2024-26: Warum solltest du Lehrer:in werden?

DALL-E: Ein Lehrer zeigt einem Schüler die Zukunft, das Wissen und die Welt.

Vorbemerkung: Eine Reihe von bildungsaffinen Bloggern hat sich zum Ziel gesetzt, 2024 häufiger thematisch gemeinsam zu bloggen. Die Themenvorschläge werden an dieser Stelle gesammelt, (möglichst) alle Beiträge zum aktuellen Thema sind unter dem Beitrag zu finden. Wer sich beteiligen möchte, aber keinen Blog hat, kann gerne einen Beitrag einreichen – er wird dann als Gastbeitrag publiziert. Dies ist die achte Runde.

Wir haben Klimawandel, Lehrkräftemangel, Populismus, Extremismus, Antisemitismus, Islamismus, Spaltung der Gesellschaft, demografischem Wandel, Rentenlücke, Pay-Gap, Extremwetter, VW-Krise, Krieg in der Ukraine, Krise in Nahost, Politikverdrossenheit, Alkoholismus, Femizide und zahllose weitere Probleme.
Das ist eine schreckliche Bilanz und die Zukunft könnte bitter werden.
Meiner Meinung nach gibt es nur ein wirkliches Gegenmittel, um all diesen Herausforderungen zu begegnen: Bildung!
Wie hat schon John F. Kennedy gesagt: „Es gibt nur eins was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.

Zugegeben: Aktuell ist der Ruf der Lehrkraft etwas ramponiert. Das Klischee sagt, Lehrkräfte sind faul, unflexibel, mürrisch, kinder- und innovationsfeindlich, sie haben nachmittags frei und das ganze Jahr Ferien, sie wissen alles besser und fühlen sich ständig angegriffen. Wie bei jedem Klischee ist auch sicher an diesem etwas dran, aber die deutliche Mehrheit der Lehrkräfte gibt alles und noch mehr, um eine immer herausfordernder werdende Schülerschaft für eine immer unsicherere Zukunft zu bilden.
Zugegeben: Im Moment fehlen an allen Ecken und Enden ausgebildete Lehrkräfte, gleichzeitig werden immer mehr bürokratische und rechtliche Hürden für den schulischen Alltag aufgebaut, die Korrekturen werden mehr und anstrengender und die physische und psychische Belastung steigt.
Zugegeben: Es gibt an Schulen einen Investitionsstau von 55 Mrd. Euro, viele Gebäude sind marode, die Digitalisierung stockt, KI kommt nur langsam an, es gibt kaum ordentliche Arbeitsplätze an Schule, geschweige denn vernünftige Rückzugsorte.
Zugegeben: Das sind alles keine guten Gründe Lehrer:in zu werden! Oder doch?

Gerade weil die Situation im Schulsystem aktuell herausfordernd und global erschreckend ist, ist es erst recht sinnvoll Lehrerin oder Lehrer zu werden!

Innerhalb des Systems Schule muss sich in der nächsten Zeit vieles verändern (warum habe ich hier schon einmal beschrieben) und dazu braucht es frische und innovative Kräfte, die Lust am Verändern und Gestalten haben. Für mich ist das eine attraktive Perspektive. Das „klassische“ Verständnis von Bildung, Lernen und Schule gerät durch die wachsende Heterogenität und Singularisierung in der Gesellschaft, durch das exponentielle Wachstum des Wissens und nicht zuletzt durch Künstliche Intelligenz und Digitalität zunehmend unter Druck. Darauf muss das Schulsystem reagieren und individualisierte selbstgesteuerte Lernsettings in attraktiven Lernumgebungen schaffen. Diese müssen offen für projektorientiertes, selbstwirksames und fachdomänenverbindendes Lernen sein. Lehrkräfte müssen zu Lernbegleitenden werden, die das individuelle Potential der Lernenden entfalten und deren Kompetenzzuwachs im Sinne eines Growth Mindsets begleiten. Das sind grundstürzende Veränderungen, nach denen Schule nicht mehr mit den aktuellen Bildungsanstalten vergleichbar ist. Ich glaube sogar, dass dieser Prozess noch weiter gehen muss und Schule Teil einer kommunalen Bildungslandschaft für lebenslanges lernen werden muss (mehr dazu hier und hier)

Und auch außerhalb des Systems Schule muss sich vieles verändern, wenn wir eine lebenswerte und enkelfähige Zukunft für unseren Planeten wollen. Auch dafür ist Bildung der Schlüssel. Wir müssen wegkommen vom Primat der Wissensvermittlung, hin zu einem Primat der Menschenbildung. Dazu gehört die Vermittlung von Demokratie, die wir zu verlernen drohen (mehr dazu hier), dazu gehört soziales Lernen, die Vermittlung von Empathiefähigkeit und der Respekt vor der Würde aller Menschen, was übrigens alle Schulgesetze unisono fordern. Dazu gehört das Erlernen von Resilienz, eine umfassende Medienbildung im Sinne von digital literacy (mehr dazu hier). Schule muss endlich wieder mehr Verantwortung für die Schulung (!) und Bildung (!) einer zukunftsfähigen Gesellschaft übernehmen (mehr dazu hier). Neben den oben beschriebenen Gestaltungsmöglichkeiten des Systems von innen, gibt es also auch eine besondere Relevanz des Jobs als Lehrkraft für die Gesellschaft. Beides spannende und interessante Aspekte, die den Beruf attraktiv machen und erfordern, dass er von den Besten ausgeübt wird. Es gibt meiner Meinung nach wenige relevantere Berufe für unsere Zukunft als den der Lehrkraft. Wer Selbstwirksamkeit und unmittelbares Feedback in einem hochrelevanten Beruf erfahren will, wer aktiv Zukunft gestalten und für unsere Kinder einen Unterschied machen will, sollte Lehrerin oder Lehrer werden!

