WfS-03: Habemus DNA-Gruppe (fast)

Heute hatten wir unsere (vorerst?) letzte Sitzung mit Enenpro, unseren externen Schulentwicklungsbegleitern, mit denen wir einen wertschätzenden, konstruktiven und lohnenswerten Prozess erlebt haben.
Als Resultat haben wir jetzt fast eine DNA-Gruppe. „Fast“, weil noch einige Personen gefragt werden müssen, ob sie überhaupt mitmachen wollen. Sinn der DNA-Gruppe ist es dort Vertreter aller relevanten Gruppen aus der Schulgemeinschaft zu versammeln, also innovative und bewahrende Lehrkräfte, Eltern, Lernende, Personalrat, Schulleitung usw. Durch diese heterogene Zusammensetzung soll ein Querschnitt, ein Spiegelbild der Schulgemeinschaft, immerhin ca. 130 Lehrkräfte und 1.700 Schülerinnen und Schüler und deren Eltern, abgebildet werden. Die Aufgabe dieses Gremiums ist es Entwicklungsprozesse, die von allen Menschen aus der Schulgemeinschaft angestoßen werden können, vorzuentlasten, indem sie dort diskutiert werden. So soll schon bevor über Ideen entschieden wird, erkannt werden, ob Vorhaben einfach umzusetzen sind oder, ob mit Widerstand zu rechnen ist. Eine DNA-Gruppe trifft keine Entscheidungen, leistet aber wertvolle Vorarbeit und Vorentlastung.
Mit diesem ersten Zyklus im Schulentwicklungsprozess haben wir also ein entlastendes und beratendes Gremium geschaffen und zahlreiche Methoden und Werkzeuge für die Arbeit an die Hand bekommen, die jetzt auch in der DNA-Gruppe zum Einsatz kommen. Das ist sehr hilfreich.
Es soll aber auch nicht verschwiegen werden, dass wir immer noch am Anfang stehen, tiefgreifende Veränderungen sind damit noch nicht geschaffen und der in den vorherigen Blogbeiträgen avisierte Haltungsveränderungsprozess ist auch erst angestoßen. Aber das ist auch völlig in Ordnung so, wir haben viel erreicht, aber noch mehr liegt vor uns. Es gibt auch immer noch tieferliegende Konflikte im Kollegium, deren Aufarbeitung erst begonnen hat, aber auch das ist normal. Sascha von Enenpro hat heute zurecht betont, dass wir schon ganz viel erreicht haben, indem wir in der Initialgruppe gelernt haben hierarchiefrei zu diskutieren und zu arbeiten und da hat er wohl recht. Das müssen wir jetzt auf die DNA-Gruppe übertragen, ich werde berichten, wenn diese ihre Arbeit aufgenommen hat.

Haltungen, vor allem Haltungen in Systemen wie Schulen, zu verändern ist ein komplexer, langwieriger und anstrengender Prozess. Silke Müller, Schulleiterin der Waldschule in Hatten, hat einmal in einem LinkedIn-Beitrag geschrieben, dass es an ihrer Schule einen einjährigen, professionell von Metaplan begleiteten, Entwicklungsprozess gegeben hat, bei dem das Kollegium „runter auf den Erd- bzw Schulkern gehen“ musste, „deren Antwort auch schmerzhafte Selbsterkenntnis sein mussten- all das war im Prozess aufreibend, emotional, schwierig.“, schreibt sie und das steht uns wohl in dieser Intensität noch bevor. Wir sind aber wild entschlossen, diesen Weg zu gehen. Zum Thema Haltung hatte ich auch im letzten Newsletter geschrieben.

Wie in den letzten Blogbeiträgen beschrieben, gehen wir den Schulentwicklungs- und Haltungsveränderungsprozess auf mehreren Ebenen an. Daher will ich hier auch ein kurzes Update zur Selbstständigen Schule (SES) und dem Präventionskonzept geben.
Alle Gremien (SV, SEB und Schulkonferenz) haben dem Antrag auf SES einstimmig zugestimmt, der Antrag wurde über das Staatliche Schulamt an das Hessische Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen weitergeleitet. Von dort gab es ein paar Rückfragen und bitten um Präzisierungen, die hoffentlich heute abschließend beantwortet werden konnten. Jetzt heißt es warten auf die Entscheidung. Stay tuned.
Unser dort anzugebender Entwicklungsschwerpunkt dreht sich ja um eine Reform des Hauptschulzweiges, darüber werde ich in einem nächsten Beitrag berichten.

Das Präventionskonzept, das ich für einen wichtigen Schritt zur Haltungsänderung halte, liegt in einem ersten Entwurf vor und muss noch etwas ausgeschärft werden. Ziel ist es im Moment dieses auf der Gesamtkonferenz im Dezember vorzustellen und möglicherweise schon abzustimmen.

Was ist sonst noch passiert? Vieles natürlich, jeden Tag passiert etwas.
Herauszuheben ist noch das Projekt „Think- und Do-Tank“, welches unsere fantastische Seiteneinsteigerin Kirsten Riedl angestoßen hat. Hier geht es um mehr Verantwortung für und Partizipation von Lernenden, einen kreativen Think-Tank und einen Makerspace; alles orientiert an den SDGs. Aber auch dazu mehr in einem der nächsten Beiträge.

