Vorbemerkung: Dieser Beitrag kommt ohne echte wissenschaftliche Evidenz daher. Ich habe natürlich Bücher zu Schul- und Organisationsentwicklung gelesen, Fortbildungen und Workshops dazu besucht und gehalten, aber ich will hier keinen wissenschaftlichen Artikel veröffentlichen. Mir geht es um eine Idee, eine Erfahrung, die ich gerne in den Diskurs einbringe. Mir ist auch bewusst, dass man den Begriff „Guerilla“ durchaus kritisch sehen kann, aber ich finde ihn in dem Kontext durchaus sinnvoll, nicht weil er etwas Militärisches hat, sondern weil er den Kerngedanken meiner Idee gut trifft. Ich könnte auch von Ninja-Schulentwicklung sprechen, aber das würde es nur begrenzt besser machen. Und wie jede Metapher hat auch der Begriff „Guerilla“ in diesem Kontext seine Grenzen. In der Schule werden natürlich keine „Feinde“ mit klandestinen Militäroperationen empfindlich getroffen, aber es geht um viele kleine punktuelle Aktionen, die Entwicklung verändern.
Das ist dann nämlich auch schon der Kerngedanke der Guerilla-Schulentwicklung. Es gibt kein feststehendes großes Ziel, auf das dann hingearbeitet wird, bei dem der Schulleiter die Richtung vorgibt und den Lehrkräften sagt, wo es lang geht (ich verzichte hier jetzt bewusst auf militärische Metaphern). Solche Entwicklungsprozesse sind in der Regel zum Scheitern verurteilt. Dennoch braucht Schulleitung eine Vision, die im Idealfall im Dialog mit der Schulgemeinschaft entsteht. (Zum Thema Vision wird bald ein weiterer Blogartikel erscheinen.) Diese Vision muss hinreichend, aber nicht sonderlich konkret sein, sie muss eine Richtung haben, aber kein klares Ziel. Schulentwicklung ist eine zentrale Aufgabe der Schulleitung, aber kein Prozess der sinnvoll angeordnet werden kann, der aber gesteuert werden muss. Wie kann das aber gelingen? Wie kann ich als Schulleiter Einfluss auf Schulentwicklung nehmen ohne zu diktieren und wie kann ich die Schulgemeinschaft mitnehmen?
Es ist nicht ratsam, und da hinkt der Guerilla-Vergleich, Schulentwicklung als Geheimoperation oder Täuschungsmanöver (schon wieder eine Militär-Metapher) durchzuführen. Schulentwicklung muss transparent sein. Aber sie darf, und da passt der Vergleich wieder, überraschend sein, sie darf Spuren hinterlassen, von denen unklar ist, wo sie herkommen. Ganz konkret heißt das, dass man an einer prominenten Stelle ein Plakat, eine Karikatur oder einen Zeitungsartikel aufhängen oder platzieren kann, der zum Nachdenken anregt. Ich hänge manchmal so etwas ans Schwarze Brett oder „vergesse“ Kopien im Lehrerzimmer. Ich weise bestimmte Kolleginnen und Kollegen auf bestimmte Fortbildungen hin oder werbe für bestimmte Bücher oder Filme. Zum Beispiel habe ich drei Exemplare des Buchs von Stefan Ruppaner angeschafft und ins Kollegium verliehen. Wir haben außerdem innovative Konferenzformate wie Barcamps oder Open Spaces eingeführt, die ganz viel Raum zur Ideenentwicklung bieten, die dann langsam in die Schulgemeinschaft sickern (Schulentwicklung ist ja kein Sprint, sondern ein Marathon). Überhaupt geht es ganz viel darum den Mitgliedern der Schulgemeinschaft Möglichkeitsräume zu schaffen, ihnen Vertrauen zu schenken und sie bei Innovationen zu unterstützen, auch im Scheitern. Innovative Lehrkräfte haben einen starken Instinkt für die richtige Richtung von Schulentwicklung, sie, aber auch die Lernenden, spüren am Ende besser als die Schulleitung was die Schule braucht. So kam die Initiative zehn Lehrkräfte bei BeWirken an einer Lernbegleiter-Fortbildung teilzunehmen aus dem Kollegium und wurde von der Schulleitung natürlich sofort unterstützt.
Zur Guerilla-Schulentwicklung gehört auch Ideen und Erkenntnisse aus der Bildungswissenschaft oder aus der Bildungsbubble auf Social-Media in die Schulgemeinschaft zu transportieren. Das passiert im alle zwei Wochen erscheinenden Newsletter oder in Statements auf Konferenzen, Sessions in Barcamps, Einzelgesprächen und überhaupt bei jeder Gelegenheit. Bestenfalls als Denkanstoß oder Angebot auf keinen Fall als Belehrung.
Sinnvoll ist es natürlich auch externe Berater oder Teilgeber für Barcamps einzuladen, die Innovationen unterstützen.
