinschaft,

ich habe das Gefühl, dass ich mal wieder etwas weiter ausholen muss und knüpfe damit an den 2. Newsletter aus dem letzten Schuljahr an (https://www.schulmun.de/2023/10/24/newsletter-02-29-09-2023/).
In den letzten Wochen ist wieder einmal sehr deutlich geworden, dass wir uns global in einem rasanten und unvorhersehbaren Veränderungsprozess befinden (Stichwort: VUCA/BANI-Welt). Die Situation ist einerseits bedrohlich, unsere Demokratie und unser Wirtschaftsmodell, ja unsere ganze Lebensweise ist bedroht. Der SPIEGEL hat vom „Ende des Westens“ geschrieben. Das ist durchaus furchteinflößend und führt verständlicherweise zu Verunsicherung.
So wie es aussieht, stehen uns größere Disruptionen bevor, nehmen wir als Beispiel nur die Autoindustrie, bei der das besonders deutlich wird. Deren Geschäftsmodell wird aus dem Ausland, besonders China, bedroht, drohender Protektionismus (USA) schließt Absatzmärkte und außerdem wurde zu spät und zu halbherzig auf notwendige technologische Anpassungen verzichtet (E-Autos und Klimawandel).
Ähnliches droht unserem Bildungssystem, auch hier verharren wir an einigen Stellen zu lange in einem veralteten und überkommenen Modell, auch hier überholt uns das Ausland, obwohl wir einst einer der „Weltmarktführer“ waren, auch hier sind Reformschritte und Anpassungen an die veränderte Welt unabdingbar. Im Guardian habe ich neulich einen sehr interessanten Kommentar gelesen (https://www.theguardian.com/business/article/2024/sep/01/germany-economy-problem-analogue-industries), in dem Larry Elliott beschreibt, wie Deutschland versuche sein analoges Modell in einer digitalen Welt beizubehalten.
Diese krassen und rasanten Veränderungen, die man mit Recht als Disruptionen bezeichnen kann, betreffen uns alle, unser aller Leben wird sich verändern und da haben wir noch gar nicht über KI, Kriege, Populismus, Spaltung der Gesellschaft usw. gesprochen. Gleichzeitig stecken in solchen Disruptionen auch Chancen. Die Menschheit hat sich in solchen Phasen rasanten Wandels in der Geschichte eigentlich immer als anpassungsfähig und innovativ gezeigt.
Es gibt ja, wenn man sie sehen will, auch positive Entwicklungen, die auf eine bessere Zukunft hindeuten, es gibt medizinischen Fortschritt, KI kann unsere Arbeitswelt positiv verändern, zumal in Kombination mit immer fortschrittlicherer Robotik, der unregulierte und gesellschaftsgefährdende Aufstieg der sozialen Medien scheint seinen Zenit überschritten zu haben und auch im Bildungssystem machen sich immer mehr Menschen und Schulen auf den Weg zukunftsfähigere und menschlicher Schulen zu entwickeln.
Der Veränderungsdruck nimmt also zu und führt dazu, dass Veränderungen beschleunigt werden, so ist das bei allen Veränderungsprozessen. Es geht durch ein „Tal der Tränen“ und dann wird es nachhaltig besser.
Ich fürchte, da müssen wir alle früher oder später durch. Ich gehöre zu den Menschen, die es dann lieber früher hinter sich haben und im Prozess gestaltend eingreifen. Was da in der Welt im Großen vor sich geht, spiegelt sich auch in unserem Schulkosmos im Kleinen. Wir haben es in der Hand, die Zukunft mitzugestalten, denn: Bildung ist der Schlüssel um mit den Problemen der VUCA/BANI-Welt klarzukommen. Wir müssen unsere Kinder zu resilienten und agilen Menschen ausbilden, die sich der Problemlage bewusst sind und kreative Lösungen entwickeln die Probleme zu lösen.
Wer unseren Schulentwicklungsprozess verfolgt, merkt, dass wir schon mittendrin sind.
Wir sind mitten in einem ergebnisoffenen Transformationsprozess. Ich bin zuversichtlich, dass wir zum neuen Jahr Selbstständige Schule werden, was unsere Handlungsspielräume finanziell und pädagogisch erweitert. Wir haben mit der Schulentwicklungsgruppe und externer Begleitung eine Initiativgruppe gebildet, die Werkzeuge für die weitere Schulentwicklung an die Hand bekommen hat und aus der in einem nächsten Schritt eine DNA-Gruppe hervorgeht. Diese DNA-Gruppe umfasst 20 Personen. Sie soll möglichst alle Gruppierungen und Strömungen der Schulgemeinschaft abbilden, um dort auf Augenhöhe Schulentwicklungsprozesse, gerne auch kontrovers, zu diskutieren, um auszuloten, wie diese in der Schulgemeinschaft ankommen. In diesem Zusammenhang befindet sich die „alte“ Schulentwicklungsgruppe in einem Findungsprozess und muss vielleicht ihre Rolle etwas neu justieren. Die Initialgruppe hat damit ihre Arbeit getan und wird aufgelöst. Vielen Dank für das fantastische Engagement!
Ein weiterer Aspekt ist das Medienkonzept, das der letzten Gesamtkonferenz abgestimmt worden ist und in dem wir einen weiteren Schritt in Richtung einer Kultur der Digitalität gehen. Aus diesem Entwicklungsprozess ist die Arbeitsgruppe zur Handynutzung entstanden, welche begonnen hat unseren Umgang mit digitalen Endgeräten einem Revisionsprozess zu unterziehen, bei dem natürlich auch Schülerinnen und Schüler sowie Eltern eingebunden sind.
Auch Teil des Schulentwicklungsprozesses ist das Konzept gegen sexualisierte Gewalt. Dessen Entwicklung ist eine Vorgabe des Ministeriums, wir haben es aber auch genutzt, um damit einen Prozess zu starten, der sich ernsthaft mit der Haltung der und den Beziehungen zwischen den Teilen der Schulgemeinschaft auseinandersetzt. Auch dafür haben wir externe Expertise in Anspruch genommen und erkannt, dass dieses Konzept wichtig ist und wir ein funktionierendes Beschwerdemanagement und eine Verständigung über professionelle Grundhaltungen brauchen. Auch dieses Konzept wird gemeinsam mit Lernenden und Eltern entwickelt.
Man sieht also, dass wir dabei sind die demokratischen Strukturen der Schule zu stärken, indem wir bei Entwicklungsprozessen Eltern und Schülerinnen und Schüler verstärkt einbeziehen, möglichst versuchen, allen Mitgliedern der Schulgemeinschaft Teilhabe und Teilgabe zu ermöglichen. Die neu gewählte SV ist gut aufgestellt und bereit, ihre Rolle verstärkt wahrzunehmen.
Nicht zuletzt entstehen gerade, federführend von Schülerinnen und Schülern, der Think-Tank und der Do-Tank, die Ideenschmieden und Zukunftshub, Reallabor und Experimentierwerkstatt für die Partizipation der Schülerinnen und Schüler werden sollen. Hier entsteht die Schülerzeitung, hier docken Medien- und Social Media-AGs an, hier entstehen neue und offene Lernräume für Selbstwirksamkeitserfahrungen, die sich an den 17 Sustainable Development Goals (SDG) der UNESCO orientieren, also an den nachhaltigen Entwicklungszielen. Gute Bildung ist das SDG Nr. 4, aber nur der Ausgangspunkt für die Verwirklichung einer besseren und nachhaltigeren Welt. Diese Ziele sind durch die KMK auch mehrfach als Bildungsziele für deutsche Schulen festgelegt worden und relevanter Teil unseres Bildungsauftrages. Seit 2017 ist Bildung für nachhaltige Entwicklung besondere Bildungs- und Erziehungsaufgabe laut Hessischem Schulgesetz.
Sie sehen also und erleben es ja auch jeden Tag, auch in unserer Schule findet allenthalben Transformation statt und wir kommen unseren prominentesten Pflichten nach, wie sie das Hessische Schulgesetz vorsieht. Wir vermitteln Wissen und Kompetenzen, erziehen aber auch Kinder und Jugendliche zu mündigen Demokraten, um ihnen die Mittel an die Hand zu geben zu resilienten und agilen Menschen zu werden, die sich der Problemlage bewusst sind und kreative Lösungen entwickeln die Probleme zu lösen. Dafür lohnt es sich in schweren Zeiten zu kämpfen, niemand hat wohl etwas gegen eine bessere Zukunft und wir arbeiten daran, jeden Tag.

Ihr

Erik Grundmann


Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:

Interessantes
Im Interview mit dem Online-Magazin Schulmanagement spricht der weltweit renommierte Bildungsforscher über das, was Lehrkräfte bewirken können und äußert sich kritisch zum deutschen Bildungssystem: https://www.campus-schulmanagement.de/magazin/deutsches-bildungssystem-john-hattie-schulleitungssymposium-baden-wuerttemberg-heilbronn.
Aktuell geistert die neue ICILS-Studie durch die Medien, die belegt, dass im Jahrgang 8 nur rudimentäre digitale Kompetenzen vorhanden sind, einen Artikel dazu gibt es auf dem Dt. Schulportal: https://deutsches-schulportal.de/bildungsforschung/icils-2023-eickelmann-digitale-kompetenzen-40-prozent-der-jugendlichen-sind-abgehaengt/. Die Studie gibt es hier: https://kw.uni-paderborn.de/institut-fuer-erziehungswissenschaft/arbeitsbereiche/schulpaedagogik/forschungsprojekte/icils-2023. Interessant ist, dass Deutschland noch etwas besser ist als der europäische Durchschnitt.
Spannender Artikel bei Lehrer-News zu Klassismus und dem Mythos Leistungsprinzip: https://www.lehrer-news.de/blog-posts/klassenzimmer-oder-klassenkampf-die-unsichtbare-barriere-zur-chancengleichheit. Auch dort, ein Artikel, der sich kritisch mit den Privatschulen auseinandersetzt: https://www.lehrer-news.de/blog-posts/privatschulen-rettung-fur-das-bildungssystem-oder-symptome-seiner-probleme.
Ego-FM hat einige Informationen über verschiedene Bildungssysteme der Welt zusammengetragen: https://www.egofm.de/blog/schulsysteme-der-welt.
News4teachers stellt das neue Buch „Gute Bildung sieht anders aus“ von Harald Lesch und Klaus Zierer vor: https://www.news4teachers.de/2024/11/von-einem-lernort-zu-einem-bildungsraum-wie-harald-lesch-und-klaus-zierer-sich-eine-gute-schule-vorstellen/.
Im Leibniz-Magazin interviewt Jan-Martin Wiarda Olaf Köller zum Problemkomplex der Bildungspolitik und den schwindenden Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, spannender und komprimierter Überblick über die Bildungsgeschichte seit PISA: https://www.leibniz-magazin.de/alle-artikel/magazindetail/newsdetails/kein-land-in-sicht.
Neues zum Thema Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte (Spoiler: Nichts Gutes…): https://www.news4teachers.de/2024/11/erfolgreich-ausgesessen-die-kultusminister-brauchen-ein-gesetz-zur-arbeitszeiterfassung-das-lehrkraefte-betrifft-erstmal-nicht-mehr-zu-fuerchten/?amp.
Es gibt eine Aufzeichnung des Livestreams zum 1. Schulleitungssymposium in BW, darin ein sehr interessanter Vortrag von John Hattie (ab ca. 51:45 Min.): https://www.youtube.com/watch?v=-uSt9QLhNuw.

