Blog 2025-22: Kamener Schulgespräche – Workshops und Bilanz

Am 21. September durfte ich Teil der 4. Kamener Schulgespräche sein. Alexandra Grund und Daniel Füller von der Gesamtschule in Kamen haben eine wichtige Veranstaltung zur Schulentwicklung gestaltet und organisiert. Vielen Dank für das großartige und außerordentliche Engagement!
Den Kern der Veranstaltung bilden eine Ausbildungsmesse für Schülerinnen und Schüler und eine Bildungsmesse mit Workshops für Lehrkräfte.
Ich habe zwei Workshops gehalten und wieder einmal erfahren, wie wichtig solche Veranstaltungen zur Vernetzung sind. Denn getreu dem Motte der Schulgespräche: „Gemeinsam machen wir Schule besser“, stellte ich auch in Kamen fest: „Wir werden mehr!“
Flankiert wurde die Veranstaltung durch drei inspirierende Eröffnungskeynotes von Steven Bauer, Katja Glasmachers und Lydia Clahes und einem wunderbaren Abschluss durch Stefan Ruppaner.
Vielen Dank für den tollen Tag in der kleinen und feinen Hansestadt Kamen, es war mir wirklich ein Vergnügen.

Wie versprochen und wie immer, hier die beiden Vorträge zu den Workshops:

Noch ein paar Eindrücke:

Blog 2025-21: Blogparade #kAIneEntwertung: KI, Marx und die Frankfurter Schule 

Dr. Anika Limburg, Direktorin des Bildungscampus Saarland, und Joscha Falck, Mittelschullehrer an der Mittelschule Rednitzhembach und Schulentwicklungsmoderator, haben unter dem Hashtag #kAIneEntwertung eine Blogparade ins Leben gerufen. Inhalt ist ein gemeinsames Nachdenken über menschliche Leistung und KI. Mehr zum Hintergrund und Links zu den Teilnehmenden an der Blogparade gibt es hier.
Ich habe mich bewusst entschieden, diesen Beitrag ko-kreativ mit KI zu erstellen. Natürlich entwertet dies meinen „Werkstolz“ (vgl. Beitrag von Reinmann & Vohle), aber eben auch nicht so ganz. Die Grundidee (Marx und die Frankfurter Schule) kam ja von mir und treibt mich auch schon länger um. Außerdem wäre die Ko-kreation ohne mein individuelles Vorwissen nicht möglich gewesen. KI-Text ist, abgesehen vom Teaser, kursiv gedruckt.
Um mein Fazit vorwegzunehmen: Der Einzug von KI in die Arbeitswelt gehört zu den großen Disruptionen in der Weltgeschichte, ist aber nicht deren Endpunkt und schon gar nicht deren Untergang. KI ist ein Beschleuniger für bereits länger angelegte Prozesse, sie befördert exponentielle Veränderungsprozesse (Meinen Blick auf KI und die damit verbundenen Herausforderungen für Schule habe ich bereits hier in Grundzügen dargestellt). Mein Beitrag hat einen philosophisch-soziologischen Schwerpunkt. Ich hoffe damit den Diskurs aus dieser Perspektive bereichern zu können.

ChatGPT fasst die Inhalte der bisherigen Beiträge (Stand 27.09.2025) folgendermaßen zusammen:
„Die Beiträge der Blogparade liefern ein differenziertes Bild: Bei aller berechtigten Besorgnis über Entwertung – insbesondere symbolischer, identitärer und affektiver Dimensionen – findet sich auch ein starker Wunsch, aus der Veränderung eine Chance zu machen.
Statt in eine Haltung der Gegenwehr zu verfallen, schlagen viele Autor:innen vor, Begriffe, Formate und Kulturen so umzudenken, dass KI-unterstützte Produktion nicht automatisch als Abkürzung disqualifiziert wird, sondern als legitimer Anteil einer Leistung, sofern klar reflektiert, bewertet und verantwortet.
Das zentrale Spannungsfeld lautet: Wie viel Technik darf, wie viel Mensch muss? Und wie erhalten wir Würde, Sinn und Motivation in der Leistung, wenn vieles automatisiert erscheint?“

Genau diese Fragestellung brachte mich (wieder einmal) auf die Spur von Marx und der Frankfurter Schule. Marx Werk ist eine Antwort auf die entstehende Moderne in Wirtschaft und Gesellschaft, ihm geht es um Produktionsverhältnisse und Klassenfragen. Die Frankfurter Schule überträgt diese Gedanken in die jüngere Moderne und fokussiert auf Kultur und Gesellschaft.

KI und Marx

Der Gedanke der „Entfremdung“ bei Marx wird durch KI wieder brandaktuell. Marx beklagte, dass sich der Arbeiter von seinem Werk entfremdet, weil dieses einer arbeitsteiligen Logik unterworfen wird und so das Werkstück als Teilprodukt eine Identifizierung mit dem Gesamtprodukt verhindert. Außerdem gehört das Produkt am Ende dem Besitzenden der Produktionsmittel. Die Frage des Besitzes von KI-Produkten ist noch im Klärungsprozess, aber es lässt sich festhalten, dass es, wie in vielen Beiträgen der Blogparade beschrieben, am Ende eine abstrakte Distanz vom Schöpfungsprozess eines KI-Textes oder KI-Bildes gibt. Somit ist auch fraglich, ob Marx einem KI-Produkt die Schaffung eines Mehrwertes zugestehen würde, da der Schöpfungsprozess nicht mit einem wirklichen Erarbeitungsprozess in Form von klassischer Werkarbeit verbunden ist. Gleichzeitig lässt sich aber durchaus argumentieren, dass der Entstehung eines KI-Produktes doch tatsächliche Arbeitsprozesse vorausgehen, schließlich wurde das LLM entwickelt, programmiert und trainiert, nicht zu vergessen von zahlreichen Click-Workern justiert. Es steckt also doch Arbeit in einem KI-Produkt, sogar Ausbeutung im klassischen Sinn. Und damit sind wir mitten in der ethischen Diskussion um KI. Auch diese Technologie unterliegt Ausbeutungsprozessen von Mensch und Natur und entwertet menschliche Leistung.
Gleichzeitig setzt sich, marxistisch gedacht, eine Form des Klassenkampfes fort. Es gibt privilegierte Klassen mit Zugang zu KI-Werkzeugen und deren Produktionspotenzial und es gibt Menschen, die sich den Zugang zu den spezialisierten und effektiven Tools nicht leisten können oder sogar für deren Training ausgebeutet werden. Außerdem liegt der tatsächliche Besitz der KI-Produktionsmittel in den Händen weniger Tech-Firmen und verschafft diesen nicht zu unterschätzende Macht. Letztlich kann es passieren, dass KI viele Arbeitsplätze überflüssig macht, wie einst die Maschinen in der Industrialisierung, und so eine neue Verelendung der Massen erfolgt.
Das muss in Schule thematisiert werden!

KI und die Frankfurter Schule

Adorno und Horkheimer als zentrale Vertreter der Frankfurter Schule prägen den Begriff der Kulturindustrie als ein Resultat der „Dialektik der Aufklärung“. Kultur wird zu einem reproduzierbaren Massengut, sie wird industrialisiert und zur Ware. So verliert Kultur Individualität und ihr gesellschaftlich relevantes kritisches Potenzial. KI wirkt hier als Beschleuniger und vielleicht sogar als Vollender der Kulturindustrie. Sie führt zur exponentiellen Reproduktion von Kultur und Kunst als Industrieprodukt.
In „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ analysiert Benjamin, wie technische Vervielfältigung die Aura von Kunstwerken zerstört. KI geht noch weiter: Sie produziert neue Werke, die nie ein Original, bzw. Milliarden Originale, hatten, aber so auch keine Aura. Nun könnte man argumentieren, dass Warhols Suppendosen einen ähnlichen Hintergrund hatten oder Beuys Diktum, dass jeder ein Künstler sei, hier ihre demokratische Vollendung fänden, aber am Ende scheint mir „KI-Kunst“, zumindest wie sie von den „Massen“ in Massen produziert wird, doch keine Kunst zu sein, sondern Trash (vgl. den Hype um Bildgenerierungen im Stil des „Studio Ghibli“).
Schließlich wirkt KI auch als Beschleuniger bei der Eindimensionalität des Menschen im Sinne von Marcuse. Die vermeintliche Freiheit, die KI zu bringen scheint, führt in Wahrheit doch zu einer Uniformität, Anpassung und Kontrolle. BigTech bestimmt, was wir mit KI erzeugen können und setzt unserer Kreativität klare Grenzen. Sie erzeugt „Durchschnittstexte“ und „Durchschnittsbilder“, die die Norm verstärken. Diese stromlinienförmigen Produkte, werden ungeprüft übernommen und zerstören so eigene Kritik- und Urteilsfähigkeit, der Mensch wird eindimensional.
Zuletzt muss ich noch Habermas Diskurstheorie anführen. Die vorigen Ausführungen zeigen, dass KI dem herrschaftsfreien Diskurs im Weg steht, sie schränkt kritisches Denken ein und fördert Eindimensionalität, außerdem wird sie von wirkungsmächtigen Konzernen dominiert und verursacht so Hierarchie, die der idealen Sprechsituation entgegensteht.