All diese Maßnahmen führen zu sichtbaren Veränderungen. Am deutlichsten wird das in der Art, wie mittlerweile über Schulentwicklung in der Schule gesprochen wird. Vor zwei Jahren waren Begriffe wie Lernbegleitung, Freiday, Alemannenschule, Lernbüro, Barcamp usw. allenfalls einer kleinen Minderheit bekannt und spielten im Diskurs keine Rolle. Jetzt können fast alle Kolleginnen und Kollegen damit etwas anfangen und entwickeln ihre eigenen Vision von einer modernen Schulkultur. Und das ist ein beachtlicher Erfolg! In nur zwei Jahren ist es gelungen durch ganz viele kleine Aktionen an ganz vielen Orten und zu unterschiedlichen Anlässen und Zeiten einen neuen Möglichkeitsraum zu schaffen, in dem Schulentwicklung stattfinden kann. Jetzt ist hoffentlich der Boden bereitet, konkrete Maßnahmen zu ergreifen und Schule neu zu denken. Nicht durch Diktat oder Überwältigung, sondern durch Information, Angebot und Empowerment. Und das ist das, was ich mit Guerilla-Schulentwicklung meine.
Anknüpfend an den 6. Blogbeitrag muss festgehalten werden, dass die DNA-Gruppe arbeitet und erste Ergebnisse liefert. Gemäß dem Mandat für die DNA-Gruppe, welches von der Gesamtkonferenz nahezu einstimmig beschlossen wurde, haben sich zwei Themenschwerpunkte herausgebildet, an denen aktuell schwerpunktmäßig gearbeitet wird. Bevor ich dazu komme, hier zur Illustration das Mandat:
Die beiden Arbeitsschwerpunkte haben beide mit Teamarbeit zu tun, die daher im Fokus der Schulentwicklung im kommenden Schuljahr stehen muss. Teamarbeit ist kein überraschendes Thema für Schulentwicklung, aber ganz sicher auch nicht trivial. Die Forschung belegt, dass Teamarbeit wichtig ist und Ressourcen und Salutogenese schafft, gleichzeitig aber auch schwer zu implementieren ist, da das System traditionell eher auf „Einzelkämpfertum“ ausgerichtet ist. Zu den beiden Arbeitsschwerpunkten haben sich Arbeitsgruppen gebildet. Die eine beschäftigt sich mit Teamstrukturen und einer Reform der Förderstufe (Jahrgänge 5 und 6), hier wird über Individualisierung von Lernprozessen, Lernbegleitung, Projektarbeit und vieles mehr diskutiert. Die andere Gruppe beschäftigt sich mit der Schaffung von Freiräumen zum Austausch und zur pädagogischen Entwicklung. Hier geht es um die Möglichkeit eines Konferenztages (verbindlich oder freiwillig?), möglicherweise in Form von Barcamps, mehr Verbindlichkeit in Jahrgangs-, Fach- und Fachbereichsteams, Multiprofessionalität und vieles mehr.
Das klingt jetzt alles, als wäre die Entwicklung reibungslos verlaufen und das Ergebnis stünde schon fest. Dem ist natürlich mitnichten so. Die oben beschriebenen Diskussionspunkte sind eben genau das: Punkte, die diskutiert werden. Diese sind weder unumstritten noch beschlossen. Ein Gedanke der DNA-Gruppe ist ja, das Ideen und Diskussionen immer wieder gespiegelt werden, um sie im System zu verankern. Das heißt, eine Idee, ein Konzept wird zunächst in der DNA-Gruppe gespiegelt, die ja einen Querschnitt der verschiedenen Positionen der Schulgemeinschaft abbilden soll. Hier wird schon in einer ersten Rückmeldung klar, ob Ideen oder Projekte von Teilen der Schulgemeinschaft kritisch gesehen werden und daher eventuell nachgeschärft oder verworfen werden müssen. In einem zweiten Schritt werden Ideen und Projekte dann in der Gesamtkonferenz präsentiert und diskutiert. Hier wird dann entschieden, ob eine Idee weiter verfolgt wird oder eher nicht. Eine größere und schwierigere Diskussion entstand um das Verhältnis von neuer DNA-Gruppe und bestehender Schulentwicklungsgruppe. Dazu wird ein gesonderter Blogbeitrag erscheinen.
Was ist noch passiert? Im Rahmen des Mandates konnten zwei Gruppen aus dem Kollegium an der KGS-Niederrad und der IGS-Süd in Frankfurt hospitieren, um Eindrücke von deren Arbeit zu bekommen, dabei ging es besonders um individualisiertes und selbstreguliertes Lernen und die zugehörigen Feedback-Prozesse. Ein weitere Gruppe aus dem Kollegium hat eine Lernbegleiter-Fortbildung bei BeWirken gemacht. Im Jahrgang 7 haben wir in einer Klasse erste Erfahrungen im fächerübergreifenden Lernen und in der Projektarbeit gemacht. Wir haben gemeinsam mit Schülerinnen, Schülern und Eltern ein Konzept zur Handynutzung und ein Schutzkonzept entwickelt. Außerdem haben wir uns auf den Weg gemacht am Projekt „einfach bewegen(d)“ des Ministeriums teilzunehmen, um mehr Bewegung in den Unterrichtsalltag zu bringen. Schließlich haben wir als Schulleitung erstmals ein Feedback des Kollegiums eingeholt. Und wir haben endlich unsere Zukunftsschmiede Trendhub eingeweiht. Impressionen dazu:
Wenn ich mich manchmal zurücklehne, reflektiere und die letzten beiden Jahre als neuer Schulleiter der Weibelfeldschule Revue passieren lasse, bin ich immer wieder begeistert, was wir schon alles geschafft, angebahnt und bewegt haben. Im kommenden Schuljahr wollen wir schwerpunktmäßig an den oben beschriebenen Teamstrukturen arbeiten, weiter an anderen Schulen hospitieren, das Feedbacksystem ausbauen und mehr Bewegung in den Schulalltag bringen. Ein weiterer Schwerpunkt wird die Förderung der SV-Arbeit sein. Da beginnen wir mit einem Workshop nach den Sommerferien auf dem Hofgut Neuhof, der von den „Feuerfreunden“ aus Dreieich begleitet wird, dazu auch bei anderer Gelegenheit mehr.