Nachwort: Vielleicht ist dem Einen oder der Anderen aufgefallen, dass dieser Text mit einigen selbstreferentiellen Links versehen ist. Dies hat sich während des Schreibens ergeben und hat mich angeregt zu hinterfragen, warum das so ist. Ich glaube, ich blogge unter anderem deswegen, weil ich so mein berufliches Handeln immer wieder reflektiere und die Verlinkungen zeigen, dass hier Konsistenz und Kohärenz entstehen. Als gelernter Geisteswissenschaftler denke ich multikausal und in Interdependenzen und in meinen Blogbeiträgen entsteht so mein Bild vom Bildungssystem, seiner Reform und seiner Zukunft. Es wäre vermessen, dieses als vollständig oder wahr zu betrachten, aber es scheint doch bisher in sich stimmig und es es steckt meinen Weg zu einem zukunftsfähigen Bildungsbegriff ab, nach dem ich strebe und für den ich kämpfe: für mich, meine Kinder und unsere Zukunft. Deshalb lohnt es sich für mich Lehrer zu sein und ich würde es wieder tun.

Weitere Beiträge zur Blogparade:

Katharina Mowitz auf Prima(r)blog: https://primar.blog/2024/10/05/warum-heute-noch-lehrkraft-werden/.

Matthias Lausmann als Herr Mess: https://herrmess.de/2024/10/07/runde-8-der-edublogparade-2024/.

Jan-Martin Klinge auf Halbtagsblog: https://halbtagsblog.de/2024/10/08/teekueche-schokoladenbrunnen-heute-noch-lehrkraft-werden/.

Jonas Wagner: https://jonaswagner.de/warum-ich-blogge-von-frust-inspiration-und-einer-kleinen-revolution-im-klassenzimmer/.

Lars Fengler: https://fengler.schule/archive/139.

Gesa auf Learari: https://laerari.com/blogparade-2024-8-warum-lehrkraft-werden/.

Maria Kruse auf k(n)öpfchenkunde: https://xn--kpfchenkunde-4ib.de/2024/10/13/blogparade-8-warum-sollte-man-lehrkraft-werden/.

WfS-01: Prolog – Wie alles begann

An dieser Stelle ist es vielleicht angebracht kurz zu erläutern, warum ich Schule verändern will und wie es zu dieser Einsicht kam:

2007 habe ich nach einem Gymnasiallehramtsstudium mein Referendariat an einer Gesamtschule mit einem typischen Mindset begonnen. Ich kannte Schule aus meiner eigenen Schulzeit und erwartete, dass Schule auch genau so sein müsste. Das heißt im Wesentlichen Frontalunterricht, gelegentlich vielleicht mal eine Gruppenarbeit, Klassenarbeiten und Tests und das „Eintrichtern“ von Wissen; ich stehe vorne und die Schülerinnen und Schüler machen was ich sage. Bis auf Letzteres haben meine anfänglichen Erfahrungen und das Referendariat dieses „fixed“ Mindset nicht verändert.
Nach ein paar Jahren im Job und ein paar Jahren Teilabordnung zur Lehrkräfteausbildung habe ich immer deutlicher ein diffuses Gefühl bekommen, dass das Schulsystem dysfunktionaler wird. Ich spürte, dass das System der Wissensvermittlung, das „Teaching to the Test“ und das Korsett aus Stunden und Fächern nicht mehr passten, konnte das aber noch nicht konkretisieren und fassen.
Der Wendepunkt begann mit der Corona-Pandemie. Ich war zwar schon immer technik- und medienaffin, aber durch Corona begann ich mich stärker online zu vernetzen (Twitter) und es gab plötzlich viele Webinare und andere digitale Veranstaltungen. So wurde ich zu einem der Treiber der Digitalisierung an meiner „alten“ Schule und unsere Bemühungen wurden nicht zuletzt mit dem Preis „genial digital 2020″ gekrönt. Der eigentlich Wendepunkt war dann aber der digitale Deutsche Schulleitungskongress im Mai 2021. Ich wollte mir einen Vortrag von Margret Rasfeld anschauen, der mit einem Hinweis auf den desolaten Zustand unseres Planeten begann. Ich dachte mir: „Das kenne ich schon…“ und habe zum nächsten Vortrag gezappt, den ich dann aber noch langweiliger Fand, also zurück zu Margret Rasfeld, die nach den einleitendenden Worten von der von ihr aufgebauten Evangelischen Gemeinschaftsschule Berlin-Mitte und vom Freiday sprach und danach war für mich alles klar. Meine vorher noch diffusen Reformgedanken waren einigermaßen sortiert und ich bekam eine Vorstellung von Schule im 21. Jahrhundert, d.h. die Lernenden müssen mehr Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen und die Lerngegenstände müssen relevanter werden, Lernen muss individualisiert und in Projekten stattfinden. Fächer, Klassenarbeiten, Noten treten in den Hintergrund, der Mensch und der Lernprozess in den Vordergrund.
Danach begann ich mich aktiver mit Schulreform zu beschäftigen, ich hörte und las vom Dalton-Plan, von der Alemannenschule, von Schule in Skandinavien, auf dem Baltikum, in Singapur und Neuseeland. Ich vertiefte meine Social-Media-Aktivitäten, kam ins Lesen (Empfehlungen hier) und besuchte zahlreiche Online-Veranstaltungen. Und so wurde mir immer klarer das, aber auch wie sich Schule verändern muss.