Fazit: KI als Bedrohung und Chance

Am Ende dieser, doch eher pessimistischen, Gedanken muss aber festgehalten werden, dass die Zeichen des Niedergangs und der Dekadenz, die Marx und die Frankfurter Schule diagnostiziert haben, doch auch nur eine Seite der Medaille waren. Die Industrialisierung und auch die Kulturindustrie haben neben Konformität auch zu steigendem Wohlstand geführt, sie haben Arbeit, Kultur und Gesellschaft verändern und tun dies immer noch, ebenso wie KI.

Für den Bildungssektor bedeutet das, dass der Erhalt von Kritikfähigkeit, das Lernen über und trotz KI, der hierarchiefreie Diskursraum und der Wert des Lernens und Menschseins an sich mehr ins Zentrum von Schule und Bildung rücken müssen. KI muss kein Verstärker der Eindimensionalität sein, sie kann auch einen deliberativen Effekt haben, indem sie neue Diskursräume schafft. Dafür muss sie aber zwingend demokratisiert werden, das heißt sie muss zu einem Gemeingut, zu einer Almende werden, auf die jede und jeder gleichermaßen Zugriff hat. Wir stehen an einem Scheideweg. KI kann in Verbindung mit Robotik große Teile der Arbeitswelt obsolet machen. Das kann zu großer Verelendung der Massen führen, kann uns aber auch vom Joch des kapitalistischen Erwerbszwangs befreien und und als Menschheit auf eine neue Stufe des Humanismus und der Mündigkeit heben. Wir haben es in der Hand.

ChatGPT schlägt alternativ folgendes Fazit vor:
„Die Blogparade #kAIneEntwertung zeigt eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Perspektiven auf KI sind: von der Sorge um den Verlust von Werkstolz bis hin zu Ideen für neue Prüfungsformate und Kompetenzen. Mein Beitrag möchte diesen Diskurs um eine kritisch-theoretische Dimension erweitern. Marx und die Frankfurter Schule machen sichtbar, dass es bei KI nicht nur um praktische Fragen von Unterricht, Noten oder Stil geht, sondern auch um tiefere gesellschaftliche Dynamiken: um Entfremdung, um Macht über Produktionsmittel, um die Industrialisierung von Kultur und um die Bedingungen für eine freie Öffentlichkeit.
Gerade darin liegt eine wichtige Ergänzung: Die Gefahr der Entwertung ist nicht allein pädagogisch oder individuell, sondern auch strukturell und kulturell. Gleichzeitig teilen Marx und die Frankfurter Schule mit vielen Beiträgen der Blogparade den doppelten Blick: Kritik an Entfremdung, Vereinheitlichung und Ausbeutung – aber auch das Bewusstsein, dass neue Technologien immer auch Chancen zur Veränderung und Befreiung enthalten.
Für die Schule bedeutet das: Sie muss nicht nur Räume für Reflexion über KI schaffen, sondern auch Kritikfähigkeit, Diskursfähigkeit und die Frage nach Gerechtigkeit ins Zentrum rücken. So kann die Debatte über Entwertung zu einer Debatte über Ermächtigung werden – und genau darin sehe ich den gemeinsamen roten Faden der Blogparade.“

Besser hätte ich es kaum formulieren können. 😉

PS:
Das KI-Fazit spiegelt die hybride Form von Textarbeit im Zeitalter von KI. Es ist gut formuliert und bringt meinen Text noch einmal prägnant auf den Punkt und schafft eine Anknüpfung an die Blogparade. Es ist entstanden als Resultat auf das KI-Feedback zu dem von mir handgeschriebenen Text, der Prompt lautete: „Bitte ein neues Fazit mit Bezug zur Blogparade formulieren“. Und das war ein wertvolles KI-Feedback, ich hatte nämlich im Schreibprozess tatsächlich die eigentliche Blogparade etwas aus dem Auge verloren. Das Fazit ist aber letztendlich doch nur bedingt ein reines KI-Produkt. Es fußt ja auf meiner intellektuellen Vorarbeit, bei der mich KI als Sparringspartner unterstützt hat.

Newsletter 25/26-03, 19.09.2025

Liebe Schulgemeinschaft,

gelegentlich kann ich innovative Schulen besuchen. So war ich schon im Referendariat an der IGS Nordend in Frankfurt, später dann an der KGS Niederrad oder der wunderbaren Richtsbergschule in Marburg, demnächst besuche ich das Gymnasium Mainz-Mombach und natürlich steht die Alemannenschule in Wutöschingen ganz oben auf meiner Liste.
Durch einen Zufall, bzw. die „Magie“ der sozialen Netzwerke“ habe ich kurzfristig die Chance gehabt, am 05. Und 06. September die Agora-Wings-Schule in Roermond in den Niederlanden zu besuchen, die auch ganz oben auf meine Liste stand.
Und ich muss sagen, ich war beeindruckt. Zwei Zitate des ersten, mittlerweile pensionierten, Schulleiters Sjef Drummen zeigen, wie anders, innovativ, human das Konzept der Schule ist:

„Man darf keine Forderungen an Schüler stellen!“

„Der Schlüssel zur Bildung ist bedingungslose Liebe“

Wer mehr darüber wissen will, kann den Bericht in meinem Blog lesen: https://www.schulmun.de/2025/09/09/blog-2025-20-agora-wings-lernen-verleiht-fluegel/.

Auch die Kolleginnen und Kollegen der Weibelfeldschule begeben sich zunehmend auf Hospitationen anderer Schulen. Eine Gruppe war an der IGS-Süd in Frankfurt, eine andere an der KGS-Niederrad, demnächst stehen das Gymnasium Mainz-Mombach und die Adolf-Reichwein-Schule in Langen an. Der Sinn dieser Hospitationen ist der berühmte Blick über den Tellerrand. Es ist immer sinnvoll, sich andere System anzuschauen, um sich etwas abzuschauen oder Fehler nicht zu wiederholen. Viele Schulen stehen vor ähnlichen Herausforderungen und es bringt nichts, wenn jede Schule das Rad neu erfindet oder die gleichen Fehler macht. Außerdem ist es beruhigend zu sehen, dass man als Lehrkraft oder als Schule mit den Herausforderungen nicht alleine ist.
Letztlich sind funktionierende innovative Schulen, die zum Beispiel individualisierte oder selbstregulierte Lernstrategien praktizieren, die selbst lernende Systeme im Sinne von Anne Sliwka sind oder mit Projektarbeit erfolgreich sind, eine selbstverständliche Kultur der Digitalität pflegen, funktionierende digitale oder analoge Lernmanagementsysteme haben oder andere erfolgreiche Prozesse implementiert haben auch ein Beleg dafür, dass so etwas geht.
Ich bitte daher um Nachsicht, wenn gelegentlich ein paar Kolleginnen und Kollegen ihren Unterricht nicht selbst halten können, weil sie unterwegs sind, um sich Anregungen und Ideen zu holen, die unsere Weibelfeldschule besser machen sollen. So wird es uns gelingen Bildung zukunftsfähig zu machen, indem wir von den Besten lernen und so unseren eigenen Weg finden, der zu unserer Schule passt.