In der Lehrkräftebubble tut sich diesen Sommer etwas. Bob Blume, Gert Mengel und Silke Müller verlassen den Schuldienst oder lassen sich beurlauben. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, die in den sozialen Medien aufgeploppt ist. Wer danach sucht findet noch zahlreiche weitere Fälle. Isabell Probst hat mittlerweile zahlreich Nachahmerinnen und Nachahmer bekommen, die Lehrkräfte beraten, die darüber nachdenken „das System“ zu verlassen. Auf Facebook gibt es zwei Gruppen „Lehrer auf Abwegen“ mit 11,5 und knapp 17 Tausend Mitgliedern. Was einst als undenkbar galt, einen sicheren Beamtenjob zu kündigen, ist nichts Ungewöhnliches mehr. In Baden-Württemberg hat sich die Zahl der Kündigungen in den letzten zehn Jahren verzehnfacht (Quelle). In NRW haben 2023 fast 1.000 Lehrkräfte gekündigt; 2024 waren es etwas weniger. Darunter waren neun Schulleitungen. Viele waren unter 40 Jahre alt (Quelle). Auch in Hessen haben die Zahlen stark zugenommen. Waren es 2018 noch 140 Kündigungen (Beamte und Angestellte), stieg die Zahl bis 2022 auf 228, bei den Beamten stieg die Zahl sogar von 39 auf 122 im betrachteten Zeitraum (Quelle).
Im Vergleich zu den Gesamtzahlen sind das (noch?) relativ kleine Zahlen. Baden-Württemberg hat über 75 und NRW sogar über 170 Tsd. Lehrkräfte, in Hessen sind es über 67 Tausend (Quelle). Dennoch sollte es zu denken geben, wenn Menschen es hinnehmen auf Pensionsansprüche zu verzichten, um dem Schulsystem den Rücken zu kehren. Natürlich sind die Gründe vielfältig. Das kann mit dem Wunsch oder der Chance nach beruflicher Veränderung zu tun haben, wie bei Silke Müller und Gert Mengel, die dem Bildungssystem im erweiterten Sinne erhalten bleiben, das kann mit dem Wunsch nach Studium und Vertiefung zu tun haben, wie bei Bob Blume. Das kann mit dem Wunsch nach örtlicher Veränderung zu tun haben, wie bei einer Kollegin an meiner Schule. Wenn man aber den Ausstiegsberichten in den sozialen und „normalen“ Medien glaubt, hat es auch häufig mit Überlastung und Unzufriedenheit mit „dem System“ zu tun. Das ist auch nicht wirklich verwunderlich. Die Anforderungen an das Schulsystem haben in allen Bereichen zugenommen, gleichzeitig wächst der Lehrkräftemangel. Außerdem sind die Bausteine des Systems davon noch sehr unterschiedlich betroffen. Grund- und Gesamtschulen haben mit größeren Herausforderungen zu kämpfen als Gymnasien. Städtische Schulen sind oft stärker betroffen als ländliche, dann spielen auch noch Regionen, Stadteile und die Systeme der Länder eine Rolle. Darauf reagiert Hessen mit einem Sozialindex, bundespolitisch gibt es das Startchancenprogramm. Daher lässt sich ein genereller Exodus nicht feststellen. Dem gesamten Bildungssystem tut es vielleicht sogar gut, wenn erfahrene Lehrkräfte oder Schulleitungen an anderer Stelle wirken, dort ihre Expertise einbringen und für eine Veränderung des Systems kämpfen, was so im System nicht möglich wäre. Außerdem ist es ja in der Arbeitswelt außerhalb des Beamtentums völlig normal, dass man neue Herausforderungen sucht und sich beruflich umorientiert und entwickelt. Dennoch zeigen der zunehmende Mangel an Lehrkräften, die steigenden Kündigungszahlen und die wachsende Unzufriedenheit im System, dass etwas nicht stimmt mit dem deutschen Bildungssystem. Seit Jahrzehnten werden die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler in internationalen Vergleichsstudien schwächer, psychische Erkrankungen bei Lernenden und Lehrenden nehmen zu. All das hat sicher nicht nur, aber auch, mit Schule zu tun. Leider sind Kinder aber, wie Aladin El Mafaalani schreibt eine „Minderheit ohne Schutz“. Bildungspolitik spielt eine untergeordnete Rolle und wir führen nicht die notwendigen Diskussionen über Medien- und Demokratiebildung, psychische Gesundheit, Resilienz und Kompetenzen für das 21. Jahrhundert.
Bleibt zu hoffen, dass die Kündigungen von Lehrkräften nicht exponentiell wachsen, wie laut Christian Stöcker so viele Prozesse in den letzten Jahrzehnten. Bleibt zu hoffen, das wirklich viele der Kündigenden helfen, die notwendigen Diskussionen voranzutreiben. Und bleibt zu hoffen, dass Politik und Gesellschaft erkennen, dass die beste Vorsorge für eine gute Zukunft eine gute und zeitgemäße Bildung im hier und jetzt ist.