Smartphone und Social Media
Australien plädiert für eine Freigabe von Social Media ab 16: https://www.tagesschau.de/ausland/ozeanien/australien-soziale-medien-altersbeschraenkung-100.html.
The Decoder über eine Studie zur Verbreitung von Fakenews bei X: https://the-decoder.de/studie-untersucht-welche-inhalte-x-accounts-mit-ki-fake-bildern-verbreiten/ und darüber, wie ChatGPT zur Verbreitung von Fakenews genutzt wird: https://the-decoder.de/iranische-kampagne-wollte-us-wahlen-mit-ki-nachrichten-beeinflussen/.
https://www.soundswrong.de/ kämpft gegen die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen im Netz und klärt darüber auf; Motto: Melden statt teilen!
Bei Andrea Buhl-Aigner gibt es kostenloses Unterrichtsmaterial zur frei zugänglichen Doku „Das Dilemma mit den sozialen Medien“. Empfehlenswert: https://www.smartphonecoach.org/netflix-dokus-im-unterricht-das-dilemma-mit-den-sozialen-medien/.
„Coding for tomorroe“ ruft mit der Vodafone Stiftung Schülerinnen und Schüler zur Challenge „True Story statt Fake & Hate“ auf. Ziel ist es innovative Lösungen gegen Fakenews und Hate im Netz zu entwickeln. Mehr Infos: https://coding-for-tomorrow.de/aktuelles/true-story-statt-fake-hate-schuelerwettbewerb/.
Die taz zu Handyverboten in der Schule: https://taz.de/Handyverbote-an-Schulen/!6044189/.
Ein Lehrer berichtet auf Focus-Online von einem Handy-Experiment: https://m.focus.de/panorama/welt/handyverbot_id_260461067.html.

KI
Wieder einmal eine großartige Zusammenstellung von Joscha Falck, ein Must Read für alle Lehrkräfte im 21. Jahrhundert: „KI-Einsatz im Unterricht reflektieren und bewerten“ https://joschafalck.de/ki-bewertung/.
Axel Krommer zieht einen interessanten Vergleich zwischen KI und kybernetischer Pädagogik aus den 1960er Jahren: https://axelkrommer.com/2024/11/04/edtech-aus-dem-letzten-jahrtausend-kybernetische-paedagogik-und-kuenstliche-intelligenz/.
Lehrer News hat 10 Tipps zur Erstellung von Unterrichtsmaterial mit KI und zum richtigen Prompten: https://www.lehrer-news.de/blog-posts/chatgpt-im-klassenzimmer-so-erstellst-du-mit-ki-effektive-unterrichtsmaterialien.
Aus dem Deutschen Schulportal gibt es ein Dossier zur Veränderung von Unterricht durch KI: https://deutsches-schulportal.de/unterricht/wie-chatgpt-bei-der-unterrichtsvorbereitung-helfen-kann/.
Die taz zu Einkaufen mit KI: https://taz.de/Ueberwachtes-Einkaufen-in-Hamburg/!6045235/. Erinnert etwas an Orwell „1984“ oder Eggers „The Circle“…

Tipps für den Unterricht
Jördis Dörner hat 100 Methoden zum Kennenlernen gesammelt: https://www.learningarchitects.de/100-kennenlernmethoden/.
Bildungssprit setzt sich intensiv mit den Möglichkeiten von digitalen Lehr- und Lernprozessen auseinander: https://bildungssprit.de/blog/moodle-im-unterricht-12-szenarien-fuer-den-digitalen-lehr-und-lernprozess.
Bei PiA (Physik im Advent) gibt es ab dem 1. Dezember wieder einen physikalischen Adventskalender mit 24 kleinen Experimenten und Rätseln und einem dazugehörigen Gewinnspiel, die Anmeldung ist seit dem 01. November möglich: https://www.physik-im-advent.de/.
Das LMZ BW hat einen Leitfaden für Audio und Radioarbeit im Unterricht erstellt (u.a. mit Urheberrecht und Datenschutz): https://www.kindermedienland-bw.de/fileadmin/redaktion/kml/publikationen/LFK_Leifaden_Audio-_Radioarbeit_Web.pdf.

Leseempfehlung
Heute mal ein Roman: Marc-Uwe Kling: Views, München 2024. Der bekannte Autor der Känguru-Chroniken, entwickelt sich seit Qualityland zu einem der bedeutenden Dystopiker Deutschlands. Bei Views geht es um die Gefahren von KI für die gesellschaftliche Ordnung. Kurzweilig.

Hörempfehlung
Sebastian Staack hat eine beeindruckende Sammlung von über 1.500 Podcasts zu Bildungsthemen zusammengetragen: https://raindrop.io/HerrStaack/podcast-box-41932935.

Sehempfehlung
Tolles Video von Schülerinnen und Schülern der ERS-Karlsruhe zur Vernissage der Ausstellung „Wo fängt Unrecht an?“: https://vimeo.com/1025182779/4e8b62ac82?share=copy.
Reuters präsentiert den KI-Avatar Liv für Menschen mit Demenz, ein beeindruckendes Beispiel dafür, was mit KI möglich ist: https://www.youtube.com/watch?v=qd6v6FxeSIA.

Veranstaltungsempfehlung
„Vision@Schule“ am 28. und 29. März an der Albert-Schweitzer-Schule in Wetzlar.

Spaß im Netz
https://www.youtube.com/watch?v=hYMRepK_aqw&t=96s.

WfS-03: Habemus DNA-Gruppe (fast)

Heute hatten wir unsere (vorerst?) letzte Sitzung mit Enenpro, unseren externen Schulentwicklungsbegleitern, mit denen wir einen wertschätzenden, konstruktiven und lohnenswerten Prozess erlebt haben.
Als Resultat haben wir jetzt fast eine DNA-Gruppe. „Fast“, weil noch einige Personen gefragt werden müssen, ob sie überhaupt mitmachen wollen. Sinn der DNA-Gruppe ist es dort Vertreter aller relevanten Gruppen aus der Schulgemeinschaft zu versammeln, also innovative und bewahrende Lehrkräfte, Eltern, Lernende, Personalrat, Schulleitung usw. Durch diese heterogene Zusammensetzung soll ein Querschnitt, ein Spiegelbild der Schulgemeinschaft, immerhin ca. 130 Lehrkräfte und 1.700 Schülerinnen und Schüler und deren Eltern, abgebildet werden. Die Aufgabe dieses Gremiums ist es Entwicklungsprozesse, die von allen Menschen aus der Schulgemeinschaft angestoßen werden können, vorzuentlasten, indem sie dort diskutiert werden. So soll schon bevor über Ideen entschieden wird, erkannt werden, ob Vorhaben einfach umzusetzen sind oder, ob mit Widerstand zu rechnen ist. Eine DNA-Gruppe trifft keine Entscheidungen, leistet aber wertvolle Vorarbeit und Vorentlastung.
Mit diesem ersten Zyklus im Schulentwicklungsprozess haben wir also ein entlastendes und beratendes Gremium geschaffen und zahlreiche Methoden und Werkzeuge für die Arbeit an die Hand bekommen, die jetzt auch in der DNA-Gruppe zum Einsatz kommen. Das ist sehr hilfreich.
Es soll aber auch nicht verschwiegen werden, dass wir immer noch am Anfang stehen, tiefgreifende Veränderungen sind damit noch nicht geschaffen und der in den vorherigen Blogbeiträgen avisierte Haltungsveränderungsprozess ist auch erst angestoßen. Aber das ist auch völlig in Ordnung so, wir haben viel erreicht, aber noch mehr liegt vor uns. Es gibt auch immer noch tieferliegende Konflikte im Kollegium, deren Aufarbeitung erst begonnen hat, aber auch das ist normal. Sascha von Enenpro hat heute zurecht betont, dass wir schon ganz viel erreicht haben, indem wir in der Initialgruppe gelernt haben hierarchiefrei zu diskutieren und zu arbeiten und da hat er wohl recht. Das müssen wir jetzt auf die DNA-Gruppe übertragen, ich werde berichten, wenn diese ihre Arbeit aufgenommen hat.

Haltungen, vor allem Haltungen in Systemen wie Schulen, zu verändern ist ein komplexer, langwieriger und anstrengender Prozess. Silke Müller, Schulleiterin der Waldschule in Hatten, hat einmal in einem LinkedIn-Beitrag geschrieben, dass es an ihrer Schule einen einjährigen, professionell von Metaplan begleiteten, Entwicklungsprozess gegeben hat, bei dem das Kollegium „runter auf den Erd- bzw Schulkern gehen“ musste, „deren Antwort auch schmerzhafte Selbsterkenntnis sein mussten- all das war im Prozess aufreibend, emotional, schwierig.“, schreibt sie und das steht uns wohl in dieser Intensität noch bevor. Wir sind aber wild entschlossen, diesen Weg zu gehen. Zum Thema Haltung hatte ich auch im letzten Newsletter geschrieben.