Noch eine Anmerkung zum Nutzungsverbot mobiler Endgeräte: Die Lehrkräfte und ich sind aktuell in den Pausen und auch zu anderen Zeiten sehr mit der Durchsetzung dieses Verbots beschäftigt. Das ist natürlich nichts, was uns sonderlich Spaß macht, aber die Schulordnung sollte durchgesetzt werden. Außerdem hat das mehrere wünschenswerte und intendierte Nebeneffekte. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich mit Regeln und deren Durchsetzung auseinandersetzen und reflektieren so einen Aspekt einer demokratischen Gemeinschaft, der mit persönlichen Einschränkungen verbunden sein kann.
Außerdem wage ich zu behaupten, dass die erfolgreiche SV-Wahl mit zahlreichen Kandidatinnen und Kandidaten auch eine Folge der Regelung ist. Durch die Betroffenheit werden die Lernenden politisch aktiv und das wünsche ich mir sehr.
Ich bitte also um Verständnis für meine „Jagdtätigkeit“, das Ganze dient auch einem pädagogischen Zweck und ist Auftrag von Schule. (Das Megaphon kommt wieder weg 😁)
Ihr

Erik Grundmann

Und hier wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen, das naturgemäß nach den Ferien etwas ausführlicher ausfällt:

Interessantes
Ein Artikel aus der Zeitschrift „Eltern“ thematisiert Gamification als Unterstützung bei Lernprozessen (auch für zuhause!): https://www.eltern.de/schulkind/gamification–mit-diesem-trick-liebt-mein-kind-ploetzlich-das-mathelernen-14021976.html.
Das ifo-Bildungsbarometer 2025 war wieder Gegenstand vieler Auseinandersetzungen, hier geht es zum Volltext: https://www.ifo.de/DocDL/sd-2025-09-wedel-etal-ifo-bildungsbarometer-2025.pdf.
Die Tagesschau berichtet über die wachsende Kluft bei Bildungsabschlüssen, die eine neue OECD-Studie feststellt: https://www.tagesschau.de/inland/oecd-bildungsbericht-102.html. Die Studie gibt es hier: https://www.oecd.org/content/dam/oecd/de/publications/reports/2025/09/education-at-a-glance-2025_c58fc9ae/9783763979257.pdf.
Laut einer GEW-Studie nimmt die Überlastung bei Schulleiterinnen und Schulleitern zu, wie die Zeit berichtet: https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2025-09/gew-gewerkschaft-erziehung-wissenschaft-schulleitung-lehrer-ueberlastet.
Auf der Website von ADHS-Deutschland e.V. finden sich zahlreiche Artikel und Hinweise, die für den Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit ADHS hilfreich sind. Lohnt sich für alle Lehrkräfte: https://adhs-deutschland.de/.
Die Telekom-Stiftung über neue Wege zum Lernen, u.a. mit Bezug zur Agora-Wings in Roermond: https://www.telekom-stiftung.de/themen/lerne-lieber-ungewoehnlich.
News4Teachers über fehlende Karrierechancen und Berufsausstiege im Lehramt: https://www.news4teachers.de/2025/09/das-berufsbild-stagiert-warum-lehrkraefte-kaum-karriereperspektiven-haben-und-viele-deshalb-aussteigen/. Eine Studie zu Abgängen aus dem Schuldienst von Dieter Dohmen gibt es hier: https://www.fibs.eu/fileadmin/user_upload/images/Leistungen/FiBS_Policy_paper_006_Massenexodus_der_Lehrkraefte_241018_final.pdf.
Das ZDF weist auf eine DAK-Studie hin, die die alarmierende psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen aufzeigt, Mädchen sind besonders gefährdet und Social Media spielt natürlich auch hier eine Rolle: https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/kinder-jugendliche-gesundheit-studie-dak-100.html.

Smartphone und Social Media
Bei TikTok-Challenges ist Vorsicht geboten. Hier ein Artikel der den tragischen Tod einer Elfjährigen damit in Verbindung bringt: https://www.spiegel.de/panorama/hattingen-in-nrw-tod-einer-elfjaehrigen-ermittler-gehen-von-deo-unfall-aus-a-cf440550-b14a-40fe-b979-42a07a94d43f?sara_ref=re-so-app-sh.
Jan-Martin Wiarda gibt in seinem Blog einen aktuellen Überblick über die Debatte um Altersbeschränkungen für Social Media: https://www.jmwiarda.de/blog/2025/09/09/digitale-welt-geteilte-meinungen.
Der BR nimmt sich der Social-Media-Verbotsdebatte aus Sicht der Lernenden an, die häufig ja nicht gefragt werden: https://www.br.de/nachrichten/bayern/kritik-an-neuer-jugendschutz-kommission-fragt-uns-doch-mal,Uw1hwSU.
Das „tes magazine“ setzt sich mit Jonathan Haidt und seinen Kritikern auseinander:
https://www.tes.com/magazine/teaching-learning/general/jonathan-haidt-anxious-generation-right-about-smartphones.
Der ORF hat ein Experiment zu drei Wochen ohne Handy mit 69 Jugendlichen dokumentiert: https://on.orf.at/video/14290303/dok-1-drei-wochen-handy-entzug-das-experiment.

KI
Dr. Isabella Buck setzt sich in ihrem Blog mit der Bedeutung von KI am Arbeitsplatz auseinander. Sie fordert den Fokus von KI zur Zeitersparnis auf KI als Game Changer für Arbeitsqualität zu ändern: https://isabella-buck.com/ki-am-arbeitsplatz-mehr-als-zeitersparnis/.
Die Telekom-Stiftung hat einen Trendmonitor zu „KI in der Bildung“ herausgebracht: https://www.telekom-stiftung.de/sites/default/files/files/media/publications/trendmonitor-ki-in-der-bildung-25.pdf.
Michael Klitzsch beschäftigt sich bei „campus schulmanagement“ mit der Frage „Bildung für eine Welt im Umbruch: Welche Kompetenzen brauchen Kinder im KI-Zeitalter wirklich?“: https://www.campus-schulmanagement.de/magazin/bildung-fuer-eine-welt-im-umbruch-welche-kompetenzen-brauchen-kinder-im-ki-zeitalter-wirklich-michael-klitzsch.
AP-News zu den Folgen von KI für Hausaufgaben und Schummeln in Schulen: https://apnews.com/article/ai-cheating-school-chatgpt-4f89a552e9093ce2180471b4d4736675.
Brauchen wir einen Wandel von der Didaktik zur Mathetik? Demis Hassabis, der CEO von Google-DeepMind prognostiziert, dass das Lernen lernen die zentrale Zukunftsfähigkeit wird: https://abcnews.go.com/Business/wireStory/googles-top-ai-scientist-learning-learn-generations-needed-125526617.
Klaus Zierer fprdert im „Kurier“ ein KI-Verbot in Schulen: https://kurier.at/chronik/oesterreich/schulpaedagoge-warnt-vor-ki-im-klassenzimmer/403082712.
Ganz viele Infos zu KI gibt es auf dieser Seite des „Deutsches Schulportal“: https://deutsches-schulportal.de/schulkultur/kuenstliche-intelligenz-ki-im-unterricht-chancen-risiken-und-praxistipps.

Tipps für den Unterricht
Susanne Alles hat ein interessantes Tool für die kollektive Erarbeitung von Bewertungskriterien entwickelt: https://teacherette-total.blogspot.com/2025/09/vom-konsens-zum-feedback.html.
Das Mindset der Lehrkraft ist entscheidend für den Erfolg der Lernenden, so Alexandra Mankarios beim „Deutsches Schulportal“: https://deutsches-schulportal.de/bildungsforschung/growth-mindset-was-lehrkraefte-mit-dem-wachstumsdenken-bewirken-koennen.