Auch wenn die Belastungen im Moment wieder sehr groß sind, wenn ich kontemplativ an meinem Schreibtisch an einem solchen Blogbeitrag schreibe, merke ich doch, dass wir auf einem guten Weg sind und mein Job großartig ist. Trotz aller Widrigkeiten, bin ich von zahlreichen Menschen umgeben, die für ihren Job als Lehrkraft brennen und ein kreatives Potenzial zur Weiterentwicklung entfalten, was mir immer wieder den allergrößten Respekt abverlangt.

WfS-01: Prolog – Wie alles begann

An dieser Stelle ist es vielleicht angebracht kurz zu erläutern, warum ich Schule verändern will und wie es zu dieser Einsicht kam:

2007 habe ich nach einem Gymnasiallehramtsstudium mein Referendariat an einer Gesamtschule mit einem typischen Mindset begonnen. Ich kannte Schule aus meiner eigenen Schulzeit und erwartete, dass Schule auch genau so sein müsste. Das heißt im Wesentlichen Frontalunterricht, gelegentlich vielleicht mal eine Gruppenarbeit, Klassenarbeiten und Tests und das „Eintrichtern“ von Wissen; ich stehe vorne und die Schülerinnen und Schüler machen was ich sage. Bis auf Letzteres haben meine anfänglichen Erfahrungen und das Referendariat dieses „fixed“ Mindset nicht verändert.
Nach ein paar Jahren im Job und ein paar Jahren Teilabordnung zur Lehrkräfteausbildung habe ich immer deutlicher ein diffuses Gefühl bekommen, dass das Schulsystem dysfunktionaler wird. Ich spürte, dass das System der Wissensvermittlung, das „Teaching to the Test“ und das Korsett aus Stunden und Fächern nicht mehr passten, konnte das aber noch nicht konkretisieren und fassen.
Der Wendepunkt begann mit der Corona-Pandemie. Ich war zwar schon immer technik- und medienaffin, aber durch Corona begann ich mich stärker online zu vernetzen (Twitter) und es gab plötzlich viele Webinare und andere digitale Veranstaltungen. So wurde ich zu einem der Treiber der Digitalisierung an meiner „alten“ Schule und unsere Bemühungen wurden nicht zuletzt mit dem Preis „genial digital 2020″ gekrönt. Der eigentlich Wendepunkt war dann aber der digitale Deutsche Schulleitungskongress im Mai 2021. Ich wollte mir einen Vortrag von Margret Rasfeld anschauen, der mit einem Hinweis auf den desolaten Zustand unseres Planeten begann. Ich dachte mir: „Das kenne ich schon…“ und habe zum nächsten Vortrag gezappt, den ich dann aber noch langweiliger Fand, also zurück zu Margret Rasfeld, die nach den einleitendenden Worten von der von ihr aufgebauten Evangelischen Gemeinschaftsschule Berlin-Mitte und vom Freiday sprach und danach war für mich alles klar. Meine vorher noch diffusen Reformgedanken waren einigermaßen sortiert und ich bekam eine Vorstellung von Schule im 21. Jahrhundert, d.h. die Lernenden müssen mehr Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen und die Lerngegenstände müssen relevanter werden, Lernen muss individualisiert und in Projekten stattfinden. Fächer, Klassenarbeiten, Noten treten in den Hintergrund, der Mensch und der Lernprozess in den Vordergrund.
Danach begann ich mich aktiver mit Schulreform zu beschäftigen, ich hörte und las vom Dalton-Plan, von der Alemannenschule, von Schule in Skandinavien, auf dem Baltikum, in Singapur und Neuseeland. Ich vertiefte meine Social-Media-Aktivitäten, kam ins Lesen (Empfehlungen hier) und besuchte zahlreiche Online-Veranstaltungen. Und so wurde mir immer klarer das, aber auch wie sich Schule verändern muss.

Ich begann dann diese Ideen auch in meinem Kollegium in Dietzenbach zu kommunizieren und lernte dort schnell, dass nicht alle Lehrkräfte meiner Meinung waren, fand aber auch Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Anfang 2023 habe ich mich dann allerdings auf die Schulleiterstelle in der Weibelfeldschule beworben und wurde damit im Juli beauftragt, sodass ich meine Reformideen nun nach Dreieich verlegt habe.

Am 19. Juli 2023 wurde ich dann, kurz vor den Sommerferien, dem Kollegium der Weibelfeldschule als neuer Schulleiter vorgestellt (korrekterweise muss es heißen, dass ich mit den Dienstobliegenheiten beauftragt wurde). In meiner kurzen Ansprache hatte ich damals betont, dass ich als Lernender komme und mir zunächst die bestehenden Prozesse und Strukturen anschauen will. Das war ein Learning aus meiner letzten Schule: Man darf bei Veränderungsprozessen nicht zu forsch sein.
Ich merkte allerdings schnell, dass es in der Schule einen Wunsch nach Veränderung gab und ich habe gerne immer wieder angedeutet, dass ich dafür offen bin. Wie es dann im ersten Jahr an der Weibelfeldschule weiterging, ist Thema des nächsten Blogbeitrags.