Wie in den letzten Blogbeiträgen beschrieben, gehen wir den Schulentwicklungs- und Haltungsveränderungsprozess auf mehreren Ebenen an. Daher will ich hier auch ein kurzes Update zur Selbstständigen Schule (SES) und dem Präventionskonzept geben.
Alle Gremien (SV, SEB und Schulkonferenz) haben dem Antrag auf SES einstimmig zugestimmt, der Antrag wurde über das Staatliche Schulamt an das Hessische Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen weitergeleitet. Von dort gab es ein paar Rückfragen und bitten um Präzisierungen, die hoffentlich heute abschließend beantwortet werden konnten. Jetzt heißt es warten auf die Entscheidung. Stay tuned.
Unser dort anzugebender Entwicklungsschwerpunkt dreht sich ja um eine Reform des Hauptschulzweiges, darüber werde ich in einem nächsten Beitrag berichten.

Das Präventionskonzept, das ich für einen wichtigen Schritt zur Haltungsänderung halte, liegt in einem ersten Entwurf vor und muss noch etwas ausgeschärft werden. Ziel ist es im Moment dieses auf der Gesamtkonferenz im Dezember vorzustellen und möglicherweise schon abzustimmen.

Was ist sonst noch passiert? Vieles natürlich, jeden Tag passiert etwas.
Herauszuheben ist noch das Projekt „Think- und Do-Tank“, welches unsere fantastische Seiteneinsteigerin Kirsten Riedl angestoßen hat. Hier geht es um mehr Verantwortung für und Partizipation von Lernenden, einen kreativen Think-Tank und einen Makerspace; alles orientiert an den SDGs. Aber auch dazu mehr in einem der nächsten Beiträge.

Auch wenn die Belastungen im Moment wieder sehr groß sind, wenn ich kontemplativ an meinem Schreibtisch an einem solchen Blogbeitrag schreibe, merke ich doch, dass wir auf einem guten Weg sind und mein Job großartig ist. Trotz aller Widrigkeiten, bin ich von zahlreichen Menschen umgeben, die für ihren Job als Lehrkraft brennen und ein kreatives Potenzial zur Weiterentwicklung entfalten, was mir immer wieder den allergrößten Respekt abverlangt.

Newsletter 24/25-04, 11.10.2024

Liebe Schulgemeinschaft,

nicht zuletzt durch das Buch „Generation Angst“ (etwas schwache, bzw. reißerische Übersetzung; im Original „The Anxious Generaion“) von Jonathan Haidt  hat die Diskussion um Smartphones und sozialen Medien in Schulen Fahrt aufgenommen (seine Position hat er vor Erscheinen des Buchs bereits in einem Blogbeitrag vorgelegt: https://www.afterbabel.com/p/phone-free-schools). In den Niederlanden, Frankreich, Italien oder Finnland und in einigen anderen Ländern, sind Smartphones in den Schulen mittlerweile weitgehend verboten. In Deutschland gibt es keine einheitliche Regelung, vielmehr entscheidet das jede Schulgemeinschaft für sich.
An unserer Schule ist aus der Arbeitsgruppe zum Medienkonzept eine Arbeitsgruppe zur Smartphone- und Tabletnutzung hervorgegangen, die im Austausch innerhalb der Schulgemeinschaft die bei uns geltenden Regeln überarbeiten will. Dies ist notwendig, weil an vielen Stellen immer wieder Unmut über die bestehenden Regularien geäußert wird und weil diese Diskussion ein Teil der notwendigen Kultur der Digitalität an unserer Schule ist.
Denkbar sind dabei viele Lösungen, von einem Totalverbot bis zur totalen Freigabe, wir können die Nutzung vom Alter abhängig machen oder ein Graduierungssystem erarbeiten, bei dem man sich die Nutzung durch Kurse und/oder entsprechendes Verhalten erarbeiten kann.
Im Wesentlichen gibt es mittlerweile zwei Denkschulen, die eine fordert ein Verbot von Smartphones an Schulen und argumentiert mit der mittlerweile auch in Studien nachgewiesenen verminderten Konzentrationsfähigkeit, smartphonebasiertem Mobbing und dessen Folgen und dem erhöhten generellen Konfliktpotenzial. Die andere Denkschule verweist auf die grundsätzliche Problematik von Verboten, darauf, dass das Smartphone und social media integraler Bestandteil von Jugendlichen ist und fordert eine aufklärende Begleitung statt eines Verbotes.
Laut aktuellen Studien lenkt ein Handy ab und verringert die Konzentration, auch wenn es nur auf dem Tisch liegt oder in der Tasche steckt (https://www.uni-paderborn.de/nachricht/123972). Eine Studie der Universität Augsburg hält ein pädagogisch begleitetes Smartphoneverbot an Schulen für sinnvoll: https://www.uni-augsburg.de/de/campusleben/neuigkeiten/2024/09/04/smartphone-verbot-an-schulen-sinnvoll-wenn-padagogisch-begleitet/. Silke Müller, Spiegel-Bestseller-Autorin, Schulleiterin und erste Digitalbotschafterin Niedersachsens, hat an ihrer Schule ein Smartphoneverbot durchgesetzt (allerdings gibt es dort ab der 7. Klasse Tablets für alle).
Ich denke, es ist unbestritten, dass Schule im Rahmen von Medienbildung über Smartphones, soziale Medien und Algorithmen aufklären muss. Schule ist der Ort an dem über Fluch und Segen der Kultur der Digitalität diskutiert und gearbeitet werden muss. Wir müssen uneingeschränkt anerkennen, dass Smartphones, soziale Medien und die damit verbundenen Anwendungen Teil der Alltagskultur, nicht nur der Kinder und Jugendlichen, geworden sind. Uns muss auch klar sein, dass unsere Kinder damit fast zwangsläufig mit Gewalt, Mobbing, Pornographie, Extremismus usw. konfrontiert werden und wir sie nur begrenzt schützen können. Dabei spielen die Nutzungsmodalitäten in der Schule keine Rolle, da der größere Teil des Medienkonsums zuhause und in der Peergroup stattfindet. Umso wichtiger ist es, dass in der Schule darüber aufgeklärt wird, was aber nur funktioniert, wenn auch die Eltern im Boot sind und Bescheid wissen. All das meint die erwähnte Studie der Uni Augsburg mit pädagogischer Begleitung.
Lassen Sie uns also gemeinsam, mit der gesamten Schulgemeinschaft, einen Diskussionsprozess starten, wie wir den Herausforderungen durch Smartphones und soziale Medien als Schule begegnen wollen. Wer Interesse hat, an diesem Prozess teilzunehmen, darf sich gerne an mich wenden.

Ihr

Erik Grundmann

Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:

Interessantes
Am 2. Oktober wurde der Deutsche Schulpreis 2024 verliehen, alles wichtige zu den Preisträgern findet sich hier: https://www.deutscher-schulpreis.de/nominierung-und-preisverleihung.
Lehrer-News bietet einen knappen Überblich über die wichtigsten regelmäßigen Studien zum Thema Bildung: https://www.lehrer-news.de/blog-posts/bildung-auf-dem-pruefstand—die-relevanten-studien-im-ueberblick.
News4Teachers setzt sich mit dem Thema Erfassung der Lehrkräftearbeitszeit auseinander und sieht das Aus für das Deputatsmodell: https://www.news4teachers.de/2024/10/gutachten-erfassung-der-arbeitszeit-von-lehrkraeften-ist-unausweichlich-was-zwangslaeufig-das-ende-des-deputatsmodells-bedeutet/. Hintergrund ist ein Gutachten der FES: https://library.fes.de/pdf-files/a-p-b/21452.pdf.
Die Stadt Nürnberg hat einen interessanten Strategieprozess für eine Vision Schule 2040 angestoßen: https://www.nuernberg.de/internet/paedagogisches_institut/strategieprozess.html.

Smartphone und Social Media
Auf TikTok gehen KI-generierte Audioclips mit der Stimme von Adolf Hitler viral: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/tiktok-hitler-videos-viral-100.html?at_specific=ZDFheute&at_content=iOS.
Der BR beschäftigt sich mit der Problematik von Klassenchats: https://www.br.de/nachrichten/wissen/gefaehrliche-chatgruppen-wenn-klassenchats-zum-problem-werden,UPw2woo.
Philippe Wampfler setzt sich, gewohnt kontrovers, mit dem Menschenbild hinter der Notengebung auseinander, das er mit der berühmten Karotte vor der Eselsschnauze vergleicht: https://beurteilung.ghost.io/wie-man-menschen-sehen-muss-damit-man-auf-noten-verzichtet/.
Der bereits eingangs erwähnte Jonathan Haidt scheint eine Bewegung zur smartphonefreien Schule zu starten und stellt Material zur Implementierung einer solchen zur Verfügung: https://www.anxiousgeneration.com/phone-free-schools.
Jonas Wagner fordert in diesem Zusammenhang Regeln statt Verbote: https://jonaswagner.de/medien-in-der-schule/.
Im letzten Newsletter schon erwähnt, hier aber auch noch einmal in einem Artikel aus der FAZ: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/instagram-kuendigt-jugendschutz-massnahmen-an-mehr-kontrolle-fuer-eltern-19989912.html.
Auf heise.de ist eine interessante Nachricht aus den USA erschienen, wo der Gegenwind für Social Media stärker wird: https://www.heise.de/news/Tiktok-beutet-Kinder-aus-14-US-Staaten-verklagen-Tiktok-9974196.html.

KI
Joscha Falck hat neun KI-Paradoxien in der Schule formuliert: https://joschafalck.de/ki-paradoxien/ und Martin Karacsony (bildungssprit.de) hat diese ergänzt und illustriert: https://bildungssprit.de/blog/ki-paradoxien-by-joscha-falck-eine-bildhafte-ergaenzung-by-bildungssprit.
Wer sehen will, was KI mittlerweile im Filmbereich kann, dem sei der Kurzfilm „The Barrier“ empfohlen: https://www.youtube.com/watch?v=Bpwbtmmmb4I.
KI schreibt mittlerweile Malware: https://www.chip.de/news/kuenstliche-intelligenz/betrueger-nutzen-ki-zum-erstellen-von-malware_e712460b-a95f-4ead-9e23-525fdc55c22e.html?utm_medium=Social&utm_source=Facebook#Echobox=1728152976.
Manuel Flick hat seinen fast schon legendären ChatGPT-Guide für Lehrkräfte aktualisiert; dieser kann hier kostenlos heruntergeladen werden: https://www.manuelflick.de/chatgpt-guide.