Leseempfehlung
Frederic Laloux: Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, München 2017.
Das Buch gehört zwar eher in die New Work-Sparte, ist aber sehr aufschlussreich, wie sich Unternehmenskulturen in der Wirtschaft verändern. Daraus können auch Schulen lernen. Außerdem enthält das Buch die tröstliche Botschaft, dass wir uns aktuell in einer Phase eines „Evolutionssprungs“ befinden könnten, der zwar mit Disruptionen verbunden ist, aber schließlich in einer besseren Welt endet. Eine Rezension gibt es unter: https://www.leadershipjournal.de/buchkritik-reinventing-organizations-visuell-frederic-laloux/, eine kritische Sicht unter: https://unternehmensdemokraten.de/2017/02/09/6630-2/..

Hörempfehlung
Die Hörempfehlungen kommen heute mal aus dem Kollegium, worüber ich mich freue und wofür ich mich bedanke!
Frau Reinelt empfiehlt einen SPIEGEL-Podcast mit dem Neurowissenschaftler Henning Beck, dessen Grundaussage ist, dass menschliches Denken viel mehr ist als „nur“ Intelligenz und daher nicht durch KI ersetzt werden kann: https://www.spiegel.de/gesundheit/ki-wie-bleibt-das-denken-unser-menschlicher-vorteil-podcast-a-f400f7b8-d560-4f6b-bcc0-cdd4341aef17.
Herr Subtil empfiehlt den Podcast des HR von „Der Tag“ zum Handyverbot an Schulen: https://www.hr-inforadio.de/podcast/der-tag/status-aufmerksam-handy-verbot-an-schulen,podcast-episode-143796.html.
Und von mir gibt es noch den Hinweis, dass es neue Folgen von „Psychologie fürs Klassenzimmer von Benedikt Wisniewski gibt, in der ersten Folge geht es um das Wohlbefinden von Lernenden: https://open.spotify.com/episode/2Uf5I5aGblEs6kkirVLkO2?nd=1&dlsi=5eca4e1127e44f93.

Sehempfehlung
Wer sich über die Alemannenschule und die Schmetterlingspädagogik informieren möchte, sollte dieses Video von SiA mit der Konrektorin Patricia Schmidt sehen:  https://www.youtube.com/watch?v=N8PjHzEUuas.

Veranstaltungsempfehlung
Am 30.09. kommt Silke Müller ins Bürgerhaus, es gibt noch ein paar Karten zu 2€: https://www.buergerhaeuser-dreieich.de/programm/veranstaltungen/silke-mueller.
Am 27. Oktober soll das 2. „Bildungsbier“ an der Weibelfeldschule stattfinden. Das „Bildungsbier“ ist eine offene Veranstaltung zur Vernetzung für alle, die sich irgendwie für Bildung interessieren. Anmeldungen und Informationen bitte über Robin Klem (r.klem(at)weibelfeldschule.de)Spaß im Netz
Mit der Blop-Oper kann man eigene Arien „komponieren“, diese Wiederentdeckung hat mich eine Weile abgelenkt: https://artsandculture.google.com/experiment/blob-opera/AAHWrq360NcGbw?hl=en

Blog 2025-20: Agora-Wings – Lernen verleiht Flügel

Vorbemerkung: Seit ich von den Agora-Schulen in den Niederlanden gehört habe, wollte ich unbedingt eine dieser Schule besuchen, wusste aber auch, dass das mit Wartezeiten verbunden ist. Bis ich mitten in den Sommerferien über LinkedIn mit Sjef Drummen, einem der Gründer, in Kontakt kam, der mir den Tipp gab, dass im September eine Delegation der Akademie des Bistums Mainz, geleitet und moderiert von Titus Möllenbeck und mit Hans Werner Jorda, pensionierter Schulleiter aus Frankfurt als Referent, nach Roermond fahren würde und es wohl noch Plätze gebe. Da habe ich sofort Kontakt aufgenommen und zugesagt und drei schöne Tage in den Niederlanden verbracht. Spoiler: Ich empfehle unbedingt eine Agora-Schule zu besuchen (und Roermond selbst ist auch ein schönes Städtchen)!

Am Freitag, dem 05. September 2025, stand ich endlich vor der Agora-Wings-Schule in Roermond und freute mich darauf, eine innovative Schule kennen zulernen, die auch schon als die beste Schule der Welt bezeichnet wurde (hier bei „Kosmo“), eine Schule, die schon von Delegationen aus aller Welt besucht wurde und deren Architektur und Konzept mehrfach ausgezeichnet wurden.

Die Agora-Wings Schule in Roermond ist eine öffentliche Schule mit ca. 300 Schülerinnen und Schülern, die sich das Gebäude mit einer berufsbildenden Schule teil. In den Niederlanden werden die Schulgebäude von den Gemeinden gestellt und es wird eine jährliche Pauschale pro Schülerin oder Schüler gezahlt, von der alle Ausgaben für den Schulbetrieb bezahlt werden müssen, mit Ausnahme der Lehrkräfte, die vom Land bezahlt werden. Die Schulen haben eine große curriculare und pädagogische Freiheit, am Ende der Schullaufbahn werden zentralisierte Abschlussprüfungen auf verschiedenen Niveaus angeboten. Es gibt staatliche Inspektionen zur Sicherung der Qualität.

Geschichte
Die historischen Wurzeln der Agora-Schulen liegen in den 2000er-Jahren. 2003 haben Sjef Drummen, Kunstlehrer und späterer Gründungsschulleiter, und drei Schulleiter-Kollegen (Jan Fasen, Bert Sterken, Bert Martens) mit den Planungen begonnen und gemeinsam ein Manifest verfasst.

Diese drei Lehrkräfte haben das Konzept der Schule erarbeitet, später kam ein Architekt dazu, der einen Entwurf für ein Gebäude entwickelt hat. Ziel war: „Kein Unterricht mehr!“, so Sjef Drummen. 2007 war das Gebäude fertig und wurde mit Preisen bedacht. Es kamen Besucher aus aller Welt um sich Gebäude und Konzept anzuschauen.

Von Beginn an sollte ein innovatives Konzept die Schule prägen, es gibt eine 1:1 Ausstattung mit Laptops, einem zugehörigen Full Service und einem Gerätetausch alle drei Jahre. Zunächst gab es am Vormittag noch „traditionellen“ Unterricht nach Stundenplan und Nachmittags Projekte, die beflügeln sollten („Wings“). Nach sechs Jahren stellte sich dann die Frage, ob die Schule sich, wie von den Schülerinnen und Schülern gewünscht, radikal weiterentwickeln sollte und mit dem traditionellen Unterricht brechen sollte. Die Entscheidung fiel Richtung Innovation und der Unterricht wurde mit einem 2013-14 entwickelten Konzept endgültig abgeschafft. Es gab keine Tests mehr, keine Noten, kein Sitzenbleiben, kein Lehrplan und keine Lehrkräfte, keine Hausaufgaben mehr, sondern Lerncoaches.

Die neue Agora-Wings Schule startete dann 2014 mit 14 Lernenden, aktuell gibt es 32 Agora-Schulen in fünf europäischen Ländern und Israel. Seit 2016 können höhere Abschlüsse erreicht werden, die Schülerinnen und Schüler erreichen dabei überdurchschnittliche Ergebnisse.

Wie wird gelernt?
Die Kernidee ist, dass Kinder am besten ohne jeglichen Druck lernen. Drummen ist überzeugt, dass sich die Qualität des Lernens ohne Lehrer erhöhe. Traditionelles Lehren bremse Entwicklung, seine Forderung: „Wir brauchen Lehrer 2.0!“.

Diese Lehrkräfte sind dann Lerncoaches, die 18 Schülerinnen und Schüler begleiten und keine Forderungen stellen, außer an das soziale Zusammenleben; die Coaches betreiben Menschenbildung. Agora-Wings ist dezidiert keine Schule, sondern eine Lerngemeinschaft, die über das Gebäude hinausgeht. Teil der Lerngemeinschaft sind auch die Eltern und die Kommune. Gemeinschaftssinn ist wichtiger als Wissen. Der oder die Lernende bestimmt den Weg, der Lerncoach hat eine dienende Funktion und verführt bestenfalls zum Lernen.