Die Weibelfeldschule hat eine lange Tradition in der Medienproduktion. Schon in den 1980er Jahren wurde im dortigen AV-Studio das „Stadtfernsehen Dreieich“ für das lokale Kabelnetz produziert. Dazu gehörten natürlich auch Arbeitsgemeinschaften, die sich mit Medientheorie und -ethik befassten. Besagtes AV-Studio wird gerade umgebaut und von Grund auf modernisiert. Dazu an anderer Stelle demnächst mehr. Im Zuge des Umbaus wird auch ausgemistet und entsorgt, dabei ist meinem Stellvertreter ein kleines Büchlein in die Hände gefallen, das er benutzt hat, um eine Tür offen zu halten. Dieses Büchlein ist dann mir in die Hände gefallen und folgende Seite war aufgeschlagen:
Quelle: „Der Programmhungrige“ Aus: Müller-Neuhof/Schiphorst: Audiovision in der Praxis. Heim-Video von A-Z, Pflaum-Verlag München 1979/80, S. 38.
Warum blogge ich das? Weil es ein gutes Beispiel dafür ist, dass neue Technologien, hier der Videorekorder um 1979/80, zunächst gerne als Bedrohung wahrgenommen werden, denen dann auch Suchtpotenzial unterstellt wird. Radio und Fernseher sollten, wie das Internet, das Ende des Buchs einläuten, das ja als der Kulturträger schlechthin gilt. Allerdings hat weder das Fernsehen das Radio zerstört, noch das Radio das Buch. Das analoge Buch ist immer noch da, trotz Smartphone, Streaming und E-Reader. Jedes Medium ist gefährlich, wenn es exzessiv genutzt wird, jedes Medium bringt aber auch Chancen und Innovationen mit sich und in dieser Ambivalenz müssen auch die aktuellen Debatten um Smartphones und soziale Medien gesehen werden. Weder Radio, noch Fernsehen oder Video sind verboten worden, sondern Teil der Kultur geworden, es gab Regulierungen von der Lizenzierung von Fernsehsendern, bis zu Altersbeschränkungen und Verboten von Videos und so wird es vermutlich bei den aktuellen Debatten auch kommen. Missbrauch, wie bei den etablierten Medien in der Vergangenheit, eingeschlossen. Natürlich ist der Zugang zu den Medien immer leichter geworden, sie sind mittlerweile in Bild, Text und Ton ubiquitär. Mit den Gefahren sind aber auch die Möglichkeiten gewachsen. Wir sind als Gesellschaft noch dabei den Umgang mit diesen neuen medialen Dimensionen des Internets, Smartphones und der KI zu erlernen, das führt zu Konflikten im Aushandlungsprozess und zu Fehlentwicklungen bei der Freigabe und der Regulierung, das ist der normale gesellschaftliche Aushandlungsprozess, zu dem auch verschiedenen Stakeholder und deren asymmetrische Machtverhältnisse gehören. Vielleicht trägt das hier vorgestellte Fundstück aus dem Archiv des AV-Studios der Weibelfeldschule dazu bei, die Debatte etwas zu entspannen.
Übrigens: Dank Georg Schlamp bin ich letztes Jahr auf folgende Karikatur aus der schweizerischen Zeitschrift „Der Postheiri“ von 1863 aufmerksam geworden:
Auch das beruhigt, trotz der massenhaften Verbreitung von Büchern in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, ist die Jugend nicht verroht und die Zivilisation ist nicht untergegangen.
Vorbemerkung: Eine Reihe von bildungsaffinen Bloggern hat sich zum Ziel gesetzt, seit 2024 häufiger thematisch gemeinsam zu bloggen. Die Themenvorschläge werden an dieser Stelle gesammelt, (möglichst) alle Beiträge zum aktuellen Thema sind unter dem Beitrag zu finden. Wer sich beteiligen möchte, aber keinen Blog hat, kann gerne einen Beitrag einreichen – er wird dann als Gastbeitrag publiziert. Ich bin leider etwas spät dran, eigentlich war dieses Thema schon im Februar dran. Da mir das Thema aber besonders wichtig ist, schiebe ich jetzt noch einen Beitrag hinterher. Ich will auch gar keinen langen Text schreiben, aber auf einen meiner Meinung nach zentralen Zusammenhang hinweisen.