Ich begann dann diese Ideen auch in meinem Kollegium in Dietzenbach zu kommunizieren und lernte dort schnell, dass nicht alle Lehrkräfte meiner Meinung waren, fand aber auch Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Anfang 2023 habe ich mich dann allerdings auf die Schulleiterstelle in der Weibelfeldschule beworben und wurde damit im Juli beauftragt, sodass ich meine Reformideen nun nach Dreieich verlegt habe.

Am 19. Juli 2023 wurde ich dann, kurz vor den Sommerferien, dem Kollegium der Weibelfeldschule als neuer Schulleiter vorgestellt (korrekterweise muss es heißen, dass ich mit den Dienstobliegenheiten beauftragt wurde). In meiner kurzen Ansprache hatte ich damals betont, dass ich als Lernender komme und mir zunächst die bestehenden Prozesse und Strukturen anschauen will. Das war ein Learning aus meiner letzten Schule: Man darf bei Veränderungsprozessen nicht zu forsch sein.
Ich merkte allerdings schnell, dass es in der Schule einen Wunsch nach Veränderung gab und ich habe gerne immer wieder angedeutet, dass ich dafür offen bin. Wie es dann im ersten Jahr an der Weibelfeldschule weiterging, ist Thema des nächsten Blogbeitrags.

2024-23: Schule & Leben (Teil einer Blogparade)

Vorbemerkung: Eine Reihe von bildungsaffinen Bloggern hat sich zum Ziel gesetzt, 2024 häufiger thematisch gemeinsam zu bloggen. Die Themenvorschläge werden an dieser Stelle gesammelt, (möglichst) alle Beiträge zum aktuellen Thema sind unter dem Beitrag zu finden. Wer sich beteiligen möchte, aber keinen Blog hat, kann gerne einen Beitrag einreichen – er wird dann als Gastbeitrag publiziert. Dieser Vorschlag zur siebten Runde stammt von Susanne Posselt.

Schule ist ein Teil des Lebens und das Leben ist Teil der Schule.

Wichtige Aspekte haben Susanne und Jan-Martin ja schon zusammen getragen (Links siehe unten). Für Jugendliche ist Schule ein zentraler Teil ihres Alltags, bei dem es nicht nur um Lernen und Abschlüsse geht, sondern um Sozialleben. Außerdem bereitet Schule, nicht immer sinnvoll, umfassend und zielgerichtet, aber dennoch relevant, auf das Leben vor.
Ich möchte daher die Blogparade noch um zwei für mich wichtige Punkte ergänzen, einen (Überraschung!) historisch-politischen und einen persönlichen.

Historisch betrachtet trat die Institution Schule und ihre Vorformen in das Leben, um Teile der Gesellschaft, der „Oberschicht“, für bestimmte Tätigkeiten zu qualifizieren, zum Beispiel zum Schreiben in der altägyptischen Bürokratie, zum Reden auf der attischen Agora oder zum (Ab-)Schreiben von Büchern im Mittelalter. Lange war eine Art von schulischer Bildung allerdings kleinen Teilen der Gesellschaft vorbehalten. Mit zunehmender Globalisierung, Demokratisierung, Verwissenschaftlichung und Industrialisierung des Lebens in der Neuzeit, entstand ein neues Verständnis von schulischer Bildung. Es gab einen größeren Bedarf an Menschen (zunächst in der Regel Männern), die zumindest basale Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen beherrschen mussten. Dies war zum Beispiel notwendig, um das britische Empire zu verwalten, Regeln und Anweisungen in einer Fabrik zu verstehen oder ein (modernes) Militär zu organisieren.
Vom 18. bis zum 20. Jahrhundert setzte sich daher in der „westlichen Welt“ eine Schulpflicht durch und es entstand die Schule für alle, wie sie eigentlich bis heute existiert und die eine zentrale Rolle in unserem Leben spielt. Seither gibt es Diskussionen um die Inhalte, die gelehrt und gelernt werden sollen, seither spielt Schule eine zentrale Rolle bei der Reproduktion von Herrschaft. (Über die Rolle von Schule in der Gesellschaft habe ich mir an anderer Stelle schon einmal Gedanken gemacht.)
Schule wurde also historisch immer bedeutender für die Gesellschaft und hat den Anspruch entwickelt alle Jugendlichen zu erreichen, die Rolle von Schule für das Leben wurde also immer wichtiger, damit aber auch kontroverser und politischer im eigentlichen Sinne. Das geht heute eigentlich so weit, dass ein Leben ohne Schule nicht mehr denkbar ist. (Eine Schule ohne Leben aber auch nicht, wobei hier imho noch Luft nach oben ist.)

Für mich persönlich ist Schule ein zentraler Aspekt meines Lebens. Wenig überraschend habe ich zum einen selbst in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrtausends eine Schule besucht (Funfact: Sogar zwei Jahre die Schule, die ich jetzt leiten darf) und zum anderen habe ich Schule zu meinem Beruf gemacht. Für mein Leben spielt Schule also eine ganz zentrale Rolle.
Meine eigene Schülerzeit war in Ordnung, ich war, inklusive einer typischen Krise im Rahmen meiner Pubertät, ein recht ordentlicher Schüler mit typischen Vorlieben und Abneigungen (mehr dazu hier). Dass Schule einmal so ein zentraler Teil meines Lebens werden sollte kristallisierte sich erst einige Jahre nach meinem Abitur heraus und ich habe es bis heute nicht bereut. Ich war immer gerne Lehrer und liebe diesen sinnstiftenden und wichtigen Beruf. Genauso bin ich jetzt auch Schulleiter mit Leidenschaft, da es aus meiner Sicht kaum eine zukunftsrelevantere Institution als die Schule gibt.
Für mich ist Schule mehr als nur ein Job, für mich ist Schule mittlerweile eine Berufung. Ich möchte Schule weiterentwickeln und für das 21. Jahrhundert fit machen. Deshalb beschäftigt mich Schule über den Job hinaus, ich beschäftige mich auch in meiner Freizeit intensiv mit Schule und Bildung, zum Beispiel mit meinem Engagement bei DigitalSchoolStory, mit Fachliteratur, in sozialen Netzwerken oder auf dieser Website.
Was also Schule und Leben angeht, kann ich für mich festhalten: Ich lebe Schule und ich liebe es!