„Wir sind keine Schule. Wir bringen euch nichts bei. Es ist euer Gehirn. Ihr werdet lernen. Wir unterstützen euch in jeder Hinsicht beim selbstständigen Lernen. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür. Wir unterstützen dein Selbststudium. Und du musst das nicht für uns tun. Wir rennen dir nicht hinterher. Wenn du dich auf deinen Lorbeeren ausruhen und nichts tun willst, ist das auch in Ordnung. Aber wenn du die Welt erobern und gut werden willst, musst du sehr hart arbeiten.“, so beschreibt Drummen die Haltung gegenüber den Lernenden.
Die einzigen Verpflichtungen für die Schülerinnen und Schüler bestehen aus zwei Stunden Sport in der Woche und einer halben Stunde Stille (schlafen, lesen, meditieren) in der Mittagspause. Das zwanglose Lernen findet in so genannten „Challenges“ oder „Masterclasses“ statt.


„Man darf keine Forderungen an Schüler stellen!“

„Der Schlüssel zur Bildung ist bedingungslose Liebe“

Sjef Drummen,
ehemaliger Schulleiter und Mitgründer von Agora-Wings


In den ersten Jahren an der Schule machen die Schülerinnen und Schüler so genannte „Challenges“, das sind von ihnen selbst entwickelte Fragen, bei deren Beantwortung sie das Lernen lernen. Die Kinder lernen alters- und leistungsgemischt mit- und voneinander. Laut Sjef Drummen lernen die Kinder so 80% der später erforderlichen Prüfungsinhalte selbstständig. Wer dann einen Abschluss macht, lernt in den letzten beiden Jahren die fehlenden 20% bei Lehrkräften von anderen Schulen, die zu bestimmten Zeiten zur Verfügung stehen.
Drummen nennt das Prinzip „relationales autonomes Lernen“. Die Lernenden lernen ohne Zwang von Vorbildern und autonom. Neugierde sei der Motor des Lernens und Vorstellungskraft der Treibstoff. Aufgabe der Lerncoaches ist es für das Wohlbefinden der Lernenden zu sorgen, nicht das Kind stehe im Mittelpunkt, sondern dessen Entwicklung. Die Lernenden sind frei und haben doch einen Rahmen, es gibt keine Konkurrenz und keine Vergleiche. Sie bilden „Lerngemeinschaften zur Potentialentfaltung“ im Sinne Gerald Hüthers. „Wir können nichts ins Gehirn der Kinder reintun, wir können sie nur zum Lernen verführen“, so Drummen. Jedes Gehirn sei einzigartig und brauche eigene Rezepte. Motivation entstehe aus Freiwilligkeit, Arbeitsaufträge zerstören Motivation – eben Lernen ohne Zwang. Die Motivationstheorie von Decy und Ryan wird hier umgesetzt, indem Autonomie, Verbundenheit und Kompetenz im Vordergrund stehen. An der Agora-Schule geht man davon aus, dass Kinder lernen und gut sein wollen. Ein Fokus auf Wissen würde den Lernprozess verhindern, Wissen ist ein Nebenprodukt von Entwicklung und kommt automatisch.

Die „Challenges“ folgen einem bestimmten Format. Die Themen entstehen durch Fragen, die in einem digitalen Portfolio festgehalten werden: „Warum möchte ich diese Herausforderung? Wie gehe ich sie an? Werde ich sie alleine oder mit anderen Schülern bearbeiten? Wie viel Zeit werde ich voraussichtlich brauchen? Wem könnte mir helfen? Kann ich die Antwort online finden? Muss ich irgendwo außerhalb der Schule die Antwort suchen? War mein Zeitplan ausreichend? Welches Feedback habe ich vom Coach erhalten? Was habe ich gelernt? Was werde ich beim nächsten Mal anders machen?“ Der Lernprozess wird von den Lerncoaches begleitet und mit den Lernenden reflektiert, wobei die Frage nach dem Gelernten und den Konsequenzen für die nächste „Challenge“ im Vordergrund stehen. Bei der Beantwortung der Fragen entstehen mehr neue Fragen und das ist für Sjef Drummen die Essenz des Lernprozesses.

Der immer gleiche Ablauf der Lernprozesse soll den Lernenden Halt und Orientierung, Klarheit und Sicherheit geben. Eine Bewertung des Geleisteten findet durch formatives und wertschätzendes Feedback durch Coaches und Mitlernende statt. Da die Lernprozesse autonom initiiert sind, entsteht eine hohe Motivation, sodass sich die Lernenden ohne Zwang lange und auch noch zuhause mit ihren Fragen beschäftigen und so vertieft und nachhaltig lernen.
Zur Unterstützung der Lernprozesse dürfen Handys und Laptops genutzt werden, da diese das Wissen der Welt beinhalten. Die Schule ist über WhatsApp mit den Lernenden in Verbindung. Die Schülerinnen und Schüler sind oft außerhalb der Schule unterwegs, um dort Teile ihrer „Challenges“ zu erledigen, dabei werden sie über die Standortfreigabe in WhatsApp begleitet.

Die Lerncoaches
Die Lerncoaches begleiten die Lernenden bei ihren „Challenges“ und führen wöchentliche Lernentwicklungsgespräche (30 Minuten) durch. Sie begleiten die „Challenges“ und „Masterclasses“ von in der Regel 18 Lernenden. Sie kommen morgens um 08:00 Uhr in die Schule und bleiben bis 16:30 Uhr, die Schülerinnen und Schüler sind von 09:00 bis 14:30 Uhr anwesend. Die Zeiten ohne Lernende nutzen die Lerncoaches für Besprechungen und Planung, nach 16:30 Uhr ist die Arbeit erledigt, es gibt ja keine Korrekturen, Vorbereitungen usw. Es war allerdings wenig überraschend, dass während unseres Besuchs auch um 17:00 Uhr noch Lernende und Lehrende vor Ort waren.

Laut Drummen besteht „die Aufgabe der Bildung darin, junge Menschen heranzubilden, die ein hohes Verantwortungsbewusstsein für ihren Beitrag zur Gesellschaft empfinden. Weltorientiertes Lernen. Damit meine ich eigenverantwortliche, selbstdisziplinierte, einfühlsame, glückliche und demokratische Bürger. Dies kann nur erreicht werden, indem Schülerinnen und Schülern durch einen relationalen, autonomen Lernansatz die Erfahrung vermittelt wird, dass sie für ihre eigene Entwicklung verantwortlich sind.“
Überschreiten Schülerinnen oder Schüler Grenzen, führt dies nicht zu einer Strafe, sondern einem Gespräch. Mobbing gibt es in einer Agora-Schule eigentlich nicht, da gute Beziehungen zwischen allen in der Schule und zur Welt ein zentrales Lernziel sind.

Wenn neue Lerncoaches eingestellt werden sollen, müssen diese mit den Schülerinnen und Schülern sprechen, die dann über die Eignung entscheiden.

Eltern
Eltern spielen im Universum der Agora-Schulen eine entscheidende Rolle. Mit Eintritt des Kindes in die Schule verpflichten sich Eltern ihre Kompetenzen einzubringen. In „Masterclasses“ wird Wissen vertieft und diese werden von den Eltern angeboten. Will eine Gruppe von Kindern zum Beispiel Lakritzeis machen, finden sich Eltern, die dabei unterstützen können, es kann aber auch sein, dass sich eine Gruppe mit Quantenphysik oder Astronomie beschäftigt. Die „Mastererclasses“ finden meistens außerhalb des Schulgebäudes in Unternehmen, Kanzleien, Werkstätten usw. statt und gehen über mehrere Wochen. Im Rahmen von „Masterclasses“ sind Lernende schon nach Kenia gereist, um Elefanten zu studieren oder haben sich eine Weile in Nepal aufgehalten, um herauszufinden, ob sie Kulturanthropologie studieren wollen.

Fazit
Sicher, die Anzahl der Lernenden in einer Agora-Schule ist überschaubar und diese Art von Schule lockt sicher auch nur begrenzt die so genannten „bildungsfernen Schichten“ an. Auch bei aller Nutzung von rechtlichen Grauzonen, sind gewisse Aspekte des Konzepts nicht auf Deutschland übertragbar. Dennoch zeigt die Agora-Wings-Schule, was möglich ist, wenn Kinder ohne Druck und intrinsisch motiviert lernen. Das Lernen ist nachhaltiger, demokratischer und menschlicher. Und am Ende sogar effektiver und günstiger. Entscheidend ist, wie immer eigentlich, die Haltung aller an Schule Beteiligten. Da müssen wir ansetzen, eigentlich ist es ganz leicht, wir müssen den Lernenden auf Augenhöhe begegnen und ihre Bedürfnisse ernst nehmen, sie wahrnehmen und begleiten ohne zu überwältigen. Klingt ganz leicht und ist so schwer.
Jede Lehrkraft sollte einmal eine Agora-Schule besuchen!