Ich habe mir in der letzten Zeit einige zugespitzte Sätze angewöhnt, um provokant auf Missstände im Bildungswesen hinzuweisen. Einer davon lautet: Wenn wir nicht sofort anfangen, Demokratie- und Medienbildung an Schulen in den Vordergrund zu stellen, können wir uns bald Mathe und Deutsch schenken. Wie meine ich das? Der politische Diskurs wird für Jugendliche zunehmend von sozialen Medien bestimmt. Diese funktionieren mit Algorithmen, die Empörung belohnen und Filterblasen erzeugen. Dadurch wird unsere Gesellschaft zunehmend polarisiert, der Diskurs verflacht oder wird unmöglich, die Welt wird bedrohlicher wahrgenommen als sie ist und extremistischer Propaganda und Rekrutierung jeglicher Couleur werden Tür und Tor geöffnet. Das wird zunehmend zu einem, meiner Meinung nach in Deutschland unterschätzten und ignorierten, Problem. Wir schützen unsere Jugend nicht vor den Gefahren der sozialen Medien. Gleichzeitig gelingt es uns immer weniger, den Jugendlichen den Wert von Demokratie zu vermitteln. Das mag daran liegen, dass Demokratie und Pluralismus als Selbstverständlichkeit angenommen werden, aber auch daran, dass Demokratie in sozialen Medien verächtlich gemacht wird, nicht zuletzt von Staatsoberhäuptern demokratischer Staaten oder durch Propaganda autoritärer Systeme. Eine wichtige Rolle spielt aber auch, dass Jugendliche in unserer Demokratie mit ihren Bedürfnissen kaum mehr wahrgenommen werden. Und das ist fatal. Jugendliche und deren Eltern stellen keine relevante Wählerschicht und werden folglich im politischen Diskurs weitgehend ignoriert. In den Schulen lernen sie in der Theorie, wie Demokratie funktioniert, dürfen aber nicht ernsthaft mitentscheiden, wie dort ein zentraler Teil ihres Lebens gestaltet wird. Das ist ein fatales Signal. Außerdem spiegeln der Zustand vieler Schulgebäude und deren Ausstattung oder Verpflegungsmöglichkeiten und Betreuungssituation den Jugendlichen täglich, wie wichtig dem Staat und der Gesellschaft deren Wohlbefinden ist. Die Jugendlichen leiden psychisch zunehmend unter ihrer gesellschaftlichen Situation. Am Ende haben wir es hier mit einer Paradoxie unseres politischen Systems zu tun. Eigentlich müsste es unser ureigenstes Interesse sein, eine Politik zu machen, mit der wir die Jugendlichen durch exzellente Ausbildung und Rahmenbedingungen befähigen, in Zukunft unser demokratisch-pluralistisches Staatswesen zu erhalten, ja sogar fortzuentwickeln. Für solche Investitionen wird man aber nicht wiedergewählt und eine Bundestagswahl findet alle vier Jahre statt, das ist der Zeitraum, in dem politische Zyklen gedacht werden und die relevanten Wählerschichten interessieren sich, zugegeben etwas zugespitzt, eben eher für Rente und Rindfleisch, ihren Heizungskeller, Gendern und Autobahnen oder die nächste Kreuzfahrt, da bleibt für gute Schulen, Kitas und Universitäten nichts mehr übrig, das zahlt sich an der Wahlurne halt nicht aus.
ich will mich heute einmal mit Aufklebern beschäftigen. Eine kurze Netzrecherche ergibt, dass das massenhafte Auftreten von Aufklebern im öffentlichen Raum mit günstigen Druckmöglichkeiten in den 1990er Jahren begann. Es waren oft politische Botschaften, die geklebt wurden, aber auch Fußballfans, die ihre Reviere mit Aufklebern markierten. In den letzten zwei bis drei Jahren tauchten vermehrt Artikel in Lokalzeitungen auf, die über Schäden von Aufklebern auf Verkehrsschildern berichten, die durchaus immens sind. Wer sich in der Stadt umschaut, sieht sie überall: Unmengen von Aufklebern für die Eintracht oder die Kicker, mal mehr oder weniger aus der Hooligan-Richtung.
Rechtlich gesehen handelt es sich dabei um Sachbeschädigung oder auch einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung, bzw. sogar einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Auch in der Schule nimmt diese Aufkleberei massiv zu. Ich habe durchaus Verständnis, dass man seinen Fußballverein promoten will oder dass der Abijahrgang im Überschwang etwas hinterlassen will. Aber die Masse ist dann doch ein Problem. Klar, die Sticker sind für kleines Geld im Internet zu bekommen, sogar in Farbe. Für 50 Euro kann ich leicht 1000 Aufkleber bekommen. Diese sind dann ganz schnell überall hin geklebt, aber oft von minderwertiger Qualität, sodass sie nur mit größerem Aufwand rückstandsfrei zu entfernen sind. Das hat zur Folge, dass wir in der Schule überall und zunehmend Teile von Aufklebern oder deren Rückstände kleben haben, was einfach nur hässlich ist.
(Alle Aufnahmen von mir!)
Das ist alles nicht schön, kostet Optik, Geld und Nerven, wird aber noch getoppt von den bisher zum Glück nur selten auftretenden inhaltlich wirklich problematischen Aufklebern, die ich hier bewusst nicht abbilde („161“ auf dem unteren Aufkleber ist natürlich ein Code in diese Richtung, aber nicht eindeutig zuzuordnen). In einschlägigen Onlineshops gibt es, auch hier für kleines Geld, rassistische, homophobe, islamfeindliche oder politisch extremistische Aufkleber von links und rechts, die leider gelegentlich ihren Weg auf Schultoiletten oder Torschilder schaffen. Diese werden natürlich umgehend entfernt, bei den anderen kommen wir langsam nicht mehr nach.
Vielleicht können ja die Eltern und die Lehrkräfte mit den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch kommen und versuchen die Folgen zu thematisieren. Es ist nämlich so, dass dieser beginnende Kontrollverlust seitens der Schule, das nicht Hinterherkommen die Aufkleber zu entfernen, dazu führt, dass sich Trittbrettfahrer eingeladen fühlen, weitere Aufkleber zu kleben und so wird unser Gebäude dann immer unansehnlicher und dass kann eigentlich nicht unser Ziel sein. Das gilt natürlich auch für Schmierereien aller Art und andere Formen von Vandalismus.
