Liebe Schulgemeinschaft,
auch wenn es eher (zu?) kurz war, ich fand unser Experiment mit der offenen pädagogischen Diskussion am Ende der letzten Gesamtkonferenz gelungen. Auch wenn es keine konkreten Ergebnisse gab, so konnten dennoch viele Positionen ausgetauscht und verdeutlicht werden. Die Gruppe, die über den Umgang mit mobilen Endgeräten diskutiert hat, hat noch einmal gezeigt, dass wir in einer VUCA-Welt leben. Die Diskussion war nämlich von einer gewissen Unsicherheit geprägt, sie war komplex und hat Mehrdeutigkeiten aufgezeigt.
Bis vor einem Jahr war für mich klar, dass das Smartphone zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler gehört und deswegen nicht aus der Schule verbannt werden darf. Idealerweise wird eine Kultur der Digitalität gelebt, in der die Lernenden UND Lehrenden verantwortungsvoll mit ihren mobilen Endgeräten umgehen, diese nur in erlaubten Phasen im Unterricht einsetzen, Pausen für Bewegung nutzen und es nicht zu damit verbundenen Mobbingaktionen usw. kommt. Mittlerweile komme ich ins Zweifeln. Solange eine solche verantwortungsvolle Kultur der Digitalität noch nicht hergestellt ist, überwiegt vielleicht doch der Schaden, den Handy und Co anrichten. Immer wieder wird im Unterricht gefilmt oder fotografiert, wird in Chats gemobbt und sobald sich irgendwo eine Handgreiflichkeit anbahnt, werden die Smartphones gezückt. Ein Teil der Förderstufenschülerinnen und -schüler nutzt die Pausen nicht für Bewegung, sondern zum Spielen von irgendwelchen Browsergames, deren einziges Ziel es ist über Dopaminausschüttungen im Gehirn Suchtzustände herzustellen und am Ende vielleicht zu In-App-Käufen zu verleiten oder Werbung zu verbreiten. Jugendliche und Kinder werden über soziale Medien, TikTok, Gruppenchats, teils in ihren Spielen, über Airdrop und alle möglichen anderen Kanälen, mit Aufnahmen von (extremer) Gewalt, Tierquälerei oder Pornografie konfrontiert, von denen viele Erwachsene keine Vorstellung haben (ich empfehle in diesem Zusammenhang immer wieder Silke Müllers Buch „Wir verlieren unsere Kinder“, s.u.). Es gibt mittlerweile ja durchaus ernstzunehmende Studien, dass übermäßiger Medienkonsum, gerade bei Kindern, zu Konzentrationsschwierigkeiten oder Schlafstörungen führt. Es gibt andererseits aber keine Studien, die belegen, dass die sinnvolle Nutzung digitaler Endgeräte für schulische Zwecke schädlich ist.
Natürlich spielt sich von alledem nur ein Bruchteil in der Schule ab. In der Regel findet der Ge- und Missbrauch von digitalen Endgeräten ja zuhause und im Freundeskreis statt.
Dennoch muss sich Schule der Verantwortung zur Medienbildung bewusst sein. Die Medien sind da, ob wir sie in der Schule nutzen (kontrolliert oder unkontrolliert) oder verbieten, verschwinden tun sie nicht mehr und mit KI erreichen wir eine neue Dimension. Wenn jede und jeder über Prompts Programme erstellen, Bilder, sogar Videos, von erstaunlicher Qualität erzeugen kann, verschwimmt die Grenze zwischen Realität und Fiktion. Dann muss Schule erst recht Medienbildungsarbeit leisten und zum kritischen und reflektierten Umgang mit all den Geräten und Tools bilden, vielleicht sogar auf Kosten des tradierten Inhaltskanons schulischen Wissens.
Ich bleibe dabei, das Ziel muss es sein die Schülerinnen und Schüler zu einem verantwortlichen Umgang mit digitalen Endgeräten und den damit verbundenen Risiken und Möglichkeiten zu erziehen. Bis wir diese Kultur der Digitalität allerdings erreicht haben und in der Schule und zuhause dieser verantwortungsvolle Umgang stattfindet, könnte es aber sein, dass wir eine Art Moratorium brauchen, bis wir, und damit meine ich die gesamte Schulgemeinschaft, uns schlau genug gemacht haben, wie wir zu dem verantwortungsvollen Umgang kommen. Vielleicht brauchen wir dafür externe Expertise, auf jeden Fall brauchen wir Zeit, um einen nachhaltigen Prozess zu starten. Wir waren uns in der Diskussion nach der Gesamtkonferenz im Grunde einig, dass ein Schnellschuss mit Regeln, die nicht von allen getragen werden, keine Lösung sein kann. Wir werden diese Diskussion führen und ich lade Sie und Euch alle herzlich dazu ein.
Unten finden Sie noch ein paar Links zur Vertiefung des hier angesprochenen Themen-komplexes.
Ihr
Erik Grundmann
Und wieder als Angebot, ein paar Links, Tipps und Empfehlungen:
- Zum Thema
Hier ein paar lesenswerte Artikel zum Thema digitale Endgeräte in der Schule: - https://deutsches-schulportal.de/schule-im-umfeld/social-media-nutzung-warum-auszeiten-fuer-junge-menschen-wichtig-sind/?utm_source=+CleverReach+GmbH+%26+Co.+KG&utm_medium=email&utm_campaign=Newsletter+KW+10%2F2024&utm_content=Mailing_15155384.