Epilog
Am Ende unserer Führung durch die Schule sind wir auf den 16jährigen Lucas getroffen, der an einem Freitag um 17:00 Uhr noch mit einem Freund an einem Roboter gebastelt hat. Er will Mechatronik studieren. Angefangen hat er mit Arduinos und Lego Robotik in „Challenges und „Masterclasses“, jetzt trainiert er für die Teilnahme an internationalen Robotik-Wettbewerben. Lucas spricht ein perfektes Englisch – und hatte noch nie eine Stunde Unterricht.

Link zur Schule: https://wingsroermond.nl/agora.

Weitere Eindrücke

Alle Bilder: Erik Grundmann ©

WfS-11: Es wird ernst.

Nachdem wir in den letzten beiden Jahren Rahmenbedingungen und Strukturen für moderne Schulentwicklung geschaffen haben (siehe andere Beiträge in diesem Blog), wird es jetzt konkreter und damit ernster.
Konkret habe ich mir eine Kladde zu selbstreguliertem Lernen angelegt. Der Grund dafür ist ein Auftakttreffen vom vergangenen Dienstag in unserer neuen Zukunftsschmiede, bei dem sich ein Gruppe von Kolleginnen und Kollegen auf den Weg gemacht hat das selbstregulierte Lernen zu ergründen, um im übernächsten Schuljahr im Jahrgang 5, bzw. in Teilen von diesem, damit anzufangen.
Im Protokoll heißt es dazu in einer Art Präambel: „Die Teilnehmenden betonten das grundsätzliche Interesse am gemeinsamen Austausch und an innovativen Konzepten für zukünftiges Lernen. Dabei wurde hervorgehoben, dass es sinnvoll sei, Schule von Grund auf neu zu denken und über den Rahmen einzelner Klassen hinauszugehen. Gleichzeitig bestand Einigkeit darüber, dass eine fächerübergreifende und ggf. jahrgangsübergreifende Zusammenarbeit wichtig ist, insbesondere in Verbindung mit Teamteaching und regelmäßigem Austausch im Kollegium.“ Basis dafür wird selbstreguliertes Lernen sein, auch wenn dieser Begriff für unsere Schule inhaltlich noch ausgeschärft werden muss. Laut Protokoll ist die Ausgangsbasis für den Diskussionsbegriff zur Begriffsschärfung: „Selbstreguliertes Lernen wird verstanden als eigenständiges Arbeiten an Projekten und Themen, begleitet durch Reflexion und Lernentwicklungsgespräche. Zentrale Elemente sind Methodenkompetenz, Strukturierung des Lernprozesses und Stärkung der Eigenverantwortung.“
Das entspricht dem Mandat für unseren Schulentwicklungsprozess und muss nun im Rahmen der oben erwähnten Strukturen in die DNA-Gruppe und ins Kollegium gespiegelt werden. Das Projekt „WfS 2030“ ist auf Kurs!
Ich muss gestehen, ich bin schon etwas stolz auf diese Entwicklung, die die Weibelfeldschule eingeschlagen hat. Ich bin aber nicht nur stolz, sondern auch voll Hoffnung und ja, auch voller Enthusiasmus, dass es uns gelingen kann, hier bei uns einen Beitrag zur Modernisierung des Schulsystems zu leisten.
Ich werde weiter berichten.

Blog 2025-19: Vortrag KI-Basics

Heute durfte ich einen Vortrag vor Oberstufenlehrkräften halten. Es ging um eine Einführung zu KI in der Schule mit einem Schwerpunkt auf der Oberstufe. Dem positiven Feedback zufolge, scheint dies gelungen zu sein.

Wie meine letzte Vorträge, stelle ich auch diesen gerne öffentlich zur Verfügung.

Blog 2025-18: Die (bildungs-)politische Dimension von KI

KI spielt im politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Diskurs, aber auch in der Bildungs- und Schulpolitik eine untergeordnete Rolle und das ist fatal.

Das ist sicher eine steile These. Die deutsche Industrie entdeckt gerade ihre KI-Kompetenzen bei der Auswertung von Maschinendaten, aber im Mittelstand ist KI noch nicht angekommen. Die EU hat schon gesetzliche Regulierungsmaßnahmen geschaffen, die teilweise kontrovers diskutiert werden, in der Breite sind diese aber noch nicht angekommen. Es gibt „Leuchtturmschulen“ die vorbildlich mit KI umgehen und Ed-Techs, die tolle Anwendungsmöglichkeiten bieten, sogar Bundesländer, die diese Anwendungen ihren Schulen zur Verfügung stellen, aber auch in den Schulen ist KI noch lange nicht in der Breite angekommen. Es gab schnell Handreichungen, aber sonst ist in vielen Bundesländern nicht viel passiert.
In allen Bereichen wird immer wieder, zumindest implizit, suggeriert, dass es Wichtigeres zu diskutieren gebe.
Dabei haben viele Staaten schon erkannt, dass KI in Lehrpläne gehört, mit Fördergeldern versehen werden muss und in Anwendungen integriert werden muss. China und die USA liefern sich einen Wettlauf um immer bessere KI-Modelle und Europa erwacht langsam mit zarten Ansätzen. KI wird in vielen Bereichen eine immer stärkere Rolle spielen. In der Medizin, im Umgang mit großen Datenmengen, bei autonomen Steuerungssystemen, bei der Datenverarbeitung, im Journalismus, bei der Erzeugung von Verträgen, im Militär, in der Robotik, im Handwerk, eigentlich in nahezu allen Lebensbereichen.
Menschen lassen sich von KI in Sachen Wissen, Geld, Liebe usw. beraten, gehen sogar neue Formen von Beziehungen mit KI-Avataren ein.
KI wird zum Begleiter, Organisator, Tutor, Berater; KI-Agenten übernehmen komplexe Aufgaben und organisieren Lebensbereiche im Privaten, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft.
Ki ist ubiquitär und bestimmt jetzt schon Teile unseres Lebens, auch an Stellen, an denen wir es gar nicht merken und wir befinden uns im Grunde erst am Anfang einer Entwicklung, bisher ist die immer wieder angekündigte „KI-Eiszeit“, eine lange Phase von Stagnation in der Weiterentwicklung von KI-Modellen, nicht eingetreten. Im Gegenteil: Es tun sich immer neue Anwendungsfelder auf, von denen wir, wenn überhaupt, nur am Rande etwas mitbekommen, zum Beispiel beim Militär oder beim Maschinenmanagement in Fabriken.

Bei aller Kritik an den Unzulänglichkeiten, Halluzinationen, ökologischen und ethischen Auswirkungen und dem Bias von KI, tendiere ich dennoch zu der Annahme, dass KI, oder aktuell noch besser gesagt: Maschinelles Lernen und neuronale Netze und deren Anwendung Schlüsseltechnologien für die Zukunft sind.
Ob und wie wir uns damit auseinandersetzen, hat also eine stark politische Dimension. Wir brauchen eine Rahmengesetzgebung und spezielle Regulierungen für Bildung oder Industrie. Wir brauchen staatliche und private Infrastruktur, Investitionen und vor allem die Bereitschaft uns auf den Weg zu machen. Dafür muss Politik arbeiten und Anreize schaffen.