Abischerz 2024

Weitere Beiträge zur Blogparade:
Jan-Martin auf Halbtagsblog: https://halbtagsblog.de/2024/08/06/schule-leben/
Susanne: https://susanneposselt.de/schule-und-leben/

2024-22: Rede zum Abschlussfest Mittelstufe

An unserer Schule ist es gute Tradition neben dem Abiball mit akademischer Feier und Zeugnisausgabe auch ein Abschlussfest für die Mittelstufe zu veranstalten. Dort erhalten die Absolventinnen und Absolventen der Haupt- und Realschule ihre Abschlusszeugnisse und auch die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten des 10. Jahrgangs werden entsprechend gewürdigt. Ich wurde im Vorfeld gewarnt, dass die Reden der Schulleitung nicht allzu viel Aufmerksamkeit bekämen, daher habe ich mir etwas einfallen lassen und meine Rede kurz gehalten, auf allzu akademischen Duktus verzichtet und den Vortrag mit berühmten Memes illustriert. Ich glaube, das kam ganz gut an, daher habe ich beschlossen die Rede in meinem Blog zu veröffentlichen:

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Eltern, liebe Verwandte und Bekannte und alle anderen Anwesenden,

ich bitte euch und sie um einen Moment Aufmerksamkeit!

Ich finde, es ist eine schöne Tradition die Klassen H9, H10, R10 und G10 mit einer besonderen Veranstaltung zu verabschieden und damit zu feiern und zu würdigen. Das ist nicht selbstverständlich, sollte es aber sein.

Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler, habt so ca. 9 bis 10 Jahre Schule hinter euch. Manche haben noch ein paar Jahre vor sich, andere beginnen eine Ausbildung, machen ein FSJ oder erst mal Pause. In jedem Fall müsst Ihr eine Entscheidung treffen!

Diese Entscheidung ist nicht leicht, sie kann euer ganzes Leben prägen!

Ich kann euch aber auch beruhigen, das muss sie nicht. Es ist natürlich schön, wenn ihr jetzt schon euren Beruf gefunden habt und dieser auch eure Berufung ist. Das deutsche Schulsystem bietet allerdings viele Wege der Nachqualifizierung. Jede und jeder hier hat immer noch ganz viele Chancen sich neu zu erfinden und etwas Anderes zu machen. Ich hatte mal einen Schüler am Abendgymnasium, der war in Bayern auf einer Förderschule, hat nach einer Ausbildung am Abendgymnasium das Abitur nachgeholt, Wirtschaftsinformatik studiert und ist jetzt bei einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alles ist möglich, auch wenn die Bedingungen schwierig sind, am Ende habt ihr vieles in eurer Hand!

Vieles ist jetzt erst mal aufregend oder sogar furchteinflößend. Das ist völlig normal. Niemand von den zu ehrenden Schülerinnen und Schülern hier hat schon einmal eine Ausbildung oder ein Abitur gemacht. Es ist für euch alle das erste Mal! Wer davor keinen Respekt hat, möge sich nachher bei mir melden und mir sein Geheimnis verraten. Ich hatte mächtig Respekt, als es in die Oberstufe ging, als ich meinen Zivildienst angefangen habe, als es an die Uni ging und als ich mein Referendariat begonnen habe, als ich dann Lehrer wurde und erst recht, als ich letztes Jahr Schulleiter wurde. Das ist völlig normal. Aber nach einer gewissen Zeit, lebt man sich ein und die Ausbildung, der Job und seine Herausforderungen werden normal, man meistert seine Aufgabe.

Es wird aber auch nie alles glatt gehen. Einstein ist einmal sitzen geblieben, Gandhi hat mal Jura studiert, Stefan Raab ist eigentlich Metzger, Hugh Jackman war mal Sportlehrer und Party-Clown, Jay-Z Drogendealer, J.Lo Rechtsanwaltsgehilfin und ich habe mal Chemie studiert.

Wir alle machen Fehler oder gehen Umwege! Gerade, wenn wir etwas Neues anfangen. Lasst euch davon nicht beirren. Wir lernen aus Fehlern, wir dürfen nur nicht aufgeben. Habt ihr einmal beobachtet, wie ein kleines Kind laufen lernt? Richtig, es fällt ständig hin. Es käme aber nie auf die Idee nicht wieder aufzustehen und es immer wieder zu probieren. Und am Ende lernen wir eigentlich alle laufen. So ist es auch mit einer Ausbildung oder dem Abitur oder was auch immer noch kommt. Niemand kann etwas sofort, wir machen alle Fehler und das ist gut so. Steht dazu und lernt daraus!

Wichtig bei allen Herausforderungen, Siegen und Niederlagen, die unweigerlich auf euch zukommen ist: Bleibt euch treu, bleibt ihr selbst, oder , wie ich es schon in meiner Abirede auf Hip-Hop gesagt habe: Keep it real. Es kommen immer wieder verlockende Verführungen, diese können attraktiv, sogar sinnvoll sein. Bedenkt aber, ob sie es wert sind, dafür andere Dinge aufzugeben oder zu vernachlässigen. Eure Eltern, eure Familie, eure Freunde sind sehr wertvoll. Natürlich findet man im Leben neue Freundinnen und Freunde, aber, so ist zumindest meine Erfahrung, einige wenige Schulfreundinnen und -freunde, und die Familie meistens sowieso, bieten eine ganz besonders wertvolle Verbindung, die einen durch ein ganzes Leben tragen kann.