Tipps für den Unterricht
Verena Knoblauch hat ein schöne Taskcard mit Unterrichtsmaterial zu Medienkompetenz erstellt: https://mz-nuernberg.taskcards.app/#/board/c7785072-c13f-46db-af29-d27d5550226a/view?token=4eaf7324-2432-4af5-ba2e-852de3cc091c.
Die BBC bietet eine Datenbank mit zahlreichen Soundeffekten: https://sound-effects.bbcrewind.co.uk/ für die freie nicht-kommerzielle Nutzung.

Leseempfehlung
Konsequenterweise zwei Empfehlungen, die das Spektrum des Schwerpunktthemas dieses Newsletters abdecken. Für ein Smartphoneverbot an Schulen: Haidt, Jonathan: Generation Angst; Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen, Hamburg 2024. Eine andere Position (nicht ganz auf Schule bezogen): Lutz, Leonie; Osthoff, Anika: Begleiten statt verbieten; Als Familie kompetent und sicher in die digitale Welt, München 2022.

Hörempfehlung
Dieses mal wieder Benedikt Wisniewski im Interview mit John Hattie zum Thema De-Implementierung: https://podcasters.spotify.com/pod/show/dr-benedikt-wisniewski/episodes/Spezial-De-Implementierung–Gesprch-mit-John-Hattie-OV-e2md1r6. Funfact: Die deutsche KI-Übersetzung zeigt auch an dieser Stelle, was KI kann.

Sehempfehlung
Schöner Ausschnitt aus einer Dokumentation über den „Lehrberuf im Jahre 1959“, interessanterweise ist das hier in der Gegend aufgenommen: https://www.youtube.com/watch?v=1pGC-thN1Oc.

Veranstaltungsempfehlung
„Vision@Schule“ am 28. und 29. März an der Albert-Schweitzer-Schule in Wetzlar: https://albertschweitzerschule-wetzlar.de/index.php/informationen-fuer-teilnehmende.

Spaß im Netz
https://findtheinvisiblecow.com/.  

2024-25: Verlernen wir Demokratie?

Es ist mal wieder Zeit für etwas Polemik.

(kreiert mit DALL-E)

Im Moment sind Forderungen nach mehr Demokratielernen in Schulen en vogue, aber auch wohlfeil.
Die Forderung ist natürlich verständlich. Jugendliche fühlen sich zu Extremismen hingezogen, fallen in sozialen Medien auf „Rattenfänger“ verschiedenster Couleur rein und verhalten sich am Ende doch passiv.
Ich habe in jüngster Zeit einige Beobachtungen gemacht, die sich auch mit Studienergebnissen decken. Zum einen stelle ich als Politiklehrer fest, dass sich die Informationsquellen massiv verschieben. Von linearem Fernsehen und Printmedien hin zu digitalen Medien, bzw. deren Ablegern und Pseudoablegern in sozialen Medien. Das führt zu einer Verkürzung und Polarisierung in der politischen Bildung. Außerdem werden die Jugendlichen von dem Nachrichtenstrom der älteren Generationen und der etablierten Parteien und Institutionen abgehängt, weil es diesen kaum gelingt Reichweite in den neuen Medien zu generieren (was natürlich auch am Prinzip Algorithmus liegt).
Zum anderen schwindet das Interesse an Politik. Es finden sich immer weniger Schülerinnen und Schüler, die SV-Arbeit machen wollen und ich fürchte vielen ist es gar nicht mehr klar, warum das wichtig ist. Kandidatinnen und Kandidaten stellen sich vor ohne eine Idee für eine Forderung zu haben. Da wird dann sinngemäß vorgetragen, dass man gewählt werden will, weil man ein toller Typ und krass sei, was dann mit zustimmendem Gejohle quittiert wird. Da findet eine Art TikTokisierung statt. Nicht der Inhalt zählt, sondern Lautstärke und Pose. Das finde ich bedenklich.
Wer kann es den Jugendlichen aber verdenken? Sie haben es ja nicht gelernt.
Zum einen findet Politik und deren mediale Vermittlung immer mehr als eine Inszenierung statt. Inhalte rücken in den Hintergrund, es finden populistische Wettkämpfe statt, Ministerpräsidenten inszenieren sich als Food-Blogger, der politische Gegner wird diffamiert oder mittlerweile sogar bedroht.
Zum anderen spielen Jugendliche und deren Bedürfnisse, Bildung von der Kita bis zur Uni, deren Zukunft und deren psychische Gesundheit, wenn überhaupt, nur eine sehr untergeordnete Rolle. All die Studien, die das belegen werden in der Öffentlichkeit und in der Politik nicht wahrgenommen, dort wird über Gendern, Migration und Autos diskutiert.
Und dann zu fordern, dass Schule das kompensieren soll und Demokratie, quasi per Instruktion, zu vermitteln ist wohlfeil. Aus der Perspektive einer Schülerin oder eines Schülers ist Schule in der Regel einer der undemokratischsten Orte der Welt. Und das, wo Schule so eine zentrale Rolle im Leben der Jugendlichen einnimmt.
Wenn wir ernsthaft demokratische Bildung in den Schulen lehren wollen, dann dürfen wir das nicht instruieren und simulieren, dann müssen wir das leben!
Das fängt mit einem Klassenrat an, der ernsthaft gehört wird und Einfluss hat. Das geht mit Debatten auf Augenhöhe und frei von Adultismus in den Gremien weiter und erfordert letztendlich eine Haltungsänderung der Lehrerschaft, die hierarchische Privilegien aufgeben muss und im Lernenden das Potenzial sehen, entdecken und begleiten muss. Das bedeutet letztendlich die Auflösung des Lernens im Gleichschritt und das Ende der Bewertung in Ziffern, das bedeutet Schule zu einem Ort zu machen, den man ehrlich als Wiege der Demokratie bezeichnen kann.
Das bedeutet das Ende der Schule wie wir sie kennen und erwarten. Nur so kann es uns aber gelingen, eine zukünftige Gesellschaft zu schaffen, die Mitbestimmung und Solidarität ernst nimmt, die frei ist von unverdienten Privilegien, in der die Würde wirklich unantastbar ist.

(Wer sich einmal anschauen will, wie so eine Schule funktionieren kann, der sollte mal eine Suchmaschine mit „Agora-Schule Niederlande“ füttern.)

Weiterführende Beiträge, die nach der Veröffentlichung des Beitrags erschienen sind:

https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/swk-stellungnahme-expertengremium-fordert-mehr-demokratiebildung-an-schulen

2024-23: Schule & Leben (Teil einer Blogparade)

Vorbemerkung: Eine Reihe von bildungsaffinen Bloggern hat sich zum Ziel gesetzt, 2024 häufiger thematisch gemeinsam zu bloggen. Die Themenvorschläge werden an dieser Stelle gesammelt, (möglichst) alle Beiträge zum aktuellen Thema sind unter dem Beitrag zu finden. Wer sich beteiligen möchte, aber keinen Blog hat, kann gerne einen Beitrag einreichen – er wird dann als Gastbeitrag publiziert. Dieser Vorschlag zur siebten Runde stammt von Susanne Posselt.

Schule ist ein Teil des Lebens und das Leben ist Teil der Schule.

Wichtige Aspekte haben Susanne und Jan-Martin ja schon zusammen getragen (Links siehe unten). Für Jugendliche ist Schule ein zentraler Teil ihres Alltags, bei dem es nicht nur um Lernen und Abschlüsse geht, sondern um Sozialleben. Außerdem bereitet Schule, nicht immer sinnvoll, umfassend und zielgerichtet, aber dennoch relevant, auf das Leben vor.
Ich möchte daher die Blogparade noch um zwei für mich wichtige Punkte ergänzen, einen (Überraschung!) historisch-politischen und einen persönlichen.

Historisch betrachtet trat die Institution Schule und ihre Vorformen in das Leben, um Teile der Gesellschaft, der „Oberschicht“, für bestimmte Tätigkeiten zu qualifizieren, zum Beispiel zum Schreiben in der altägyptischen Bürokratie, zum Reden auf der attischen Agora oder zum (Ab-)Schreiben von Büchern im Mittelalter. Lange war eine Art von schulischer Bildung allerdings kleinen Teilen der Gesellschaft vorbehalten. Mit zunehmender Globalisierung, Demokratisierung, Verwissenschaftlichung und Industrialisierung des Lebens in der Neuzeit, entstand ein neues Verständnis von schulischer Bildung. Es gab einen größeren Bedarf an Menschen (zunächst in der Regel Männern), die zumindest basale Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen beherrschen mussten. Dies war zum Beispiel notwendig, um das britische Empire zu verwalten, Regeln und Anweisungen in einer Fabrik zu verstehen oder ein (modernes) Militär zu organisieren.
Vom 18. bis zum 20. Jahrhundert setzte sich daher in der „westlichen Welt“ eine Schulpflicht durch und es entstand die Schule für alle, wie sie eigentlich bis heute existiert und die eine zentrale Rolle in unserem Leben spielt. Seither gibt es Diskussionen um die Inhalte, die gelehrt und gelernt werden sollen, seither spielt Schule eine zentrale Rolle bei der Reproduktion von Herrschaft. (Über die Rolle von Schule in der Gesellschaft habe ich mir an anderer Stelle schon einmal Gedanken gemacht.)
Schule wurde also historisch immer bedeutender für die Gesellschaft und hat den Anspruch entwickelt alle Jugendlichen zu erreichen, die Rolle von Schule für das Leben wurde also immer wichtiger, damit aber auch kontroverser und politischer im eigentlichen Sinne. Das geht heute eigentlich so weit, dass ein Leben ohne Schule nicht mehr denkbar ist. (Eine Schule ohne Leben aber auch nicht, wobei hier imho noch Luft nach oben ist.)