Im Grunde gibt es für die Politik, im Sinne des Dagstuhl-Dreiecks für Bildung in der digitalen Welt aus der Informatik drei relevante Dimensionen:
1. Eine technische Dimension. Wie funktioniert KI?
2. Eine Anwendungsdimension. Wie nutze ich KI?
3. Eine gesellschaftlich-kulturelle Dimension. Wie wirkt KI auf mich und die Gesellschaft?
Die Aufgabe der Politik ist es nun, für 1. Rahmengesetze zu schaffen. Welche Daten dürfen fürs Training verwendet werden, welche Sicherheitsmechanismen müssen eingebaut werden? Zu 2.: wie schützen wir Kinder, aber auch, wie schützen wir Erwachsene vor Missbrauch der und durch KI-Anwendungen. Und 3. Welche Bereiche der Gesellschaft wollen wir in die Hand von KI geben, wie gehen wir mit dem KI-Bias um oder was bedeutet es, wenn es wirklich zur AGI, der dem Menschen überlegenen Superintelligenz kommt?
Von Interesse ist außerdem, welche Jobs von KI bedroht sind und werden, welche neuen Jobs entstehen, wie kann KI uns helfen Probleme zu lösen? Im Bereich des Moleküldesigns geschehen gerade große Fortschritte, die sich auf Medizin, Umweltschutz und viele weitere Bereiche auswirken.

Für Schulen, aber auch für lebenslange Bildung, von der frühkindlichen Bildung bis zur Rente und darüber hinaus wird KI in der Zukunft eine immer stärkere Rolle einnehmen. Sei es im Bereich der Diagnose, des Tutorings oder auch der Verwaltung und der Datenanalyse. Wegweisende Anwendungen und Pilotprojekte existieren schon, aber ich vermisse eine breite Diskussion dazu. Im Moment gibt es unter Lehrkräften zwei wesentliche Gruppen, die kleiner besteht aus KI-Pionierinnen und -Pionieren, die sich im Sinne der 4A von Doris Weßels (aufklären, ausprobieren, akzeptieren, aktiv werden) auf den Weg machen und eine größere Gruppe die so tut, als hätte das alles nichts mit ihnen zu tun.
Die Studie „KI an europäischen Schulen“ von IPSOS im Auftrag der Vodafone Stiftung vom Anfang des Jahres kommt zu folgenden Ergebnissen:

•74% der 12-17-Jährigen halten KI für bedeutend für die berufliche Zukunft
•56% nutzen KI zur Recherche, 45% für Erklärungen und 31% zur vollständigen Lösung von Aufgaben
•Nur 36% berichten von schulischen Regularien
•Nur 44% halten Lehrkräfte für ausreichend kompetent
•49% befürchten durch KI mehr Ungleichheit und 27% fühlen sich abgehängt
•48% fürchten Mobbing durch Deep Fakes

In anderen Studie ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler die KI für schulische Arbeit nutzen deutlich höher. Das können wir doch nicht ignorieren. Fast drei Jahre nach dem Durchbruch von ChatGPT gibt es in vielen Schulen noch keine Strategie zum Umgang (Funfact: Ein KI-Verbot ist keine Strategie).
Wir müssen die drei oben beschriebenen Dimensionen im Umgang mit KI endlich in die Schule holen. Wir müssen den Lernenden beibringen, wie KI funktioniert, wir müssen sie in der sinnvollen Anwendung schulen und wir müssen sie kritisches Denken im Umgang mit KI und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft lehren.
Die sozialen Medien werden von KI-Bots geflutet, die tendenzöse Beiträge und Kommentare veröffentlichen, um so Einfluss auf den politischen Diskurs zu nehmen und unsere Gesellschaft zu polarisieren. Deepfakes sind teilweise kaum noch zu erkennen, sind als trampolinspringende Hasen vielleicht noch witzig, können aber im politischen Diskurs großen Schaden verursachen. Gerade erst kam heraus, dass Meta-Chatbots unangemessen mit Jugendlichen interagiert haben, es gibt Fälle in denen Jugendliche von KI-Bots in den Tod getrieben wurden. Außerdem vergrößern wir im Moment die Spaltung der Gesellschaft, da ein Teil der Bürger, der Schülerinnen und Schüler die Chance hat sich mit KI (fort-)zu bilden und der andere Teil immer weiter abgehängt wird, weil er sich nicht damit beschäftigt oder oder den Zugang nicht leisten kann.
All das können wir doch alles nicht einfach geschehen lassen. KI bietet unglaubliche Möglichkeiten und bedroht gleichzeitig unser Bildungssystem und unser pluralistische freiheitlich-demokratische Grundordnung, unser Wirtschaftssystem und unser psychische Gesundheit. Und damit sind wir wieder bei der politischen Dimension. Wir brauchen einen politischen und gesellschaftlichen Diskurs, wie wir mit Künstlicher Intelligenz umgehen wollen, gleichzeitig müssen wir die Menschen zu diesem Diskurs befähigen, was Aufgabe des Bildungssystems ist.

Nichts zu tun, ist fatal.

Eine Menge Links zu KI gibt es hier.

Nachtrag
Dieses Papier des Bundestags bestätigt imho meine Aussagen: https://www.bundestag.de/resource/blob/1058904/7362e1bfab54b947f6ee3e661bec1706/WD-8-004-25-pdf.pdf.

Thorsten Möller (Stv. Sl.) zu Schulentwicklung

Liebe Leserinnen und Leser,

manchmal sind es die beiläufigen Fragen, die sich im Kopf festsetzen.
„Magst du nicht einen Beitrag für den Blog schreiben – aus Sicht des Stellvertreters?“ fragte mich mein Schulleiter vor einigen Tagen.

Mein erster Gedanke? „Jetzt? Sein Ernst? Vielleicht in den nächsten Ferien…?“ Die Liste der anstehenden Aufgaben glich eher einem Buch als einem Zettel.

Und doch blieb die Frage in mir hängen. Einige Tage später saß ich in der Bahn – zwei längere Fahrten. Stunden, in denen sich Gedanken lösen können, während draußen Felder, Wälder und Bahnhöfe vorbeiziehen. Stunden, in denen man nicht nur die Landschaft an sich vorbeigleiten sieht, sondern auch Pläne schmiedet, Dinge reflektiert und Fragen nachhängt.

Immer wieder tauchten sie auf: Bilder meines Schulalltags. Unterrichtsverteilung. Stundenpläne. Die bevorstehende Dienstversammlung. Und über allem die Frage: Wie wird sich die Weibelfeldschule weiterentwickeln?

Seit 2006 bin ich Teil der Schule. Alles begann mit einem Orientierungspraktikum zu Beginn meines Studiums. Als ehemaliger Schüler eines klassischen Gymnasiums war mir die Welt einer Gesamtschule völlig fremd. Doch schon nach kurzer Zeit war ich fasziniert von der Vielfalt, der Unterschiedlichkeit, dem gemeinsamen Lernen unter einem Dach – trotz ganz verschiedener Ausgangspunkte.

Viele Jahre habe ich in der Kinder- und Jugendarbeit in Kirche und Sportverein verbracht. Diese Zeit hat meinen Blick geschärft, mich gelehrt, früh über den Tellerrand zu schauen und Bildung nicht nur aus der Perspektive des Klassenzimmers zu denken.

Die Weibelfeldschule habe ich aus fast allen Perspektiven kennengelernt: als VSS-Kraft (früher „U+“), im Referendariat, als Lehrkraft, Stufenleiter und nun als stellvertretender Schulleiter. Hätte mir das vor zehn Jahren jemand prophezeit, ich hätte wohl herzlich gelacht. Heute aber kenne ich wohl jeden Winkel des Hauses wie meine eigene Hosentasche.

Mein Supervisor hat es einmal so formuliert: „Der Schulleiter ist der Außenminister, der Stellvertreter der Innenminister.“
Das trifft es ziemlich genau. Während der Schulleiter die großen Linien nach außen vertritt, kümmere ich mich um das Innenleben: Unterrichtsverteilung, Stunden- und Vertretungspläne, Personalfragen, Budget, Ganztag.

Kurz gesagt: Ich halte das operative Geschäft am Laufen. Doch genau hier beginnt für mich auch Schulentwicklung – nicht in fernen, wolkigen Zukunftsvisionen, sondern in klaren, konkreten Aufträgen für das Hier und Jetzt.

Visionen haben einen schönen Klang. Aber die Realität verändert sich schneller, als man manchmal denkt. Was heute noch Sinn ergibt, kann morgen schon überholt sein. Zu allgemeine Visionen wirken beliebig, zu konkrete können durch veränderte Rahmenbedingungen rasch an Relevanz verlieren.

