Newsletter 15, 17.15.2024

Liebe Schulgemeinschaft,

in unserer Schule tut sich was.
Im Sinne von Transparenz, möchte ich in diesem Newsletter einen Einblick geben, mit was wir uns in der Schule, neben dem Unterricht, noch beschäftigen. Ich will verdeutlichen, dass wir uns Entscheidungen nicht leicht machen, dass wir versuchen diese möglichst partizipativ zu treffen und ausführlich diskutieren. Ich möchte dies anhand der Debatte und Organisation des Schulfestes exemplarisch darstellen.
Eine Gruppe engagierter Kolleginnen und Kollegen plant gerade gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern, Eltern und dem Förderverein unser Schulfest. Das ist toll. Das tun diese Menschen zusätzlich zu all ihren anderen Aufgaben, weil sie der Meinung sind, dass ein Schulfest wichtig ist. Ein Schulfest ist wichtig für die Gemeinschaft, gemeinsam feiern stärkt den Zusammenhalt und macht Schule zu einem schöneren Ort. Das sehe ich ganz genauso. Dass das nicht ganz selbstverständlich ist, zeigte ein kurze Diskussion auf der letzten Gesamtkonferenz, ob wir es schaffen unter den aktuellen Belastungszuständen überhaupt ein Schulfest zu organisieren. Es war wirkliche eine kurze Diskussion und es hat sich sehr schnell eine Gruppe Lehrkräfte gefunden, die die Organisation übernehmen wollte.
So weit, so klar. Lassen sie uns aber etwas tiefer in das Thema eintauchen. So klar und einfach ist das nämlich bei näherer Betrachtung und genauerer Planung gar nicht. Es geht darum Kinder und Jugendliche von 11 bis 20 Jahren, verschiedene Erwachsene, verschiedene Identitäten und Interessen, verschieden Bedürfnisse und verschiedene Erwartungen unter einen Hut zu bringen. Es soll Spaß machen und darf nicht zu viel Aufwand sein, es muss bei jedem Wetter durchführbar sein, es soll in der Klasse etwas vorbereitet werden, aber so, dass der sonstige Schulbetrieb weiterlaufen kann. Es muss etwas zu essen und zu trinken geben, darf aber nicht zu kostspielig sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen Gestaltende, Akteure aber auch Konsumierende sein. Die Eltern sollen etwas davon haben und für die Lehrkräfte muss alles auch noch leistbar sein, neben der Aufsicht usw.
Es wird also klar, ein Fest von und für 1.700 Schülerinnen und Schülern, 150 Lehrkräften und weitere Akteuren, – ich will keinesfalls die Leistung der Sekretariate, der Hausmeister, des SEB, einiger Eltern und des Fördervereins vergessen – ist ein größeres Unterfangen.
Zu all diesen eher logistischen Herausforderungen, mit denen Schule reichlich Erfahrung hat, kommt aber noch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, die zunehmend zurecht an Relevanz gewinnt. Zu einem ordentlichen Schulfest gehört eigentlich ein Motto, ein Thema, etwas, was als Klammer und Orientierung bei der Gestaltung dient. Was liegt, gerade für eine Gesamtschule im Rhein-Main-Gebiet, näher, als Vielfalt und Buntheit zu feiern. Schule (und auch eine Gesellschaft) lebt von gegenseitiger Anerkennung. Ganz im Sinne von Artikel 1 unseres Grundgesetzes sind alle Mitglieder der Schulgemeinschaft mit einer unverletzlichen Würde ausgestattet und gleichberechtigt. Also können wir doch einfach die Vielfalt feiern, indem wir jeder Klasse ein Land zuweisen, welches sie auf dem Fest repräsentiert und an dessen Kultur sich der Klassenbeitrag zum Fest im Sinne des olympischen Gedankens orientieren kann. Und jetzt wird es kompliziert. (und da spare ich mir die akademische Auseinandersetzung um den speziellen deutschen Kulturbegriff).
Kann man aber einfach jedes Land nehmen? Wie soll die Kultur eines Landes repräsentiert werden? Reduziert sich das auf Essen? Kann ich mich in einer vermeintlich tradierten Bekleidung verkleiden (kulturelle Aneignung)? Wie trenne ich eine Kultur und die Bevölkerung von einem despotischen Regime? Wie gehe ich mit anderen kulturellen Vorstellungen um? Gar mit solchen, die nicht zu unserer eurozentrischen Kultur passen wollen?
Bietet sich hier jetzt eine Chance für interkulturelles Lernen oder Raum für sozialen und interkulturellen Sprengstoff?
Wir haben uns intensiv und kontrovers mit diesen Fragen auseinandergesetzt und sind zu dem Entschluss gekommen, das Fest wie geplant, also jede Klasse „vertritt“ ein Land und wir betrachten das als Chance für interkulturelle Lernprozesse, indem, ganz im Sinne des Beutelspacher Konsenses, Kontroversen als solche benannt und thematisiert werden. Der Leitgedanke bleibt die Unverletzlichkeit der Würde der Menschen und der daraus folgende gegenseitige Respekt voreinander. Wir sind der Meinung, dass Schule ein Spiegelbild der Gesellschaft ist, natürlich in einem geschützten Raum, was aber nicht bedeutet, dass gesellschaftliche Kontroversen aus der Schule herausgehalten werden sollten. Probleme und Kontroversen nicht zu thematisieren, verschärft diese und das kann nicht unser Bildungsauftrag sein. Ich fordere Sie alle auf den Diskurs zu führen, auf Augenhöhe, mit Respekt und mit pädagogischem Geschick. Dann gelingen interkulturelle Lernprozesse.