Auch, wenn ihr mal Mist gebaut habt, und ich weiß, dass das auf ein paar hier zutrifft, es ist nie zu spät das Richtige zu tun. Jede und Jeder hat in der Regel eine zweite Chance verdient und meine Erfahrung sagt, dass gerade die zweiten Chancen das Leben prägen. Manchmal kommen diese auf Einen zu, manchmal muss man sie sich erkämpfen. In jedem Fall solltet ihr sie ergreifen, wenn sie kommen.

Wie bereits gesagt, steht zu euren Taten und Fehlern, lernt daraus und macht es besser. Jetzt habe ich auch schon genug geredet, wir haben ein strammes Programm vor uns und es soll ja auch noch gefeiert werden.

Es ist schön, dass einige von euch noch bei uns bleiben und es ist schade, dass einige von euch uns verlassen. Ich hoffe, dass ihr die Weibelfeldschule, trotz alledem, in guter Erinnerung behaltet. Lasst von euch hören, wir Lehrer freuen uns immer zu hören, was aus euch geworden ist.

Feiert schön, lasst euch schön feiern und genießt den Abend, das Leben geht weiter und hat so viel zu bieten. Ich wünsche euch allen nur das Beste und mögen eure Träume und Wünsche in Erfüllung gehen!

2024-21: Warum eine Vernissage für die Schule der Zukunft steht

Am 01. Juli durfte ich zur Eröffnung der Kunstausstellung „Art’n‘Vielfalt“ mit Werken von Schülerinnen und Schülern der Weibelfeldschule ein Grußwort sprechen, in dem ich die Bedeutung von Kreativität und Interdisziplinarität für Lernprozesse betont habe und, dass dabei die Schule der Zukunft aufblitze.
Ich finde das Gesamtprojekt so gelungen, dass ich ihm gerne einen Blogbeitrag widme.
Was alles hinter der Ausstellung steckt, eine Dokumentation der Werke, auch in Kooperation mit einer deutschen Schule in Namibia und mit anderen Künstlerinnen und die Einbindung von DigitalSchoolStory, hat meine wunderbare Kollegin Riedl auf dieser Taskcard dokumentiert. Mein Grußwort im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Lehrkräfte, Eltern und Kunstbegeisterte, (…)

es ist mir ein großes Vergnügen heute auf dieser Vernissage ein paar Worte sagen zu dürfen.
Erstens ist es das erste Mal auf einer Vernissage und ich mag Kunst, zweitens ist es eine Ausstellung, die von der Weibelfeldschule ausgeht, die ich leiten darf. Und drittens, und das ist das Wichtigste, weil hier die Schule der Zukunft aufblitzt!
Wir haben es hier nicht einfach mit einer Vernissage zu tun, einer feierlichen Ausstellungseröffnung mit den Werken zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, sondern mit einer Präsentation des Lernens der Zukunft auf so vielen Ebenen.
Ich möchte Ihnen nun knapp erläutern, warum ich das glaube.
Das klassische Bild von Schule ist das so genannte 7-G-Modell: ”Alle gleichaltrigen Kinder sollen beim gleichen Lehrer mit dem gleichen Lehrmittel im gleichen Tempo das gleiche Ziel zur gleichen Zeit gleich gut erreichen.” Und das auch noch im gleichen Fach, im gleichen Schulzweig und im gleichen Raum. Dieses Modell wird leider den zunehmend komplexer werdenden Herausforderungen unserer Welt nicht mehr gerecht.
Wir müssen anfangen, Fächergrenzen aufzubrechen und Lernprozesse individualisieren. Wir müssen uns in den Schulen mit den echten, den großen Problemen beschäftigen und die lassen sich nicht in einem Fach im 45-Minuten-Rhythmus lösen und in Tests abprüfen. Nehmen wir den Klimawandel. das ist ein Phänomen, welches im Grunde alle Fächer des schulischen Fächerkanons abdeckt. Oder eben die zurückgehende Biodiversität, die ja eher zu den unterschätzten Problemen gehört. Manch eine oder manch einer hier im Raum kann sich vielleicht noch daran erinnern, wie viele Insektenreste wir im Sommer von den Frontscheiben der Autos kratzen mussten. Das gibt es kaum noch. Und eine Welt ohne Insekten ist eine tote Welt. Pflanzen werden nicht mehr bestäubt, Mist nicht mehr zersetzt, die Nahrungskette unterbrochen und so weiter.
Und was hat das mit der Schule und dem Lernen der Zukunft zu tun?
Wenn wir uns dem Problem des Rückgangs der Biodiversität im klassischen Unterrichtsystem nähern, dann beschäftigen wir uns vielleicht in Biologie mit Ökosystemen und Insekten, in Geografie mit der Kultivierung von Naturräumen, in PoWi mit politischen Entscheidungsprozesse und ökonomischen Zusammenhängen, in Mathematik mit exponentiellem Wachstum, in Physik mit Thermodynamik und so weiter. Dass dieses partikularisierte Wissen zusammenhängt, wird den meisten Schülerinnen und Schülern so nicht klar.
Was also tun? Wir müssen anfangen dieses Wissen zusammenzudenken und in Projekten zu arbeiten und genau das ist hier passiert. Und zwar in vorbildlicher Weise, weil drei wichtige Lernaspekte dazu kommen.
Erstens fand in diesem Projekt auch lernen mit, über und durch Medien statt. Indem das Projekt an DigitalSchoolStory angedockt wurde. Dadurch haben sich die Schülerinnen und Schüler (und auch die Lehrkräfte) mit digitalem Storytelling beschäftigt und dazu Feedback von professionellen Content-Creatorn bekommen. Ich kann nicht zu wenig betonen, wie wichtig Medienbildung in unserer Zeit ist und dass Schulen da noch viel mehr tun müssten.
Zweitens hat das Projekt einen internationalen und interkulturellen Aspekt. Durch die Zusammenarbeit mit einer deutschen Schule in Namibia fand ein internationaler Austausch und damit transkulturelles Lernen statt. Auch das ein wichtiger Aspekt in einer immer stärker gespaltenen Gesellschaft und Welt.
Und drittens, damit zwar zuletzt, aber von besonders großer Bedeutung, es gab einen kreativen Zugang zu dem Problemkomplex. Kreativität ist nicht umsonst eine der zentralen Zukunftskompetenzen, was die letzte PISA-Studie wieder bestätigt hat. Neben Kommunikation, Kollaboration und kritischem Denken, die hier auch gefördert wurden. Kreativität ist nämlich unsere zentrale Ressource. Nur mit kreativem Denken kann es uns gelingen Lösungsansätze für die komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu finden. Nur so trainieren wir entscheidende Kompetenzen, die es uns auch in Zukunft ermöglichen können, Wohlstand zu bewahren und gleichzeitig die Umwelt zu schützen. Kreative Menschen sind glücklicher, können sich besser ausdrücken und besser auf Veränderungen einstellen.
Deswegen brauchen wir mehr kreative Projekte in der Schule und deshalb ist dies hier ein Vorzeigeprojekt für das Lernen in der Schule der Zukunft! Versuchen Sie beim Betrachten der Exponate mal darüber zu sinnieren, auf wie vielen und auf welchen Ebenen hier gelernt wurde und welche Botschaften in den Werken und wieviel Potenzial in den jungen Menschen steckt, die das geschaffen haben.
All das lässt mich, trotz alledem, für die Zukunft hoffen. Wir sollten die junge Generation nicht unterschätzen und nicht schlecht reden. Sie ist es, die unseren Planeten retten muss und unser Job ist es sie dazu zu befähigen, ihnen das Gefühl von Selbstwirksamkeit zu geben und dass ist mit dieser Vernissage vorbildlich gelungen.
Ich wünsche Ihnen allen viel Spaß, Freude und vielleicht auch ein wenig Erkenntnis am heutigen Abend.
Vielen Dank!