Es sind aber nicht nur die materiellen Schäden, die mir Sorgen bereiten, sondern auch die zunehmende gesellschaftliche Spaltung und die Verrohung des Diskurses, die sich hier zeigen. Die Weibelfeldschule ist ausgezeichnet als „Schule ohne Rassismus“ und das ist dem Kollegium und mir auch ein echtes Anliegen, für das wir einstehen. Schule muss ein Schutzraum für Kinder und Jugendliche sein, in dem sich alle in ihrer Persönlichkeit entfalten können müssen. Jede und jeder ist jemand und jede und jeder ist wertvoll für unser aller Zukunft. Lassen Sie uns gemeinsam weiter dafür einsetzen, dass das so bleibt und dass die Verrohung des Diskurses und die Verklebung unserer Gebäudes aufhören.
Das alles ist ja auch kein Alleinstellungsmerkmal unserer Weibelfeldschule, sondern kommt vermutlich an fast allen Schulen vor. Außerhalb der Schulen ist es sogar an vielen Stellen noch schlimmer…
Ihr
Erik Grundmann
Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:
Toller „Fake News-Generator“ von Alexander Weller. Geeignet als Einstieg oder zur Arbeit zum Thema Fake News im Unterricht: https://medien-durchblick.de/fakenews/. Das muss Thema in jedem Unterricht sein und hier finden sich auch Anknüpfungspunkte für viele Fächer!
Leseempfehlung Silke Müller: Wer schützt unsere Kinder; Wie künstliche Intelligenz Familien und Schule verändert und was jetzt zu tun ist, München 2024. In ihrem zweiten Bestseller setzt sich Silke Müller mit den Auswirkungen von KI auf Schule und Familie auseinander. Silke Müller kommt übrigens am 30. September nach Dreieich ins Bürgerhaus, weitere Informationen folgen.
Unsere 7. Klassen führen ja aktuell ein Projekt von DigitalSchoolStory (DSS) durch. DSS bietet ein weiteres Austauschformat für Eltern an: „Tatort Social Media“. Hier die Einladung dazu: 👨👩👧Tatort Social Media – und wir Eltern mitten drin.Wir alle kennen sie: Die Herausforderungen der digitalen Welt, die uns als Eltern oft überrollen. TikTok, Instagram, Youtube – Orte, an denen sich unsere Kinder längst bewegen. Und wir? Versuchen Schritt zu halten. Ist ein Verbot wirklich die Lösung?Oder braucht es etwas anderes – Verständnis, Austausch und echte Verbindung?Genau deshalb freue ich mich riesig, dass wir Valentina Lauer – Projektleiterin von Safe im Recht bei Der Kinderschutzbund Frankfurt – zu einem besonderen Abend bei DigitalSchoolStory begrüßen dürfen. 🌐💬Gemeinsam sprechen wir über Medien- und Methodenkompetenz und Digitale Kinderrechte. Wie wir als Eltern Brücken bauen können – statt Mauern zu errichten.Denn: Unsere Kinder sollen nicht nur Konsument:innen sein, sondern aktive, achtsame Mitgestalter:innen ihrer (auch digitalen) Welt.Und wir Eltern? Wir müssen mitgehen, verstehen und begleiten.📌Die Teilnahme ist kostenlos.📅27. Mai um 20:15 Uhr. ✔️Online.📩Anmeldung? Direkt und unkompliziert über den Link https://is.gd/5u1FYpWir freuen uns auf euch. Sophie Lüttich wird uns dieses Mal durch den Abend begleiten.Lasst uns gemeinsam hinschauen statt wegsehen.Denn Veränderung beginnt im Dialog.
… und wie ChatGPT mir noch diesen Blogbeitrag darüber geschrieben hat.
Kurzfassung: In weniger als einer Unterrichtsstunde ist aus ein paar Ideen ein prüfungsreifes Aufgaben‑Set samt Erwartungshorizont, Übersichtsblatt, Kurvendiagrammen und Titelbild entstanden – alles mit Unterstützung von ChatGPT o3. In diesem Beitrag zeige ich Schritt für Schritt, welche Prompts ich benutzt habe, wie die Antworten aussahen und welche Tricks dabei besonders geholfen haben.
1 | Der Ausgangspunkt
Ich brauchte eine Klausur für meinen Leistungskurs Politik & Wirtschaft zum Vergleich von angebots‑ und nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik.
Mein erster Prompt:
Ich brauche eine Klausur für einen Leistungskurs Politik und Wirtschaft. Inhalt soll ein real existierender journalistischer Artikel zum aktuellen Wirtschaftsgeschehen sein, an dem man angebots- und nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik vergleichen kann. Aufgabe 1 ist eine Zusammenfassung des Textes. Aufgabe 2 soll der Vergleich sein, in dem das Wissen zu den beiden Wirtschaftstheorien abgefragt wird. Idealerweise in einem kategoriengeleiteten Vergleich. Aufgabe 3 soll eine Transferausgabe mit Einbeziehung der eigenen Meinung in einer begründeten Stellungnahme sein.
ChatGPT o3 lieferte sofort ein strukturiertes Aufgabenblatt mit Punkten, Operatoren & Bearbeitungszeit. Das war bereits zu 90 % einsetzbar.
2 | Feinschliff der Aufgaben
Ich wollte die Gewichtung verändern und die Formulierungen straffen.