Für mich persönlich ist Schule ein zentraler Aspekt meines Lebens. Wenig überraschend habe ich zum einen selbst in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrtausends eine Schule besucht (Funfact: Sogar zwei Jahre die Schule, die ich jetzt leiten darf) und zum anderen habe ich Schule zu meinem Beruf gemacht. Für mein Leben spielt Schule also eine ganz zentrale Rolle.
Meine eigene Schülerzeit war in Ordnung, ich war, inklusive einer typischen Krise im Rahmen meiner Pubertät, ein recht ordentlicher Schüler mit typischen Vorlieben und Abneigungen (mehr dazu hier). Dass Schule einmal so ein zentraler Teil meines Lebens werden sollte kristallisierte sich erst einige Jahre nach meinem Abitur heraus und ich habe es bis heute nicht bereut. Ich war immer gerne Lehrer und liebe diesen sinnstiftenden und wichtigen Beruf. Genauso bin ich jetzt auch Schulleiter mit Leidenschaft, da es aus meiner Sicht kaum eine zukunftsrelevantere Institution als die Schule gibt.
Für mich ist Schule mehr als nur ein Job, für mich ist Schule mittlerweile eine Berufung. Ich möchte Schule weiterentwickeln und für das 21. Jahrhundert fit machen. Deshalb beschäftigt mich Schule über den Job hinaus, ich beschäftige mich auch in meiner Freizeit intensiv mit Schule und Bildung, zum Beispiel mit meinem Engagement bei DigitalSchoolStory, mit Fachliteratur, in sozialen Netzwerken oder auf dieser Website.
Was also Schule und Leben angeht, kann ich für mich festhalten: Ich lebe Schule und ich liebe es!

Abischerz 2024

Weitere Beiträge zur Blogparade:
Jan-Martin auf Halbtagsblog: https://halbtagsblog.de/2024/08/06/schule-leben/
Susanne: https://susanneposselt.de/schule-und-leben/

2024-22: Rede zum Abschlussfest Mittelstufe

An unserer Schule ist es gute Tradition neben dem Abiball mit akademischer Feier und Zeugnisausgabe auch ein Abschlussfest für die Mittelstufe zu veranstalten. Dort erhalten die Absolventinnen und Absolventen der Haupt- und Realschule ihre Abschlusszeugnisse und auch die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten des 10. Jahrgangs werden entsprechend gewürdigt. Ich wurde im Vorfeld gewarnt, dass die Reden der Schulleitung nicht allzu viel Aufmerksamkeit bekämen, daher habe ich mir etwas einfallen lassen und meine Rede kurz gehalten, auf allzu akademischen Duktus verzichtet und den Vortrag mit berühmten Memes illustriert. Ich glaube, das kam ganz gut an, daher habe ich beschlossen die Rede in meinem Blog zu veröffentlichen:

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Eltern, liebe Verwandte und Bekannte und alle anderen Anwesenden,

ich bitte euch und sie um einen Moment Aufmerksamkeit!

Ich finde, es ist eine schöne Tradition die Klassen H9, H10, R10 und G10 mit einer besonderen Veranstaltung zu verabschieden und damit zu feiern und zu würdigen. Das ist nicht selbstverständlich, sollte es aber sein.

Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler, habt so ca. 9 bis 10 Jahre Schule hinter euch. Manche haben noch ein paar Jahre vor sich, andere beginnen eine Ausbildung, machen ein FSJ oder erst mal Pause. In jedem Fall müsst Ihr eine Entscheidung treffen!

Diese Entscheidung ist nicht leicht, sie kann euer ganzes Leben prägen!

Ich kann euch aber auch beruhigen, das muss sie nicht. Es ist natürlich schön, wenn ihr jetzt schon euren Beruf gefunden habt und dieser auch eure Berufung ist. Das deutsche Schulsystem bietet allerdings viele Wege der Nachqualifizierung. Jede und jeder hier hat immer noch ganz viele Chancen sich neu zu erfinden und etwas Anderes zu machen. Ich hatte mal einen Schüler am Abendgymnasium, der war in Bayern auf einer Förderschule, hat nach einer Ausbildung am Abendgymnasium das Abitur nachgeholt, Wirtschaftsinformatik studiert und ist jetzt bei einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alles ist möglich, auch wenn die Bedingungen schwierig sind, am Ende habt ihr vieles in eurer Hand!

Vieles ist jetzt erst mal aufregend oder sogar furchteinflößend. Das ist völlig normal. Niemand von den zu ehrenden Schülerinnen und Schülern hier hat schon einmal eine Ausbildung oder ein Abitur gemacht. Es ist für euch alle das erste Mal! Wer davor keinen Respekt hat, möge sich nachher bei mir melden und mir sein Geheimnis verraten. Ich hatte mächtig Respekt, als es in die Oberstufe ging, als ich meinen Zivildienst angefangen habe, als es an die Uni ging und als ich mein Referendariat begonnen habe, als ich dann Lehrer wurde und erst recht, als ich letztes Jahr Schulleiter wurde. Das ist völlig normal. Aber nach einer gewissen Zeit, lebt man sich ein und die Ausbildung, der Job und seine Herausforderungen werden normal, man meistert seine Aufgabe.

Es wird aber auch nie alles glatt gehen. Einstein ist einmal sitzen geblieben, Gandhi hat mal Jura studiert, Stefan Raab ist eigentlich Metzger, Hugh Jackman war mal Sportlehrer und Party-Clown, Jay-Z Drogendealer, J.Lo Rechtsanwaltsgehilfin und ich habe mal Chemie studiert.

Wir alle machen Fehler oder gehen Umwege! Gerade, wenn wir etwas Neues anfangen. Lasst euch davon nicht beirren. Wir lernen aus Fehlern, wir dürfen nur nicht aufgeben. Habt ihr einmal beobachtet, wie ein kleines Kind laufen lernt? Richtig, es fällt ständig hin. Es käme aber nie auf die Idee nicht wieder aufzustehen und es immer wieder zu probieren. Und am Ende lernen wir eigentlich alle laufen. So ist es auch mit einer Ausbildung oder dem Abitur oder was auch immer noch kommt. Niemand kann etwas sofort, wir machen alle Fehler und das ist gut so. Steht dazu und lernt daraus!

Wichtig bei allen Herausforderungen, Siegen und Niederlagen, die unweigerlich auf euch zukommen ist: Bleibt euch treu, bleibt ihr selbst, oder , wie ich es schon in meiner Abirede auf Hip-Hop gesagt habe: Keep it real. Es kommen immer wieder verlockende Verführungen, diese können attraktiv, sogar sinnvoll sein. Bedenkt aber, ob sie es wert sind, dafür andere Dinge aufzugeben oder zu vernachlässigen. Eure Eltern, eure Familie, eure Freunde sind sehr wertvoll. Natürlich findet man im Leben neue Freundinnen und Freunde, aber, so ist zumindest meine Erfahrung, einige wenige Schulfreundinnen und -freunde, und die Familie meistens sowieso, bieten eine ganz besonders wertvolle Verbindung, die einen durch ein ganzes Leben tragen kann.

Auch, wenn ihr mal Mist gebaut habt, und ich weiß, dass das auf ein paar hier zutrifft, es ist nie zu spät das Richtige zu tun. Jede und Jeder hat in der Regel eine zweite Chance verdient und meine Erfahrung sagt, dass gerade die zweiten Chancen das Leben prägen. Manchmal kommen diese auf Einen zu, manchmal muss man sie sich erkämpfen. In jedem Fall solltet ihr sie ergreifen, wenn sie kommen.

Wie bereits gesagt, steht zu euren Taten und Fehlern, lernt daraus und macht es besser. Jetzt habe ich auch schon genug geredet, wir haben ein strammes Programm vor uns und es soll ja auch noch gefeiert werden.

Es ist schön, dass einige von euch noch bei uns bleiben und es ist schade, dass einige von euch uns verlassen. Ich hoffe, dass ihr die Weibelfeldschule, trotz alledem, in guter Erinnerung behaltet. Lasst von euch hören, wir Lehrer freuen uns immer zu hören, was aus euch geworden ist.

Feiert schön, lasst euch schön feiern und genießt den Abend, das Leben geht weiter und hat so viel zu bieten. Ich wünsche euch allen nur das Beste und mögen eure Träume und Wünsche in Erfüllung gehen!

2024-21: Warum eine Vernissage für die Schule der Zukunft steht

Am 01. Juli durfte ich zur Eröffnung der Kunstausstellung „Art’n‘Vielfalt“ mit Werken von Schülerinnen und Schülern der Weibelfeldschule ein Grußwort sprechen, in dem ich die Bedeutung von Kreativität und Interdisziplinarität für Lernprozesse betont habe und, dass dabei die Schule der Zukunft aufblitze.
Ich finde das Gesamtprojekt so gelungen, dass ich ihm gerne einen Blogbeitrag widme.
Was alles hinter der Ausstellung steckt, eine Dokumentation der Werke, auch in Kooperation mit einer deutschen Schule in Namibia und mit anderen Künstlerinnen und die Einbindung von DigitalSchoolStory, hat meine wunderbare Kollegin Riedl auf dieser Taskcard dokumentiert. Mein Grußwort im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Lehrkräfte, Eltern und Kunstbegeisterte, (…)