2024-20: Warum ich gerade nicht blogge

DALL-E, Prompt: an exhausted school principal in the last weeks before summer vacation. The scene captures his fatigue and determination as he navigates through the end-of-year tasks.

Abiturprüfungen, ca. 35 Vorsitze
Klassenkonferenzen, 2 Stück
Notenkonferenzen, 3
Integrationsgespräche, 3
Reden schreiben, 4
Unterrichtsbesuche, ca. 5
Dienstliche Beurteilungen, 1
Elterngespräche, ca. 10
Gespräche mit Schülerinnen und Schülern, ca. 15
Externe Realschulprüfungen, 2 Vormittage
Gesamtkonferenz, 1 Nachmittag
Staatsexamen, 2 Stück
Schulelternbeirat, 1 Abend
Arbeitsverträge erstellen, ca. 5
Arbeitsverträge auflösen, 2
Gespräche mit Lehrkräften, ca. 20
Gremiensitzungen, ca. 4
Schulentwicklungsgruppe, 1
Webinare, 4
Bauvorplanung, 1
Prüfungsausschuss, 1
Schulleitungssitzungen, 4
Klassenbesuche, 2
Treffen mit der Polizei, 1
Bewerbungsgespräche, ca. 5
Preisverleihungen, 2
Grußwort Schulzeitung
Beratungen mit der dienstvorgesetzten Aufsichtsbehörde, ca. 5

Das ist alles nur im Juni und nur ein grober unsortierter und unvollständiger Überblick aus meinem Kalender.
Nebenbei laufen die Planungen für das kommende Schuljahr (Unterrichtsverteilung, Personal, Terminplanung, Entwicklungsvorhaben, Umwandlung SES etc.), außerdem benötigen viele dieser Termine Zeit für Vor- und Nachbereitung und Absprachen, manche müssen noch dokumentiert werden.
Und natürlich das ganz normale und das spontane Tagesgeschäft.

Ich will gar nicht klagen, ich liebe meinen Job, sondern visualisieren, was in den Hochphasen in der Schule los ist. Mir ist auch völlig klar, dass in vielen anderen Jobs auch viel gearbeitet wird.
Ich werde dann in den Sommerferien sicher auch wieder etwas mit Inhalt bloggen.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern, allen Eltern und allen weiteren „Bildungsbetroffenen“ viel Kraft für die letzten Schulwochen!

2024-19: (Kann) Politische Bildung (funktionieren)?

Vorbemerkung: Eine Reihe von bildungsaffinen Bloggern hat sich zum Ziel gesetzt, 2024 häufiger thematisch gemeinsam zu bloggen. Die Themenvorschläge werden an dieser Stelle gesammelt, alle Beiträge zum aktuellen Thema werden unter dem Beitrag gesammelt. Dies ist der sechste Teil dieser Blogparade.