Mein Anpassungs‑Prompt
Die Aufgaben wurden folgendermaßen angepasst: 1. Fassen Sie … (30 BE) 2. Stellen Sie … (40 BE) 3. Entwickeln Sie … (30 BE)
Antwort‑Snippet von ChatGPT o3
„Gern! Hier die überarbeitete Aufgabenstellung mit den neuen Bewertungseinheiten …“ (es folgte die sauber aktualisierte Version)
3 | Erwartungshorizont & Bewertungsraster
Mit „Bitte einen Erwartungshorizont formulieren“ bekam ich eine tabellarische Lösungsskizze – exakt zu den neuen Punkten skaliert. Das spart mir sonst gut eine Stunde.
4 | Didaktisches Zusatzmaterial
Material
Prompt
Ergebnis
Übersichtsblatt (tabellarischer Vergleich)
„Erstelle … Übersichtsblatt … Fußnoten für Fachbegriffe“
⬇️ PDF & DOCX inkl. Fußnoten – sofort druck‑ bzw. verteilbar
Kurvendiagramme IS‑LM & AS‑AD
„Kannst du auch die Kurven dazu darstellen?“
Zwei saubere Plots, anschließend per docx eingefügt
Motivationsbild
„Bitte ein motivierendes Bild …“
👉 siehe unten – erzeugt mit der integrierten Bild‑KI
(Einfach downloaden und als Deckblatt in die Klausur einfügen.)
5 | Export & Format
Die Dateiausgabe ist entscheidend:
PDF für den sofortigen Ausdruck
DOCX für nachträgliche Änderungen
PNG für Grafiken, die in Moodle o. Ä. eingebettet werden können
Hier half mir der einfache Hinweis „Bitte als PDF“ / „Bitte auch als DOCX“ – ChatGPT o3 generierte die Dateien direkt, inklusive Download‑Link.
6 | Warum funktioniert das so gut?
Klare Operatoren Der Bot versteht Begriffe wie zusammenfassen, vergleichen, bewerten exakt aus der EPA‑Taxonomie.
Iteratives Prompting Kleine Nachfragen („mehr Punkte auf Aufgabe 1“, „Tabellenform“ …) liefern punktgenaue Updates, ohne alles neu tippen zu müssen.
Dok‑Output Durch explizite Dateiformate spare ich Copy‑&‑Paste‑Arbeit – gerade bei Tabellen ein Segen.
Visuals on demand Grafiken bieten sofort Gesprächsanlässe und steigern die Schülermotivation.
7 | Tipps für deinen eigenen Workflow
Tipp
Warum
Kurze, präzise Prompts
Je klarer die Struktur (Aufgabe 1, 2, 3), desto treffsicherer die Antwort.
Bewertungseinheiten immer gleich mitgeben
ChatGPT o3 skaliert automatisch.
Nach jedem größeren Schritt Ergebnis checken
Einmal querlesen spart Korrekturen.
Dateiformate einfordern
„Als PDF“, „als DOCX“ – und du ersparst dir Handarbeit.
Bild‑Prompts nutzen
Ein kleines Titelbild macht die Klausur gleich freundlicher.
8 | Fazit
In etwa 35 Minuten hatte ich:
ein vollständiges Aufgabenblatt (drei Aufgaben, Operatoren, Punktverteilung)
Erwartungshorizont inkl. Fachbegriff‑Checkliste
tabellarisches Übersichtsblatt + Kurvendiagramme
motivierendes Titelbild
Der Workflow mit ChatGPT o3 fühlt sich an wie eine echte Kokreation: Ich steuere Idee und didaktische Linien, das Modell liefert blitzschnell sauber formatierten Content. Genau so macht KI im Lehreralltag Spaß – und spart wertvolle Zeit für das, was wirklich zählt: Unterrichtsqualität.
Menschlicher Nachtrag: Dieser Blogbeitrag wurde komplett von ChatGPT o3 erstellt. Ich habe lediglich die Grafik eingefügt. Noch ergänzt werden sollte, dass der erste Prompt auch einen Link zum Klausurtext lieferte (tagesschau.de), den ich dann noch etwas gekürzt habe. Ich habe jetzt also eine Klausur, einen Erwartungshorizont und noch ein Arbeitsblatt zur Klausurvorbereitung für den Kurs. Natürlich habe ich die Produkte von ChatGPT nicht einfach übernommen, sondern überprüft und angepasst. Dennoch spart ein solcher Workflow viel Arbeit. Nota bene: Ich habe nicht vor meine Blogbeiträge regelmäßig von der KI (dem LLM) schreiben zu lassen!
Gestern und heute durfte ich wieder als Prüfer an mündlichen Prüfungen im Rahmen des 1. Staatsexamens für Lehrämter an meiner Alma Mater, der Goethe-Uni in Frankfurt, teilnehmen. Ich empfinde das tatsächlich als große Bereicherung, auch wenn einem nach sieben Protokollen am Stück die Hand weh tut. Interessant ist das, weil ich so noch einen Kontakt zur ersten Phase der Lehrkräfteausbildung habe und mitbekomme, was der aktuelle Forschungsstand zum Beispiel in der soziologischen Bildungsforschung ist. Ich erhalte aber auch Einblicke in mir fachfremde Bereiche, wie die Kinder- und Jugendbuchliteratur in der Grundschule. Meine beiden zentralen Erkenntnisse aus der aktuellen Prüfungskampagne sind:
In der Soziologie ist völlig klar, dass das gegliederte Schulsystem und die frühe Selektion nach der 4. Klasse nicht sinnvoll sind und die bestehenden Bildungsungleichheiten verstärken und reproduziert. Das ist durch die Studienlage, auch im internationalen Vergleich, gesichert. Diese Probleme sind strukturell verankert. Außerdem verändert die Digitalität Kindheit, indem sie neue Möglichkeitsräume schafft, aber auch zu einem Mangel an Orientierung und daher Verunsicherung führt. Der Übergang zur Wissensgesellschaft unterstreicht die Bedeutung von Bildung, was die Reproduktion von Ungleichheit noch dramatischer macht. Der frühkindlichen Bildung müsste deutlich mehr Bedeutung zukommen. Der Superdiversität muss mit individualisierten Lernprozessen begegnet werden. Die Studierenden wissen das!