es ist mir ein großes Vergnügen heute auf dieser Vernissage ein paar Worte sagen zu dürfen.
Erstens ist es das erste Mal auf einer Vernissage und ich mag Kunst, zweitens ist es eine Ausstellung, die von der Weibelfeldschule ausgeht, die ich leiten darf. Und drittens, und das ist das Wichtigste, weil hier die Schule der Zukunft aufblitzt!
Wir haben es hier nicht einfach mit einer Vernissage zu tun, einer feierlichen Ausstellungseröffnung mit den Werken zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, sondern mit einer Präsentation des Lernens der Zukunft auf so vielen Ebenen.
Ich möchte Ihnen nun knapp erläutern, warum ich das glaube.
Das klassische Bild von Schule ist das so genannte 7-G-Modell: ”Alle gleichaltrigen Kinder sollen beim gleichen Lehrer mit dem gleichen Lehrmittel im gleichen Tempo das gleiche Ziel zur gleichen Zeit gleich gut erreichen.” Und das auch noch im gleichen Fach, im gleichen Schulzweig und im gleichen Raum. Dieses Modell wird leider den zunehmend komplexer werdenden Herausforderungen unserer Welt nicht mehr gerecht.
Wir müssen anfangen, Fächergrenzen aufzubrechen und Lernprozesse individualisieren. Wir müssen uns in den Schulen mit den echten, den großen Problemen beschäftigen und die lassen sich nicht in einem Fach im 45-Minuten-Rhythmus lösen und in Tests abprüfen. Nehmen wir den Klimawandel. das ist ein Phänomen, welches im Grunde alle Fächer des schulischen Fächerkanons abdeckt. Oder eben die zurückgehende Biodiversität, die ja eher zu den unterschätzten Problemen gehört. Manch eine oder manch einer hier im Raum kann sich vielleicht noch daran erinnern, wie viele Insektenreste wir im Sommer von den Frontscheiben der Autos kratzen mussten. Das gibt es kaum noch. Und eine Welt ohne Insekten ist eine tote Welt. Pflanzen werden nicht mehr bestäubt, Mist nicht mehr zersetzt, die Nahrungskette unterbrochen und so weiter.
Und was hat das mit der Schule und dem Lernen der Zukunft zu tun?
Wenn wir uns dem Problem des Rückgangs der Biodiversität im klassischen Unterrichtsystem nähern, dann beschäftigen wir uns vielleicht in Biologie mit Ökosystemen und Insekten, in Geografie mit der Kultivierung von Naturräumen, in PoWi mit politischen Entscheidungsprozesse und ökonomischen Zusammenhängen, in Mathematik mit exponentiellem Wachstum, in Physik mit Thermodynamik und so weiter. Dass dieses partikularisierte Wissen zusammenhängt, wird den meisten Schülerinnen und Schülern so nicht klar.
Was also tun? Wir müssen anfangen dieses Wissen zusammenzudenken und in Projekten zu arbeiten und genau das ist hier passiert. Und zwar in vorbildlicher Weise, weil drei wichtige Lernaspekte dazu kommen.
Erstens fand in diesem Projekt auch lernen mit, über und durch Medien statt. Indem das Projekt an DigitalSchoolStory angedockt wurde. Dadurch haben sich die Schülerinnen und Schüler (und auch die Lehrkräfte) mit digitalem Storytelling beschäftigt und dazu Feedback von professionellen Content-Creatorn bekommen. Ich kann nicht zu wenig betonen, wie wichtig Medienbildung in unserer Zeit ist und dass Schulen da noch viel mehr tun müssten.
Zweitens hat das Projekt einen internationalen und interkulturellen Aspekt. Durch die Zusammenarbeit mit einer deutschen Schule in Namibia fand ein internationaler Austausch und damit transkulturelles Lernen statt. Auch das ein wichtiger Aspekt in einer immer stärker gespaltenen Gesellschaft und Welt.
Und drittens, damit zwar zuletzt, aber von besonders großer Bedeutung, es gab einen kreativen Zugang zu dem Problemkomplex. Kreativität ist nicht umsonst eine der zentralen Zukunftskompetenzen, was die letzte PISA-Studie wieder bestätigt hat. Neben Kommunikation, Kollaboration und kritischem Denken, die hier auch gefördert wurden. Kreativität ist nämlich unsere zentrale Ressource. Nur mit kreativem Denken kann es uns gelingen Lösungsansätze für die komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu finden. Nur so trainieren wir entscheidende Kompetenzen, die es uns auch in Zukunft ermöglichen können, Wohlstand zu bewahren und gleichzeitig die Umwelt zu schützen. Kreative Menschen sind glücklicher, können sich besser ausdrücken und besser auf Veränderungen einstellen.
Deswegen brauchen wir mehr kreative Projekte in der Schule und deshalb ist dies hier ein Vorzeigeprojekt für das Lernen in der Schule der Zukunft! Versuchen Sie beim Betrachten der Exponate mal darüber zu sinnieren, auf wie vielen und auf welchen Ebenen hier gelernt wurde und welche Botschaften in den Werken und wieviel Potenzial in den jungen Menschen steckt, die das geschaffen haben.
All das lässt mich, trotz alledem, für die Zukunft hoffen. Wir sollten die junge Generation nicht unterschätzen und nicht schlecht reden. Sie ist es, die unseren Planeten retten muss und unser Job ist es sie dazu zu befähigen, ihnen das Gefühl von Selbstwirksamkeit zu geben und dass ist mit dieser Vernissage vorbildlich gelungen.
Ich wünsche Ihnen allen viel Spaß, Freude und vielleicht auch ein wenig Erkenntnis am heutigen Abend.
Vielen Dank!

2024-18: Schule und Kommune vernetzen im 21. Jahrhundert

Schule als „Dritter Ort“ und „School as a Service“

Ich durfte am 25. Mai 2024 bei einer Veranstaltung der Kinder- und Jugendfarm Dreieichhörnchen in Dreieich einen kleinen Impuls zum in der Überschrift genannten Thema einbringen. Ich bin sehr dankbar für diese Gelegenheit vor Vertreterinnen und Vertretern der Lokalpolitik zu sprechen, da ich so eines meiner Lieblingsthemen, kommunale Vernetzung für Bildung, einbringen konnte und ich hoffe, vielleicht einen initialen Funken gezündet zu haben, der in eine kommunal vernetzte Bildungslandschaft münden könnte.
Im Folgenden gebe ich den geplanten Vortrag wieder. Vor Ort bin ich gelegentlich vom Wortlaut abgewichen, um vorher Gesagtes aufzugreifen und flexibel zu agieren.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik, aus den Vereinen und Verbänden, liebe „Hörnchen“ und alle sonst hier Versammelten,

mein Name ist Erik Grundmann und ich bin seit Beginn dieses Schuljahres der Schulleiter der Weibelfeldschule hier in Dreieich.

Vielen Dank für die Gelegenheit hier zu sprechen, ich freue mich, einen Impuls zum Thema Zukunft der Bildung in Dreieich beisteuern zu können.

Bitte verstehen Sie meine hier vorgetragenen Ideen nicht als fertiges Konzept, sondern als Denkanstöße. Wir brauchen für die Lösung der Probleme des 21. Jahrhunderts disruptive und agile Lösungen. Die Welt wird volatiler, unsicherer, komplexer und widersprüchlicher. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, brauchen wir neue Methoden, kreative Denkansätze, neue Arten von Kollaboration, Kommunikation und eine neue Art von Vernetzung.

Wir spüren glaube ich alle, dass unser Bildungssystem nicht mehr richtig funktioniert, das belegen die zahlreichen PISA, IGLU, IQB oder ifo-Studien und so weiter, die immer mal wieder kurz in den Medien aufflackern. Es scheint fast so, als hätten wir uns daran gewöhnt, das kann aber nicht unser Anspruch sein. Bildung ist unsere wichtigste Ressource für die Zukunft, wir können es uns nicht leisten, in allen internationalen Rankings immer schlechter zu werden. Ein Teil der Lösung kann sein, Bildung besser zu vernetzen, Schule zu einem integralen und mit außerschulischen Partnern vernetzten Teil einer Kommune zu machen und so mehr Selbstwirksamkeitserfahrungen für die Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen.

Ich bin deshalb hier, um über Lernorte, deren Vernetzung und deren Zukunft in Verbindung mit der Kommune zu sprechen. Ich will nicht über ideologisierte Schulformdebatten, den Fächerkanon oder ein überkommenes Verständnis von Unterricht sprechen, sondern über Lernorte in der Kommune.

Aktuell haben wir es mit einer Diffusion von Lernorten zu tun. Wir haben hier in Dreieich viele Orte zum Lernen, die in Teilen ansatzweise vernetzt sind, da ist aber sicher noch Luft nach oben. Die Schulen und frühkindlichen Bildungseinrichtungen sind eher geschlossene Institutionen, aus denen die Schülerinnen und Schüler selten rauskommen und in die nichtschulische Akteure zu selten reinkommen.

Allerdings findet die Diffusion der Lernräume auf mehreren Ebenen statt: Zu den realen und besonderen Lernorten, wie Schulen, Museen oder auch Kinder- und Jugendfarmen kommen zunehmend hybride und virtuelle Lernorte.

Mein Fokus als Schulleiter liegt naturgemäß auf dem Lernraum Schule, der sich lange Zeit selbst genug war. Es kann aber als erwiesen angenommen werden, dass außerschulische und unbewertete Lernorte für nachhaltigen Lernerfolg sorgen können.

1989 hat der amerikanische Soziologe Ray Oldenburg das Konzept des Dritten Ortes in einem Buch vorgestellt. Ihm ging es darum, neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz dritte Orte zu schaffen, die einen Ausgleich zu den beiden anderen bieten und ein Treffpunkt für die Kommune sein sollen. Diese Orte sollten für alle zugänglich sein, soziale Unterschiede nivellieren, Orte der Konversation und des Diskurses sein, gut angebunden sein und noch ein paar weitere Funktionen erfüllen. In den letzten Jahren wurde dieses Konzept häufig auf Büchereien übertragen und umgesetzt. Warum sollten aber nicht auch Schulen solche Dritte Orte sein?
Schulen bieten räumlich und strukturell ideale Voraussetzungen dafür, sie sind in der Regel gut erreichbar und ihre Aufgabe ist es ohnehin einen demokratischen Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Diese Dritten Orte können übrigens auch virtuell oder hybrid dargestellt werden.

Der Gedanke der Schule und der Bibliothek oder auch anderer Orte als Dritte Orte lässt sich wunderbar mit dem Gedanken einer „School as a Service“ verbinden. Die Idee dahinter stammt von der Aalto-Universität in Otaniemi, einem Stadtteil von Espoo in Finnland, wo sich auch der „Prototyp“ befindet, und geht davon aus, dass die Attraktivität einer Gemeinde eng mit einer lokalen kulturellen Identität zusammenhängt, die wiederum eng mit Möglichkeiten zur Nutzerzentrierung und Ko-Kreativität durch die Bürgerinnen und Bürger zusammenhängt. Der Gedanke ist es daher kommunale Einrichtungen zu vernetzen und zu öffnen. Schule spielt dabei eine zentrale Rolle und nebenbei entstehen interessante Synergieeffekte, da Räume und Orte intensiver, multifunktionaler und damit effizienter genutzt werden.