Als Lehrer für Politik, Wirtschaft und Geschichte ist das natürlich genau mein Thema. Seit meinem Studium werde ich darin ausgebildet Kinder und Jugendliche an die Bildung eines politischen Urteils heranzuführen. Ich habe zahlreiche Schülerinnen und Schüler von der 7. Realschulklasse bis zum Leistungskurs in Politik und Wirtschaft (das ist in Hessen EIN Fach) und in Geschichte unterrichtet, dazu noch Erwachsene am Abendgymnasium, wo es bis vor ein paar Jahren noch das grandiose Fach „Historisch-Politische-Bildung“ gab.
Schon an der Uni habe ich gelernt, dass die Bildung eines politischen Urteils ein wahnsinnig komplexer Prozess ist, der aber im Mittelpunkt der Politikdidaktik stehe (vgl. z.B. Massing oder Breit u.a.), es gilt schon als Erfolg, wenn es gelingt Vorurteile abzubauen und Urteilsfähigkeit anzubahnen. Politische Urteile haben viele Dimensionen oder Kategorien, sie sind komplex, wie es auch Jan-Martin im Halbtagsblog zur Blogparade beschreibt und lassen natürlich Spielraum im Sinne einer pluralistischen demokratischen Grundordnung, soll heißen, es gibt eigentlich keine „richtigen“ Urteile. Es gibt aber sehr wohl falsche, nämlich dann, wenn der Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unseres Grundgesetzes verlassen wird; also dann, wenn Urteile auf faschistischer oder extremistischer Argumentation fußen.
Dann ist es Aufgabe einer jeden Lehrkraft, diesen Argumenten und Urteilen im Rahmen des Beutelspacher Konsenses entgegenzutreten (vgl. dazu diesen Newsletterbeitrag).

Was könnte helfen, dass Schulen bei der politischen Bildung erfolgreicher werden können?
Ich denke, es gibt im Wesentlichen drei hilfreiche Aspekte:

1. Schulen müssen selbst mehr Demokratie leben und den Schülerinnen und Schülern echte Partizipationsmöglichkeiten bieten, von der Mitgestaltung des Unterrichtes bis zur Mitgestaltung der Schulstruktur und der Gebäude, wie es auch Lars Fengler in seinem Blogbeitrag fordert. In Hessen ist das eigentlich durch die Schülermitverwaltung bis zur Schulkonferenz vorgegeben, in der gelebten Praxis ist aber oft noch viel Luft nach oben.
2. Auch hier haben wir es aktuell mit einem, meiner Meinung nach, unterkomplexen Lösungsansatz zu tun (vgl. dazu diesen Blogbeitrag). Wir siedeln die politische Bildung curricular im Politikunterricht an und vergessen dabei, dass im Grunde alle anderen Fächer dabei ein Rolle spielen, alleine schon um die zu beurteilenden Probleme differenziert und multikausal betrachten zu können. Nehmen wir das Beispiel des Klimawandels, das ist dermaßen komplex, dass es Fakten- und Methodenwissen aus vielen Bereichen braucht, um ein verantwortungsvolles politisches Urteil zu bilden. Auch hier ist das Denken in Fächergrenzen also nicht sinnvoll und nicht zeitgemäß.
3. Schule hat nur einen überschaubaren Einfluss auf Urteile und Ansichten, die im familiären Umfeld und in der Peer-Group dominant sind. Hinzu kommt noch die Bildung von Filterblasen in den sozialen Medien und auch mediales Framing, wie es Herr Mess in seinem Beitrag zur Blogparade anspricht.

All diese Herausforderungen machen es kompliziert in der Schule eine politische Bildung umzusetzen, die Schülerinnen und Schüler zu mündigen Staatsbürgern macht und sie resilient gegen Extremismen aller Art zu machen und sie gleichzeitig noch mit der Fähigkeit auszustatten Komplexität zu akzeptieren und damit umzugehen. Diese Herausforderungen entlassen uns aber nicht aus der Verantwortung das hehre Ziel der Befähigung zur politischen Urteilsbildung immer wieder anzustreben und an dessen Verwirklichung zu glauben, weil wir hier an der Essenz unseres demokratischen Gemeinwesens rühren.
Dazu ist Schule als Instrument der Reproduktion von Herrschaft eine zu zentrale Institution (vgl. dazu diesen Blogbeitrag). Wir müssten uns dieser Verantwortung vielleicht manchmal noch stärker bewusst werden und den Mut aufbringen in der Schule demokratische und fächerübergreifende Strukturen zu schaffen, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen mündige Bürgerinnen und Bürger auf dem Boden unseres Grundgesetzes zu werden.

Passend dazu auch:

2024-17: Organisieren wir unsere Schulen unterkomplex?

Dies wird kein langer Text, aber hoffentlich ein interessanter Diskursbeitrag zu einer Thematik, die mich schon länger beschäftigt.

Wir schreiben in den Schulen und das scheint natürlich grundsätzlich sinnvoll, Konzepte, die uns Orientierung bieten sollen, wie wir mit Herausforderungen umgehen und wie Arbeitsabläufe organisiert sind. Es gibt Konzepte gegen Drogenmissbrauch, gegen Gewalt oder sexualisierte Gewalt, gegen Absentismus, zur Mediennutzung oder für soziales Lernen usw. Diese Konzepte stehen dann nebeneinander und erfüllen leider nicht immer ihren Zweck.‘

Das hat meiner Meinung nach zwei wesentliche Ursachen.

Zum einen werden diese Konzepte meist von kleinen Gruppen, der Schulleitung oder aus den Ministerien entwickelt und sie kommen bei den Lehrkräften nicht wirklich an, weil diese keine Co-Agency, keine „Mitwirksamkeit“ entfalten, platt gesagt, weil diejenigen, die die Konzepte ausführen sollen, nicht mitgenommen werden (und außerdem in den konkreten Situationen der Vorstellung und Umsetzung mit viel zu vielen anderen Dingen und Prioritäten des überfrachteten Schulalltags beschäftigt sind). So entfalten die Konzepte keine Wirksamkeit im Schulleben und im Unterricht und werden im ungünstigsten Fall als Belastung wahrgenommen.