Punkt 1. ist mir nicht völlig neu, wirklich spannend waren aber die Prüfungen zu (Post-)Moderner Kinderliteratur. Dort findet ein Wandel von moralisierender „Zeigefingerpädagogik“ zu Literatur mit Leerstellen und offenen Fragestellungen statt, zum Beispiel zu Themen wie Freundschaft oder Mobbing. Die Bilder- und Kinderbücher spiegeln dabei Aspekte der VUCA- und BANI-Welt wieder. Die Kinder werden mit Widersprüchlichkeiten, Volatiltät, Brüchigkeit und modernen Lebensformen konfrontiert, es geht um imaginäre Freundschaften und sexuelle Identitäten, natürlich kindgerecht.
Wir haben also, wie Stefan Ruppaner zurecht sagt, kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Und es gibt Hoffnung, weil die Studierenden das Wissen und sich auf Veränderungen einstellen. Außerdem schafft die Kinderliteratur die nötige Resilienz und Einsicht in die sich verändernde Realität. Jetzt muss nur noch Schule dort ankommen. Aber auch da sind wir dran!
Am 28. und 29. März durfte ich an der wunderbaren Albert-Schweitzer-Schule in Wetzlar bei der Veranstaltung Vision@Schule einen Workshop zu Schulentwicklung halten. Der Schwerpunkt lag auf der Initialisierung eines Entwicklungsprozesses und sollte Mut zum Aufbruch machen und Unterstützung dafür bieten. Angekündigt war der Workshop so:
Wir müssen etwas ändern! Aber Wie? Die Perspektive der Schulleitung. Viele Schulleitungen fühlen instinktiv, dass sich etwas im Schulsystem verändern muss. Aber wie geht das? Wo fängt man an? Was sind die Voraussetzungen? Worauf muss man achten? Was darf man und was nicht? Wie binde ich die Schulgemeinschaft ein? Fragen über Fragen… Ich möchte in dem Workshop mit Mitgliedern von Schulleitungen über Veränderungsprozesse und Visionen im Rahmen von Schulentwicklung ins Gespräch kommen und Handlungsoptionen für erste Schritte entwickeln. Jede Schule ist anders und braucht einen individuellen Ansatz. Im Workshop entwickeln wir, nach einem knappen Input, gemeinsam solche konkreten Ansätze und geben uns dazu Feed Forward.
Der Vortrag steht unten als Download zur Verfügung. Insgesamt war die von Astrid Kalantzis und ihrem Team organisierte Veranstaltung ein wunderbares Treffen zum Vernetzen und Austauschen. Das Programm aus Workshops mit Ulrike und Kristin van der Meer, Daniel Steh, Stephanie Lanfermann, Heidi Giese, Susanne Schäfer uvm. und Keynotes von Ferdinand Stebner, Stefan Ruppaner, Steven Bauer und Bob Blume war hochkarätig besetzt. Die zwei Tage waren voller Inspiration und Kraft, sie haben Mut zur und Lust auf Veränderung gemacht. Es zeigt sich, dass wir mehr werden, die Schule anders und besser machen wollen. Wenn wir unser Land wieder enkelfähig machen wollen und ein perspektive für die Zukunft eröffnen wollen, dann müssen wir Schule verändern und dazu braucht es Veranstaltungen wie diese. Für mich persönlich war das Highlight Stefan Ruppaner getroffen zu haben und mich mit ihm auch persönlich beim Frühstück mit den van der Meers und Steven Bauer austauschen zu können.
Ich danke Astrid und ihrem Team für zwei tolle und inspirierende Tage in Wetzlar!
Am 18.03.2025 waren die acht in diesem Schuljahr neu zertifizierten Selbstständigen Schule (SES) nach Wiesbaden in das Hessische Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen (HMKB) eingeladen. Was genau eine SES ist, wird hier erklärt: https://www.schulmun.de/2024/06/14/newsletter-17-14-06-2024/. Neben der Verleihung der Ernennungsurkunde zur SES haben die acht Schulen kurz ihre Entwicklungsschwerpunkte vorgestellt, die sie für die Zertifizierung entwickeln müssen. Die Veranstaltung wurde vom zuständigen Referatsleiter des Referat III.A.2 für Haupt-, Real- und Mittelstufenschulen, Gesamtschulen, Schulen für Erwachsene und selbstständige allgemein bildende Schulen (SES), Herrn Timo List, eröffnet und vom zuständigen Referenten Markus Geißelmann moderiert. Zum Schluss machte sogar noch der Staatsminister Armin Schwarz persönlich seine Aufmachung, beglückwünschte die Anwesenden Schulleitungen und betonte die Möglichkeiten und seine persönliche Unterstützung der SES. Interessant war bei den Präsentationen zu beobachten, dass sich viele Schulen mit individualisierten und selbstorganiserten Lernformen und mit Lesefähigkeit beschäftigen.