Ihr

Erik Grundmann

Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:

• Interessantes
Anscheinend gibt es mal wieder einen neuen und nicht ungefährlichen Social-Media-Trend. Dieses Mal betrifft es WhatsApp und die Auffassung riesigen Gruppen beizutreten: https://web.de/magazine/digital/achtung-gefahr-warnung-whatsapp-trend-39601316.
Ein interessanter Beitrag zur Handy-Debatte aus der Washington Post: https://www.washingtonpost.com/nation/2024/05/01/school-cellphones-confiscate/. Übersetzen lässt sich der Artikel direkt in manchen Browsern oder gut mit der in Deutschland entwickelten KI DeepL: https://www.deepl.com/de/translator.
Bei t3n gibt es einen informativen Artikel zu Sucht und sozialen Medien: https://t3n.de/news/tiktok-instagram-reels-youtube-shorts-sucht-1622377/.
Lesenswertes Interview mit John Hattie und Klaus Zierer in der Augsburger Allgemeinen: https://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/interview-john-hattie-eltern-muessen-die-liebe-zum-lernen-wecken-id70622496.html. Zitat Hattie daraus: „Ich bin übrigens auch erstaunt darüber, dass das deutsche System zu wissen glaubt, was ein elf- oder zwölfjähriger Schüler im Alter von 30 Jahren können wird, und ihn entsprechend einer Schulart zuteilt. Und ich bin bestürzt darüber, wie unglaublich viel Erfolg verloren geht, indem man Kindern einen Stempel verpasst.“
Ich tausche mich gelegentlich anregend mit Michael Drabe über Schulentwicklung und neuerdings zunehmend über (social) Media aus, hier ein interessanter Beitrag von ihm zu Leitbildern in der Schule: https://schule-in-der-digitalen-welt.de/leitbilder-update/.
Wichtige Gedanken zum immer wichtiger werdenden Komplex der Alltagsbildung als Grundlage für formale Bildungsprozesse bei der BpB: https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/149483/bildung-ist-mehr-als-schule-alltagsbildung/.
Die „Blackout-Challenge“ auf TikTok ist nach wie vor gefährlich und präsent: https://www.spiegel.de/panorama/bildung/gefaehrliche-mutprobe-in-berlin-maedchen-ohnmaechtig-auf-schulhof-a-aeaeefc0-e330-4a3d-b5e8-4d261643fc74?sara_ref=re-so-app-sh.
Andreas Gold von der Uni-Frankfurt zu digitalem Lesen: https://aktuelles.uni-frankfurt.de/unireport/nicht-das-lesemedium-macht-den-unterschied/.
Das neue Magazin Bildung+ des Freidrich-Verlages: https://viewer.ipaper.io/friedrich-verlag/bildung/bildung-schule-digital-12024/?page=1.
Neue Studie des ifo-Institutes, die in der letzten Woche in den Medien war, zu ungleichen Bildungschancen in den Bundesländern: https://www.ifo.de/sites/default/files/events/Wgcjdnxkabshf80d0dsd00.pdf.
Im aktuellen Heft des EdTech-Verbandes gibt es zahlreiche Angebote für Fortbildung, Tools und mehr: https://www.avr-emags.de/emags/EdTech-Verband/Bildungsangebote-24/#0.