- https://deutsches-schulportal.de/schule-im-umfeld/jedes-vierte-kind-nutzt-soziale-medien-riskant-viel/?utm_source=+CleverReach+GmbH+%26+Co.+KG&utm_medium=email&utm_campaign=Newsletter+KW+10%2F2024&utm_content=Mailing_15155384.
- https://learnflow.city/2024/03/08/warum-das-smartphone-verbot-alle-gleich-benachteiligt/.
- https://kmz-es.de/zwischen-totalverbot-und-always-on/.
Leseempfehlungen
– Silke Müller: Wir verlieren unsere Kinder. Gewalt, Missbrauch, Rassismus. Der verstörende Alltag im Klassenchat, München 2023.
– Leonie Lutz, Anika Osthoff: Begleiten statt verbieten. Als Familie kompetent uns sicher in die digitale Welt, München 2022.
– Jessica Wawrzyniak: Screen-Teens. Wie wir Jugendliche in die digitale Verantwortung begleiten, München 2022.
- Interessantes
Youtube Video zu Gehirntraining und dem Lernen der Zukunft: https://www.youtube.com/watch?v=_7HXDDrP_64.
Studie der TU München zum Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern in Deutschland: https://www.tum.de/aktuelles/alle-meldungen/pressemitteilungen/details/so-geht-es-den-schuelerinnen-in-deutschland.
Und ein Interview der Robert-Bosch-Stiftung mit Julian Schmitz zum Zusammenhang von Schule und Wohlbefinden von Kindern: https://www.bosch-stiftung.de/de/storys/warum-schule-bildung-und-wohlbefinden-zusammen-denken-muss-0?s=09.
Hier noch eine Studie der Körber-Stiftung zum Themenkomplex: https://koerber-stiftung.de/site/assets/files/37114/240305_koerber-stiftung_umfrage_nach_dem_potsdamer_geheimtreffen.pdf.
- KI
Auf der letzten Gesamtkonferenz wurde im Rahmen der Abstimmung über den Haushalt beschlossen, dass wir Schullizenzen für Fiete und Fobizz anschaffen. Zu beiden Tools wird es noch Einführungsveranstaltungen geben. Wer sich schon einmal anschauen will, was damit möglich ist, kann das unter https://www.fiete.ai/ und https://fobizz.com/ tun.
Joscha Falck und Jan Vedder haben sich mit dem Umgang mit KI in der Schule auseinandergesetzt (mit Reflexionsvorlagen, einer Umfrage und einem Mega-Prompt: https://www.vedducation.de/kivilution/ und https://joschafalck.de/ki-revolution-anpacken/.
Die Vodafone-Stiftung hat eine Studie zu KI an Schulen mit interessanten Ergebnisse erstellt (siehe auch Hörempfehlung): https://www.vodafone-stiftung.de/jugendstudie-kuenstliche-intelligenz/.
Pi ist ein neuer Chatbot ohne Registrierung und anscheinend recht aktuellen Trainingsdaten: https://digitaleprofis.de/kuenstliche-intelligenz/ki-tools/pi-der-beste-ki-chatbot-von-dem-du-noch-nie-gehoert-hast/?fbclid=IwAR36KUaCBr5VTQfIC-vTGCtPm26M7WYS1H2G8Ehaw05JIQgmujcy_z5BqeM.
Ein kitische Auseinandersetzung mit KI von Jürgen Geuter: https://www.turi2.de/community/ki-kuenstliche-intelligenz-juergen-geuter-tante-interview-kritik-gefahrenopenai-chatgpt/.
Empfehlenswert ist zum Thema KI auf jeden Fall auch die aktuelle Ausgabe der Pädagogik.
- Hörempfehlung
Die Podcastreihe „Laberfach“ beschäftigt sich mit Themen aus Deutsch, die Epochenfolgen haben einen Geschichtsteil: https://www.laberfach.de/der-podcast/.
Die 10. Episode von „Kreide.KI.Klartext“ geht um die Ergebnisse der Vodafone-Studie (s.o.) und die Erwartungen von Jugendlichen an Lernen mit KI. https://open.spotify.com/episode/3IRKkQ5bZIWqcIiVLYWqOQ?si=coOCwdVlR9aKPFpTqYHHIg&nd=1&dlsi=550962912410475d.
- Tipps für den Unterricht
Probieren Sie, sobald verfügbar, Fobizz und Fiete 😉
Im „Serious Games Information Centre“ der TU-Darmstadt finden Sie zahlreiche Links und Beschreibungen zu wertvollen und in der Regel kostenlosen Serious Games zur Bereicherung von Unterricht: https://seriousgames-portal.org/en/games/fd128077-d956-49dd-8b7b-78018fcbd8b4. - Sehempfehlung
„Hart aber fair“ vom 18.03. in der ARD-Mediathek zum Thema social media, u.a. mit Silke Müller: https://www.ardmediathek.de/sendung/hart-aber-fair/Y3JpZDovL3dkci5kZS9oYXJ0IGFiZXIgZmFpcg.
Demnächst im Kino: „Radical“, ein Film über einen mexikanischen Lehrer, der einen Unterschied macht: https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/Filmtipp-Radical-100.html. - Spaß im Netz
Ein schönes Osterbreakout für die letzten Stunden vor den Ferien oder die erste Stunde danach, wunderbar auf einer digitalen Tafel durchzuführen: https://www.thinglink.com/scene/1425560348877914113.
Wir wünschen eine erholsame Ferien- und Osterzeit!
Egal, was Sie vorhaben oder tun (müssen):