Zum anderen werden hier Themen auseinanderdividiert, die eigentlich zusammen gehören. Das macht die Sache anscheinend einfacher, verfehlt aber den Punkt. Wer Probleme mit Drogen oder Medien hat, neigt unter Umständen zu mehr Gewalt oder Absentismus. Und am Ende sind die Ursachen für Suchtverhalten oder Herausforderungen im Verhalten immer individuell und daher schwer „konzeptierbar“.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was aus dieser Analyse folgt?
Ich glaube, wir müssen all diese Aspekte zusammen denken, was leider eine hochkomplexe Herausforderung ist. Wir leben eben in einer immer komplexeren Welt (Vgl. Newsletter 02 zur VUCA-Welt). Wenn wir den größer werdenden Herausforderungen begegnen wollen, brauchen wir eine Art „Meta-Konzept“, welches unsere Aufgaben vernetzt und agil bleibt, welches außerdem noch an der Haltung aller Teile der Schulgemeinschaft ansetzt und daher auch von diesen erarbeitet und immer wieder neu evaluiert und verhandelt werden muss. Alle Konzepte sind sinnlos, wenn sie nicht von der Schulgemeinschaft getragen werden. Das ist schwierig und bedarf Ressourcen und externer Expertise, aber es könnte sich lohnen. Oder?

Nachträge:
Im weiteren Sinne passt auch dieser Beitrag von Florian Nuxoll, in dessen Subtext deutlich wird, dass die größten Veränderungen erst anstehen: https://www.campus-schulmanagement.de/magazin/kolumne/zu-viele-reformen-und-veraenderungen-in-den-schulen-die-groesste-veraenderung-kommt-erst-noch.

2024-15: Warum ich als Lehrer blogge. Teil einer „Blogparade“

Meine Reichweite würde ich als eher bescheiden bezeichnen, mein erster Blogbeitrag stammt erst aus dem letzten Oktober und eigentlich habe ich auch gar keine Zeit zum bloggen.
Warum tue ich es trotzdem?
Für mich hat das Bloggen mehrere Funktionen.
Die zentrale Funktion ist kommunikativer Natur und zwar nach innen und nach außen. Mit nach innen meine ich die Kommunikation in die Schulgemeinschaft der Schule, die ich leiten darf. Als Schulleiter gehört es zu meinen wichtigsten Aufgaben Schulentwicklung zu betreiben. Das tue ich natürlich nicht alleine, sondern ko-kreativ mit einer möglichst breiten Basis aus der Schulgemeinschaft, dennoch finde ich es wichtig, dass deren Mitglieder die Chance haben, meine Vorstellung einer modernen Schule im 21. Jahrhundert zu verstehen. Daher mache ich durch meine Blogbeiträge meine Visionen transparent. Und nach außen, quasi in die bildungsinteressierte „Weltöffentlichkeit“, stelle ich meine Diskussion in klassischer Blog-Manier zur Diskussion und leiste bescheidene Debattenbeiträge in der Edu-Bubble.
Außerdem gibt es noch eine fast „therapeutische“ und kontemplative Funktion. Wenn ich schreibe, sortiere ich meine Gedanken, manchmal lindere ich meinen Ärger manchmal nutze ich das Bloggen, um zur Ruhe zu kommen.
Schließlich macht es mir auch Spaß, weitet den Blick, da ich mich gerade in den Blogparaden mit Themen auseinandersetze, mit denen ich mich von selbst nicht unbedingt beschäftigen würde und es bringt mich digital mit Menschen zusammen, denen ich sonst nicht begegnet wäre.
Das Schreiben hat also etwas mit Mitteilungsbedürfnis, Selbstwirksamkeit und Salutogenese zu tun.
Wichtig ist mir abschließend noch zu betonen, dass Bildung nicht nur meine Profession, sondern auch meine Leidenschaft ist. Ich tue das, was ich tue, sehr gerne und setze mich dafür ein, dass wir Schule und Bildung weiterentwickeln, dass wir Schule in einem agilen und permanenten Prozess reformieren und immer wieder neu an den Bedürfnissen der Gesellschaft und der Schülerinnen und Schüler ausrichten. Wer meine Blogs liest, weiß, dass meine zentralen Themen Medienbildung in einer Kultur der Digitalität, KI und individualisierte und selbstorganisierte Lernprozesse in vernetzten Bildungsstrukturen sind. Dafür setze ich mich bei jeder Gelegenheit ein und mein Blog ist eine dieser Gelegenheiten.

Weitere Beiträge zur Blogparade

https://www.ingerfeldundlaube.de/bonus-tracks/blockparade-bildungsblog

https://hauptschulblues.blogspot.com/2024/05/2-jahre-78-t-krieg-in-der-ukraine-188-t.html

http://fontanefan.blogspot.com/2024/05/von-herrn-rau-ich-auf-diese-blogparade.html

https://www.arminhanisch.de/2024/05/blogparade-warum-ein-bildungsblog

Blog WfS 2030

Hier begleite ich den Schulentwicklungsprozess der Weibelfeldschule in einem Blog. Es wird über wichtige Meilensteine, über Ideen und deren Umsetzung oder Scheitern berichtet, hier werden Tipps entwickelt und ein Prozess begleitet.
Es geht auch um pädagogische Haltung und Leitbilder und natürlich wird die kommunale und gesellschaftliche Relevanz im Blick behalten.

Hier noch ein paar Hintergrundinformationen:
Die Weibelfeldschule wurde in den 1970er Jahren im Rahmen des „hessischen Gesamtschulbooms“ gebaut und ist eine Kooperative Gesamtschule mit Förderstufe und gymnasialer Oberstufe. Sie wird von ca. 1700 Schülerinnen und Schülern besucht und es arbeiten ca. 160 Lehrkräfte, Verwaltungsangestellte, Hausmeister und andere Menschen dort.

Wünschenswert sind in diesem Blog auch Gastbeiträge (bei Interesse bitte melden).