• KI
Open AI hat am 13. Mai GPT-4o (o für „omni“) vorgestellt. Neu ist die neue Dimension in der Multimodalität. Bilder, Text und Spracheingabe und -ausgabe funktionieren jetzt nahezu in Echtzeit. Was das für das Lernen mit tutoriellen Systemen bedeutet, demonstrieren Sal und Imran Khan in diesem Youtube-Video: https://www.youtube.com/watch?v=_nSmkyDNulk. (Übrigens ziemlich genau ein Jahr, nachdem Sal Khan in seinem berühmten TED-Talk Khanmigo vorgestellt hat).
Ein kurze Zusammenfassung der Neuigkeiten von GPT-4o gibt es hier: https://the–decoder-de.cdn.ampproject.org/c/s/the-decoder.de/openai-kuendigt-gpt-4o-als-neues-spitzenmodell-mit-audio-und-bildfunktionen-an/?amp=1. Die Originalinformationen von OpenAI gibt es hier: https://openai.com/index/spring-update/.
Oben wurde schon der Übersetzer von DeepL vorgestellt. DeepL hat aber auch ein Tool zur orthografischen und stilistischen Optimierung von Texten: https://www.deepl.com/write.
Der Bayerische Realschulkollege Kai Wörner beschäftigt sich in diesem Aufsatz mit der Veränderung des Bildverständnisses durch Deepfakes: https://www.brlv.de/media/media/Wie%20Deepfakes%20unser%20Bildverst%C3%A4ndnis%20herausfordern.pdf.
Ein Artikel aus der NZZ, der viel Aufsehen erregt hat, über einen Schüler, der Faust nicht gelesen hat, aber durch Lernen mit KI eine erfolgreiche Arbeit geschrieben hat: https://epaper.nzz.ch/article/6/6/2024-05-06/11/328144863.

• Hörempfehlung
Der schon mehrfach in diesem Newsletter aufgetauchte Kollege Florian Nuxoll ist Host des von der Westermann-Akademie betriebenen Podcasts „Doppelstunde“ mit zahlreichen interessanten Episoden zum digitalen Lernen: https://www.westermann.de/landing/westermann-akademie/doppelstunde.

• Tipps für den Unterricht
Hier finden sich 20 Teambildungsaktivitäten für Schülerinnen und Schüler (auf Englisch): https://www.educatorstechnology.com/2023/07/team-building-activities-for-kids.html.
Hier gibt es alle wichtigen Informationen zum so genannten „Churer Modell“, eine andere Form des Classroom-Managements und -Settings: https://churermodell.ch/index.php/konzept.
https://historycityapps.org/ bietet immersive Zugänge zu historischen Stadtlandschaften, evtl. interessant für den Geschichtsunterricht oder für Klassenfahrten in diese Städt.
Wer es noch nicht weiß, unsere Stadt hat einen Kräutergarten mit einem grünen Klassenzimmer für Lehrveranstaltungen: https://www.op-online.de/region/dreieich/dreieicher-kraeutergarten-praesentiert-gruenes-klassenzimmer-93046221.html.
Frau Försch hat sechs Anwendungsbeispiele für Taskcards (wir haben ein Schullizenz!) gesammelt: https://fraufoersch.com/2023/05/08/taskcards-6-anwendungsbeispiele/.

• Sehempfehlung
Im Rahmen des interessanten Youtube-Kanals „Lernräume entwickeln“ geht es im weitesten Sinne um Schularchitektur: https://www.youtube.com/@lernraumeentwickelnonline2551. Die neueste Ausgabe mit der großartigen Rahel Tschopp aus der Schweiz beschäftigt sich mit Schultoiletten: https://www.youtube.com/watch?v=zO8vrhu3TlE.

• Leseempfehlung
Wer einen schnelle Überblick über Entstehung, Chancen und Gefahren von KI möchte, dem oder der empfehle ich: Larissa Holzki, Stephan Scheuer: Inside KI: Wie Künstliche Intelligenz und ihre Pioniere unser Leben und Arbeiten revolutionieren, Freiburg im Breisgau 2024.

• Spaß im Netz
https://winweb.w-hs.de/.
Eine Alternative zum Jugendwort des Jahres kann man hier wählen: https://www.tiktok.com/@levihallo/video/7368057013198212384.

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