Darum glaube ich: Wir brauchen weniger ein perfektes Zukunftsbild, kein Wunsch einer Utopie, sondern smarte Ziele. Meilensteine, die erreichbar sind und gemeinsam gefeiert werden können.
So kann man auf das gemeinsame Ziel hinarbeiten, nächste Schritte gehen, behält Raum für Anpassung und stellt die entscheidende Frage: Was tun wir jetzt?

Hier passt für mich das biblische Bild vom Senfkorn:
Ein Mann sät das kleinste aller Samenkörner auf seinen Acker. Es ist winzig, unscheinbar. Doch mit Zeit, Nährstoffen und Licht wächst es zu einem großen Baum heran, der alle anderen Pflanzen überragt. In seinen Zweigen finden sogar die Vögel des Himmels Platz.

Schulentwicklung funktioniert genauso: Wir müssen das kleine Korn säen, hegen und pflegen. Wir brauchen Geduld, Ausdauer und ein klares Ziel – so wie Pflanzen dem Licht entgegenwachsen. Der Baum entsteht nicht über Nacht, sondern durch stetige und vor allem verlässliche Arbeit.

Bevor wir über Entwicklung sprechen, müssen wir uns bewusst machen, welche Rolle wir als Lehrkräfte im Leben der Schülerinnen und Schüler spielen.
Denken Sie an Ihre eigene Schulzeit zurück: Vielleicht fällt Ihnen sofort ein Geruch im Gebäude ein, ein Klassenraum, ein Ausflug, ein bestimmtes Gespräch. Und mit Sicherheit gibt es ein paar Lehrkräfte, die Sie bis heute nicht vergessen haben – im Positiven wie im Negativen.

Wir prägen junge Menschen weit über den Unterricht hinaus. Wir begleiten sie in einer entscheidenden Phase ihres Lebens. Diese Verantwortung kann man gar nicht hoch genug einschätzen.

Der Jesuitenpater Alfred Delp, der von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde, formulierte einen Satz, der mich seit vielen Jahren begleitet:
„Wenn durch einen Menschen ein wenig mehr Liebe und Güte, ein wenig mehr Licht und Wahrheit in der Welt war, dann hat sein Leben einen Sinn gehabt.“

Für mich ist das mehr als ein schönes Zitat – es ist ein Kompass. Äußere Strukturen wie Gesetze, Verordnungen und Prüfungsordnungen sind wichtig. Aber sie allein bringen weder Bildungserfolg noch einen echten Schulabschluss. Entscheidend sind Haltung, Begleitung und der gemeinsame Weg.

Stellen Sie sich nun eine Kutsche mit vier Pferden vor. Wenn jedes in eine andere Richtung zieht, zerreißt es die Kutsche – oder sie bewegt sich keinen Zentimeter.
So ist es auch mit Schulentwicklung. Unsere Aufgabe als Leitung ist es, diese Kräfte zu bündeln, ihnen eine gemeinsame Richtung zu geben und das Ziel im Blick zu halten. Erst dann kann sich die Kutsche wirklich in Bewegung setzen.

Gute Schulentwicklung lebt nicht von starren, in Stein gemeißelten Zukunftsvisionen. Sie lebt davon, dass wir im Hier und Jetzt die richtigen Dinge tun – konsequent, gemeinschaftlich, mit klarem Blick und der Bereitschaft, Kurskorrekturen vorzunehmen.

Aus einem kleinen Senfkorn kann ein großer Baum werden, unter dessen Ästen viele Platz finden – wenn wir ihn pflegen, ihm Zeit geben und gemeinsam daran arbeiten.

Blog 2025-17: Schulentwicklung: Sollte wer Visionen hat zum Arzt gehen?

Grafik: ChatGPT 5; Prompt: Visualisierung des Beitrags

Das Thema „Visionen in Schulentwicklungsprozessen“ beschäftigt mich als Praktiker schon länger und ist auch immer wieder Gegenstand von Diskussionen in unserer Schulgemeinschaft und in unserem Schulleitungsteam.

Viele Schulentwicklungsprozesse beginnen mit der Entwicklung einer Vision oder eines Leitbildes. So soll, zumindest in der Theorie, ein gemeinsames Fundament, ein Konsens, ein Ziel entwickelt werden, welches dann die Mitglieder der Schulgemeinschaft zu einem Zustand leitet, der von möglichst allen gewünscht wird.
Ich kann das grundsätzlich nachvollziehen, habe aber doch auch meine Probleme damit, die ich gerne erläutern und in den Diskurs einbringen will.

Ex-Kanzler Helmut Schmidt soll, vermutlich im Bundestagswahlkampf 1980, gesagt haben: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Ich antworte für gewöhnlich darauf, dass ich beim Arzt gewesen sei und dieser bestätigt habe, dass alles in Ordnung sei. Aber braucht Schulentwicklung tatsächlich eine Vision oder ist das vielleicht sogar schädlich? Der Duden definiert Vision als:
a) übernatürliche Erscheinung als religiöse Erfahrung
b) optische Halluzination
c) in jemandes Vorstellung besonders in Bezug auf Zukünftiges entworfenes Bild.
Etymologisch spielen eher a) und b) eine Rolle, für unseren Kontext aber wohl eher c): Eine Vorstellung in Bezug auf eine Zukunft. Jetzt bin ich aber der Überzeugung, mein Blog und die Newsletter belegen das immer wieder, dass unsere Zukunft volatil und unsicher ist, dass wir in Zeiten exponentieller Veränderungen leben. Wie soll in diesem Kontext eine tragfähige Vision für die Zukunft einer Schule entstehen? Ist nicht jede Vision unter Umständen nach einem Jahr schon wieder obsolet, weil sich Rahmenbedingungen fundamental verändert haben.
Dem kann man natürlich entgehen, indem man eine Vision möglichst wenig konkret verfasst: „Wir wollen eine Schule sein, an der sich alle wohlfüllen“. Das ist dann aber schon wieder ziemlich beliebig und ein Allgemeinplatz, dem alle zustimmen würden, der in seiner Konkretisierung aber konfliktbehaftet ist, weil jeder sich anders wohlfühlt. Wird man auf der anderen Seite zu konkret und fasst die Vision zu eng, kann es passieren, dass ein Ziel ganz schnell nicht mehr als erstrebenswert gilt, zum Beispiel „Wir wollen unseren Unterricht an kybernetischen Lerntheorien orientieren“ oder wir wollen die Methode „Lesen durch Schreiben“ implementieren.
Diesem Dilemma kann man vielleicht entkommen, indem man eben kein Leitbild oder keine Vision für eine Zukunft entwickelt, die immer schlechter vorhersehbar ist, sondern indem man einen Auftrag für das jetzt entwickelt, so wie wir es mit dem Mandat für unsere DNA-Gruppe gemacht haben, das mit großer Zustimmung von der Gesamtkonferenz abgestimmt wurde:

Auch dort steht, dass wir eine Schule haben wollen, auf die alle wieder mehr Lust haben. Aber das wird konkretisiert, wir wollen das erreichen, indem wir Unterricht öffnen und neu denken, an anderen Schulen hospitieren, mehr Sinn und Selbstwirksamkeit stiften, mutig sind, gemeinsam mit der gesamten Schulgemeinschaft daran arbeiten wollen und sogar schon Rahmenbedingungen festgelegt haben. Das ist hinreichend offen und hinreichend konkret. Es gibt Leitplanken oder Eckpfeiler, wie Öffnung von Unterricht und einen Kerngedanken von pädagogisch anderem Handeln und Systemtransformation, der sich an anderen Schulen (Best Practice) orientiert und die gesamte Schulgemeinschaft einbindet.

Ich finde, damit ist hinreichend klar, wohin der Weg führen soll. Es ist ein Rahmen gesteckt und nächste Schritte werden konkret. Dennoch ist Flexibilität, moderner gesagt: Agilität, möglich, da wir ja unseren eigenen Weg finden müssen, der sich an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler in unserem Umfeld orientiert.

Fazit: Wir brauchen keine Vision für die Zukunft, wir brauchen einen Auftrag für die Gegenwart. (Und die Diskussion um den Arzt können wir uns sparen)