Vereinfacht heißt das zum Beispiel, dass an einer weiterführenden Schule ein Makerspace mit Werkstatträumen besteht, die am Vormittag von der Schule genutzt werden, am Nachmittag in hybriden Formen mit Schülerinnen und Schülern und Menschen von außerhalb des Schulbetriebes, die dort Angebote unter anderem für Schülerinnen und Schüler machen. Und am Abend stehen die Möglichkeiten dort der ganzen Kommune zur Verfügung, z.B. als Repair-Cafe. Genauso nutzen die Schülerinnen und Schüler aber auch andere Orte und Gebäude der Gemeinde, zum Beispiel das Bürgerhaus für Musikproben, das Rathaus für Schülerratssitzungen, natürlich Sportgelände, das Haus des lebenslangen Lernens, Büchereien und Museen, vielleicht aber auch städtische Werkstätten und ganz sicher die Kinder- und Jugendfarm.

Da wir gerade hier sind, erlauben Sie mir noch ein paar Worte dazu, warum gerade die Dreieichhörnchen ein relevanter Lernort sind. Kinder- und Jugendfarmen bieten zwei Dinge, die Schulen so nicht bieten können, nämlich unmittelbare Begegnungen mit der Natur und freies Spiel, beides so wichtig in unserer immer stärker technisierten und urbanisierten Welt. Auch wenn wir an der Schule Umweltklassen mit Ackerbau haben und selbst wenn wir Bewertungen in den Hintergrund rücken, können wir aufgrund des rechtlichen Rahmens keinen Ort für so viel selbstwirksame freie und kreative Entfaltung für Kinder bieten, wie die „Hörnchen“. Gerade Schülerinnen und Schüler, die im Kontext von Schule vielleicht nicht so gute Erfahrungen machen, können hier Selbstwirksamkeit und Resonanz erfahren. Das freie Spiel hat einen unschätzbaren Wert für die Entfaltung von Zukunftskompetenzen und das soziale Lernen, dass es einen eigenen Vortrag wert wäre. Daher müssen Kinder- und Jugendfarmen und andere Orte zur Begegnung mit der Natur und zum freien Spiel integrale Bestandteile in modernen kommunalen Bildungsnetzwerken sein! Wenn ich könnte, wie ich will, würde ich jeden Tag einen Bus voll Kinder von der Weibelfeldschule hierher schicken!

Natürlich muss so ein Netzwerk organisiert werden, braucht eine digitale und analoge Infrastruktur und Personal, ich könnte mir aber vorstellen, dass sich das lohnt.

Bei dem beschriebenen Projekt in Finnland bildet die Haukilahti Secondary High School das Zentrum der „School as a Service“, den Hub, also die Organisationszentrale. Hier laufen die Fäden der Vernetzung zusammen.

Den Gedanken der Bildungshubs habe ich Anfang April in meinem Blog schon einmal weiter ausgeführt. Der Hub bündelt Kompetenzen und ist eine Organisationszentrale für ein kommunales Bildungsnetzwerk. Hier finden sich pädagogische, medizinische, therapeutische, technische und andere Expertinnen und Experten, die sich dezentralisiert nicht „lohnen“, genauso wie spezialisierte Orte, wie Werkstätten oder kulturelle Einrichtungen. Hier sind aber auch die anderen kommunalen Bildungs- und Nicht-Bildungseinrichtungen angedockt, die das Netzwerk in die Kommune tragen.

Lassen Sie uns die disruptiven Veränderungen, wie Klimawandel, Künstliche Intelligenz, demografischer Wandel usw., die das 21. Jahrhundert mit sich bringt und die Veränderungen im Bildungssystem, wie Digitalisierung, Erzieher- und Lehrkräftemangel, Bildung für nachhaltige Entwicklung, den Ganztag usw. zum Anlass nehmen, Bildung und Kommune neu zu denken und zukunftsfähig zu machen. Wir müssen uns neu ausrichten, wenn wir weiter ein schönes Leben führen wollen, wir müssen wieder enger zusammenrücken und Solidarität und Gemeinschaft pflegen. Und wo macht es mehr Sinn anzufangen als bei den Kindern und Jugendlichen?

Im Grunde gilt auch heute noch, auch wenn wir das vielleicht vergessen hatten, das afrikanische Sprichwort: Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf!

Hier gibt es die zugehörige Präsentation:

[Ein besonderer Dank geht an Michael Pallesche und die Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe für Inspirationen!]

2024-17: Organisieren wir unsere Schulen unterkomplex?

Dies wird kein langer Text, aber hoffentlich ein interessanter Diskursbeitrag zu einer Thematik, die mich schon länger beschäftigt.

Wir schreiben in den Schulen und das scheint natürlich grundsätzlich sinnvoll, Konzepte, die uns Orientierung bieten sollen, wie wir mit Herausforderungen umgehen und wie Arbeitsabläufe organisiert sind. Es gibt Konzepte gegen Drogenmissbrauch, gegen Gewalt oder sexualisierte Gewalt, gegen Absentismus, zur Mediennutzung oder für soziales Lernen usw. Diese Konzepte stehen dann nebeneinander und erfüllen leider nicht immer ihren Zweck.‘

Das hat meiner Meinung nach zwei wesentliche Ursachen.

Zum einen werden diese Konzepte meist von kleinen Gruppen, der Schulleitung oder aus den Ministerien entwickelt und sie kommen bei den Lehrkräften nicht wirklich an, weil diese keine Co-Agency, keine „Mitwirksamkeit“ entfalten, platt gesagt, weil diejenigen, die die Konzepte ausführen sollen, nicht mitgenommen werden (und außerdem in den konkreten Situationen der Vorstellung und Umsetzung mit viel zu vielen anderen Dingen und Prioritäten des überfrachteten Schulalltags beschäftigt sind). So entfalten die Konzepte keine Wirksamkeit im Schulleben und im Unterricht und werden im ungünstigsten Fall als Belastung wahrgenommen.

Zum anderen werden hier Themen auseinanderdividiert, die eigentlich zusammen gehören. Das macht die Sache anscheinend einfacher, verfehlt aber den Punkt. Wer Probleme mit Drogen oder Medien hat, neigt unter Umständen zu mehr Gewalt oder Absentismus. Und am Ende sind die Ursachen für Suchtverhalten oder Herausforderungen im Verhalten immer individuell und daher schwer „konzeptierbar“.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was aus dieser Analyse folgt?
Ich glaube, wir müssen all diese Aspekte zusammen denken, was leider eine hochkomplexe Herausforderung ist. Wir leben eben in einer immer komplexeren Welt (Vgl. Newsletter 02 zur VUCA-Welt). Wenn wir den größer werdenden Herausforderungen begegnen wollen, brauchen wir eine Art „Meta-Konzept“, welches unsere Aufgaben vernetzt und agil bleibt, welches außerdem noch an der Haltung aller Teile der Schulgemeinschaft ansetzt und daher auch von diesen erarbeitet und immer wieder neu evaluiert und verhandelt werden muss. Alle Konzepte sind sinnlos, wenn sie nicht von der Schulgemeinschaft getragen werden. Das ist schwierig und bedarf Ressourcen und externer Expertise, aber es könnte sich lohnen. Oder?

Nachträge:
Im weiteren Sinne passt auch dieser Beitrag von Florian Nuxoll, in dessen Subtext deutlich wird, dass die größten Veränderungen erst anstehen: https://www.campus-schulmanagement.de/magazin/kolumne/zu-viele-reformen-und-veraenderungen-in-den-schulen-die-groesste-veraenderung-kommt-erst-noch.

