Blog 2025-16: Guerilla-Schulentwicklung

Vorbemerkung: Dieser Beitrag kommt ohne echte wissenschaftliche Evidenz daher. Ich habe natürlich Bücher zu Schul- und Organisationsentwicklung gelesen, Fortbildungen und Workshops dazu besucht und gehalten, aber ich will hier keinen wissenschaftlichen Artikel veröffentlichen. Mir geht es um eine Idee, eine Erfahrung, die ich gerne in den Diskurs einbringe.
Mir ist auch bewusst, dass man den Begriff „Guerilla“ durchaus kritisch sehen kann, aber ich finde ihn in dem Kontext durchaus sinnvoll, nicht weil er etwas Militärisches hat, sondern weil er den Kerngedanken meiner Idee gut trifft. Ich könnte auch von Ninja-Schulentwicklung sprechen, aber das würde es nur begrenzt besser machen. Und wie jede Metapher hat auch der Begriff „Guerilla“ in diesem Kontext seine Grenzen. In der Schule werden natürlich keine „Feinde“ mit klandestinen Militäroperationen empfindlich getroffen, aber es geht um viele kleine punktuelle Aktionen, die Entwicklung verändern.

Das ist dann nämlich auch schon der Kerngedanke der Guerilla-Schulentwicklung. Es gibt kein feststehendes großes Ziel, auf das dann hingearbeitet wird, bei dem der Schulleiter die Richtung vorgibt und den Lehrkräften sagt, wo es lang geht (ich verzichte hier jetzt bewusst auf militärische Metaphern). Solche Entwicklungsprozesse sind in der Regel zum Scheitern verurteilt. Dennoch braucht Schulleitung eine Vision, die im Idealfall im Dialog mit der Schulgemeinschaft entsteht. (Zum Thema Vision wird bald ein weiterer Blogartikel erscheinen.) Diese Vision muss hinreichend, aber nicht sonderlich konkret sein, sie muss eine Richtung haben, aber kein klares Ziel. Schulentwicklung ist eine zentrale Aufgabe der Schulleitung, aber kein Prozess der sinnvoll angeordnet werden kann, der aber gesteuert werden muss. Wie kann das aber gelingen?
Wie kann ich als Schulleiter Einfluss auf Schulentwicklung nehmen ohne zu diktieren und wie kann ich die Schulgemeinschaft mitnehmen?

Es ist nicht ratsam, und da hinkt der Guerilla-Vergleich, Schulentwicklung als Geheimoperation oder Täuschungsmanöver (schon wieder eine Militär-Metapher) durchzuführen. Schulentwicklung muss transparent sein. Aber sie darf, und da passt der Vergleich wieder, überraschend sein, sie darf Spuren hinterlassen, von denen unklar ist, wo sie herkommen. Ganz konkret heißt das, dass man an einer prominenten Stelle ein Plakat, eine Karikatur oder einen Zeitungsartikel aufhängen oder platzieren kann, der zum Nachdenken anregt.
Ich hänge manchmal so etwas ans Schwarze Brett oder „vergesse“ Kopien im Lehrerzimmer.
Ich weise bestimmte Kolleginnen und Kollegen auf bestimmte Fortbildungen hin oder werbe für bestimmte Bücher oder Filme. Zum Beispiel habe ich drei Exemplare des Buchs von Stefan Ruppaner angeschafft und ins Kollegium verliehen.
Wir haben außerdem innovative Konferenzformate wie Barcamps oder Open Spaces eingeführt, die ganz viel Raum zur Ideenentwicklung bieten, die dann langsam in die Schulgemeinschaft sickern (Schulentwicklung ist ja kein Sprint, sondern ein Marathon). Überhaupt geht es ganz viel darum den Mitgliedern der Schulgemeinschaft Möglichkeitsräume zu schaffen, ihnen Vertrauen zu schenken und sie bei Innovationen zu unterstützen, auch im Scheitern. Innovative Lehrkräfte haben einen starken Instinkt für die richtige Richtung von Schulentwicklung, sie, aber auch die Lernenden, spüren am Ende besser als die Schulleitung was die Schule braucht. So kam die Initiative zehn Lehrkräfte bei BeWirken an einer Lernbegleiter-Fortbildung teilzunehmen aus dem Kollegium und wurde von der Schulleitung natürlich sofort unterstützt.

Zur Guerilla-Schulentwicklung gehört auch Ideen und Erkenntnisse aus der Bildungswissenschaft oder aus der Bildungsbubble auf Social-Media in die Schulgemeinschaft zu transportieren. Das passiert im alle zwei Wochen erscheinenden Newsletter oder in Statements auf Konferenzen, Sessions in Barcamps, Einzelgesprächen und überhaupt bei jeder Gelegenheit. Bestenfalls als Denkanstoß oder Angebot auf keinen Fall als Belehrung.

Sinnvoll ist es natürlich auch externe Berater oder Teilgeber für Barcamps einzuladen, die Innovationen unterstützen.

All diese Maßnahmen führen zu sichtbaren Veränderungen. Am deutlichsten wird das in der Art, wie mittlerweile über Schulentwicklung in der Schule gesprochen wird. Vor zwei Jahren waren Begriffe wie Lernbegleitung, Freiday, Alemannenschule, Lernbüro, Barcamp usw. allenfalls einer kleinen Minderheit bekannt und spielten im Diskurs keine Rolle. Jetzt können fast alle Kolleginnen und Kollegen damit etwas anfangen und entwickeln ihre eigenen Vision von einer modernen Schulkultur. Und das ist ein beachtlicher Erfolg!
In nur zwei Jahren ist es gelungen durch ganz viele kleine Aktionen an ganz vielen Orten und zu unterschiedlichen Anlässen und Zeiten einen neuen Möglichkeitsraum zu schaffen, in dem Schulentwicklung stattfinden kann. Jetzt ist hoffentlich der Boden bereitet, konkrete Maßnahmen zu ergreifen und Schule neu zu denken. Nicht durch Diktat oder Überwältigung, sondern durch Information, Angebot und Empowerment. Und das ist das, was ich mit Guerilla-Schulentwicklung meine.

(Mehr dazu hier)