Newsletter 15, 17.15.2024

Liebe Schulgemeinschaft,

in unserer Schule tut sich was.
Im Sinne von Transparenz, möchte ich in diesem Newsletter einen Einblick geben, mit was wir uns in der Schule, neben dem Unterricht, noch beschäftigen. Ich will verdeutlichen, dass wir uns Entscheidungen nicht leicht machen, dass wir versuchen diese möglichst partizipativ zu treffen und ausführlich diskutieren. Ich möchte dies anhand der Debatte und Organisation des Schulfestes exemplarisch darstellen.
Eine Gruppe engagierter Kolleginnen und Kollegen plant gerade gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern, Eltern und dem Förderverein unser Schulfest. Das ist toll. Das tun diese Menschen zusätzlich zu all ihren anderen Aufgaben, weil sie der Meinung sind, dass ein Schulfest wichtig ist. Ein Schulfest ist wichtig für die Gemeinschaft, gemeinsam feiern stärkt den Zusammenhalt und macht Schule zu einem schöneren Ort. Das sehe ich ganz genauso. Dass das nicht ganz selbstverständlich ist, zeigte ein kurze Diskussion auf der letzten Gesamtkonferenz, ob wir es schaffen unter den aktuellen Belastungszuständen überhaupt ein Schulfest zu organisieren. Es war wirkliche eine kurze Diskussion und es hat sich sehr schnell eine Gruppe Lehrkräfte gefunden, die die Organisation übernehmen wollte.
So weit, so klar. Lassen sie uns aber etwas tiefer in das Thema eintauchen. So klar und einfach ist das nämlich bei näherer Betrachtung und genauerer Planung gar nicht. Es geht darum Kinder und Jugendliche von 11 bis 20 Jahren, verschiedene Erwachsene, verschiedene Identitäten und Interessen, verschieden Bedürfnisse und verschiedene Erwartungen unter einen Hut zu bringen. Es soll Spaß machen und darf nicht zu viel Aufwand sein, es muss bei jedem Wetter durchführbar sein, es soll in der Klasse etwas vorbereitet werden, aber so, dass der sonstige Schulbetrieb weiterlaufen kann. Es muss etwas zu essen und zu trinken geben, darf aber nicht zu kostspielig sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen Gestaltende, Akteure aber auch Konsumierende sein. Die Eltern sollen etwas davon haben und für die Lehrkräfte muss alles auch noch leistbar sein, neben der Aufsicht usw.
Es wird also klar, ein Fest von und für 1.700 Schülerinnen und Schülern, 150 Lehrkräften und weitere Akteuren, – ich will keinesfalls die Leistung der Sekretariate, der Hausmeister, des SEB, einiger Eltern und des Fördervereins vergessen – ist ein größeres Unterfangen.
Zu all diesen eher logistischen Herausforderungen, mit denen Schule reichlich Erfahrung hat, kommt aber noch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, die zunehmend zurecht an Relevanz gewinnt. Zu einem ordentlichen Schulfest gehört eigentlich ein Motto, ein Thema, etwas, was als Klammer und Orientierung bei der Gestaltung dient. Was liegt, gerade für eine Gesamtschule im Rhein-Main-Gebiet, näher, als Vielfalt und Buntheit zu feiern. Schule (und auch eine Gesellschaft) lebt von gegenseitiger Anerkennung. Ganz im Sinne von Artikel 1 unseres Grundgesetzes sind alle Mitglieder der Schulgemeinschaft mit einer unverletzlichen Würde ausgestattet und gleichberechtigt. Also können wir doch einfach die Vielfalt feiern, indem wir jeder Klasse ein Land zuweisen, welches sie auf dem Fest repräsentiert und an dessen Kultur sich der Klassenbeitrag zum Fest im Sinne des olympischen Gedankens orientieren kann. Und jetzt wird es kompliziert. (und da spare ich mir die akademische Auseinandersetzung um den speziellen deutschen Kulturbegriff).
Kann man aber einfach jedes Land nehmen? Wie soll die Kultur eines Landes repräsentiert werden? Reduziert sich das auf Essen? Kann ich mich in einer vermeintlich tradierten Bekleidung verkleiden (kulturelle Aneignung)? Wie trenne ich eine Kultur und die Bevölkerung von einem despotischen Regime? Wie gehe ich mit anderen kulturellen Vorstellungen um? Gar mit solchen, die nicht zu unserer eurozentrischen Kultur passen wollen?
Bietet sich hier jetzt eine Chance für interkulturelles Lernen oder Raum für sozialen und interkulturellen Sprengstoff?
Wir haben uns intensiv und kontrovers mit diesen Fragen auseinandergesetzt und sind zu dem Entschluss gekommen, das Fest wie geplant, also jede Klasse „vertritt“ ein Land und wir betrachten das als Chance für interkulturelle Lernprozesse, indem, ganz im Sinne des Beutelspacher Konsenses, Kontroversen als solche benannt und thematisiert werden. Der Leitgedanke bleibt die Unverletzlichkeit der Würde der Menschen und der daraus folgende gegenseitige Respekt voreinander. Wir sind der Meinung, dass Schule ein Spiegelbild der Gesellschaft ist, natürlich in einem geschützten Raum, was aber nicht bedeutet, dass gesellschaftliche Kontroversen aus der Schule herausgehalten werden sollten. Probleme und Kontroversen nicht zu thematisieren, verschärft diese und das kann nicht unser Bildungsauftrag sein. Ich fordere Sie alle auf den Diskurs zu führen, auf Augenhöhe, mit Respekt und mit pädagogischem Geschick. Dann gelingen interkulturelle Lernprozesse.

Ihr

Erik Grundmann

Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:

• Interessantes
Anscheinend gibt es mal wieder einen neuen und nicht ungefährlichen Social-Media-Trend. Dieses Mal betrifft es WhatsApp und die Auffassung riesigen Gruppen beizutreten: https://web.de/magazine/digital/achtung-gefahr-warnung-whatsapp-trend-39601316.
Ein interessanter Beitrag zur Handy-Debatte aus der Washington Post: https://www.washingtonpost.com/nation/2024/05/01/school-cellphones-confiscate/. Übersetzen lässt sich der Artikel direkt in manchen Browsern oder gut mit der in Deutschland entwickelten KI DeepL: https://www.deepl.com/de/translator.
Bei t3n gibt es einen informativen Artikel zu Sucht und sozialen Medien: https://t3n.de/news/tiktok-instagram-reels-youtube-shorts-sucht-1622377/.
Lesenswertes Interview mit John Hattie und Klaus Zierer in der Augsburger Allgemeinen: https://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/interview-john-hattie-eltern-muessen-die-liebe-zum-lernen-wecken-id70622496.html. Zitat Hattie daraus: „Ich bin übrigens auch erstaunt darüber, dass das deutsche System zu wissen glaubt, was ein elf- oder zwölfjähriger Schüler im Alter von 30 Jahren können wird, und ihn entsprechend einer Schulart zuteilt. Und ich bin bestürzt darüber, wie unglaublich viel Erfolg verloren geht, indem man Kindern einen Stempel verpasst.“
Ich tausche mich gelegentlich anregend mit Michael Drabe über Schulentwicklung und neuerdings zunehmend über (social) Media aus, hier ein interessanter Beitrag von ihm zu Leitbildern in der Schule: https://schule-in-der-digitalen-welt.de/leitbilder-update/.
Wichtige Gedanken zum immer wichtiger werdenden Komplex der Alltagsbildung als Grundlage für formale Bildungsprozesse bei der BpB: https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/149483/bildung-ist-mehr-als-schule-alltagsbildung/.
Die „Blackout-Challenge“ auf TikTok ist nach wie vor gefährlich und präsent: https://www.spiegel.de/panorama/bildung/gefaehrliche-mutprobe-in-berlin-maedchen-ohnmaechtig-auf-schulhof-a-aeaeefc0-e330-4a3d-b5e8-4d261643fc74?sara_ref=re-so-app-sh.
Andreas Gold von der Uni-Frankfurt zu digitalem Lesen: https://aktuelles.uni-frankfurt.de/unireport/nicht-das-lesemedium-macht-den-unterschied/.
Das neue Magazin Bildung+ des Freidrich-Verlages: https://viewer.ipaper.io/friedrich-verlag/bildung/bildung-schule-digital-12024/?page=1.
Neue Studie des ifo-Institutes, die in der letzten Woche in den Medien war, zu ungleichen Bildungschancen in den Bundesländern: https://www.ifo.de/sites/default/files/events/Wgcjdnxkabshf80d0dsd00.pdf.
Im aktuellen Heft des EdTech-Verbandes gibt es zahlreiche Angebote für Fortbildung, Tools und mehr: https://www.avr-emags.de/emags/EdTech-Verband/Bildungsangebote-24/#0.

• KI
Open AI hat am 13. Mai GPT-4o (o für „omni“) vorgestellt. Neu ist die neue Dimension in der Multimodalität. Bilder, Text und Spracheingabe und -ausgabe funktionieren jetzt nahezu in Echtzeit. Was das für das Lernen mit tutoriellen Systemen bedeutet, demonstrieren Sal und Imran Khan in diesem Youtube-Video: https://www.youtube.com/watch?v=_nSmkyDNulk. (Übrigens ziemlich genau ein Jahr, nachdem Sal Khan in seinem berühmten TED-Talk Khanmigo vorgestellt hat).
Ein kurze Zusammenfassung der Neuigkeiten von GPT-4o gibt es hier: https://the–decoder-de.cdn.ampproject.org/c/s/the-decoder.de/openai-kuendigt-gpt-4o-als-neues-spitzenmodell-mit-audio-und-bildfunktionen-an/?amp=1. Die Originalinformationen von OpenAI gibt es hier: https://openai.com/index/spring-update/.
Oben wurde schon der Übersetzer von DeepL vorgestellt. DeepL hat aber auch ein Tool zur orthografischen und stilistischen Optimierung von Texten: https://www.deepl.com/write.
Der Bayerische Realschulkollege Kai Wörner beschäftigt sich in diesem Aufsatz mit der Veränderung des Bildverständnisses durch Deepfakes: https://www.brlv.de/media/media/Wie%20Deepfakes%20unser%20Bildverst%C3%A4ndnis%20herausfordern.pdf.
Ein Artikel aus der NZZ, der viel Aufsehen erregt hat, über einen Schüler, der Faust nicht gelesen hat, aber durch Lernen mit KI eine erfolgreiche Arbeit geschrieben hat: https://epaper.nzz.ch/article/6/6/2024-05-06/11/328144863.

• Hörempfehlung
Der schon mehrfach in diesem Newsletter aufgetauchte Kollege Florian Nuxoll ist Host des von der Westermann-Akademie betriebenen Podcasts „Doppelstunde“ mit zahlreichen interessanten Episoden zum digitalen Lernen: https://www.westermann.de/landing/westermann-akademie/doppelstunde.

• Tipps für den Unterricht
Hier finden sich 20 Teambildungsaktivitäten für Schülerinnen und Schüler (auf Englisch): https://www.educatorstechnology.com/2023/07/team-building-activities-for-kids.html.
Hier gibt es alle wichtigen Informationen zum so genannten „Churer Modell“, eine andere Form des Classroom-Managements und -Settings: https://churermodell.ch/index.php/konzept.
https://historycityapps.org/ bietet immersive Zugänge zu historischen Stadtlandschaften, evtl. interessant für den Geschichtsunterricht oder für Klassenfahrten in diese Städt.
Wer es noch nicht weiß, unsere Stadt hat einen Kräutergarten mit einem grünen Klassenzimmer für Lehrveranstaltungen: https://www.op-online.de/region/dreieich/dreieicher-kraeutergarten-praesentiert-gruenes-klassenzimmer-93046221.html.
Frau Försch hat sechs Anwendungsbeispiele für Taskcards (wir haben ein Schullizenz!) gesammelt: https://fraufoersch.com/2023/05/08/taskcards-6-anwendungsbeispiele/.

• Sehempfehlung
Im Rahmen des interessanten Youtube-Kanals „Lernräume entwickeln“ geht es im weitesten Sinne um Schularchitektur: https://www.youtube.com/@lernraumeentwickelnonline2551. Die neueste Ausgabe mit der großartigen Rahel Tschopp aus der Schweiz beschäftigt sich mit Schultoiletten: https://www.youtube.com/watch?v=zO8vrhu3TlE.

• Leseempfehlung
Wer einen schnelle Überblick über Entstehung, Chancen und Gefahren von KI möchte, dem oder der empfehle ich: Larissa Holzki, Stephan Scheuer: Inside KI: Wie Künstliche Intelligenz und ihre Pioniere unser Leben und Arbeiten revolutionieren, Freiburg im Breisgau 2024.

• Spaß im Netz
https://winweb.w-hs.de/.
Eine Alternative zum Jugendwort des Jahres kann man hier wählen: https://www.tiktok.com/@levihallo/video/7368057013198212384.